Hypothek eintragen zu lassen. Er verschloß also sein Haus von allen Seiten und machte sich wiederum auf den Weg. Die Arbeit lief ihm nicht weg, denn von dieser Sorte konnte er genug bekommen. Zuletzt verlor er aber doch die Hoffnung, denn Niemand wagte, auf seine Bedingung einzugehen. Im letzten Augenblick meldete sich ein Retter in der Noth, der, wie er angab, auf Umwegen von seiner Bedrängniß gehört haben wollte. Es war ein Zwischenhändler, den Urban, der in letzter Stunde Kenntniß von der Hypothekengeschichte erhielt, beauftragt hatte, das Geschäft zu machen, ohne daß Timpe von dem wahren Sachverhalt erfahre. Man wollte dem Meister die acht¬ tausend Mark geben, sich aber vierteljährliche Kündigungsfrist vorbehalten. Das Anerbieten war von sehr schönen Redens¬ arten begleitet: Man würde durchaus nicht in den ersten zehn Jahren von dem Kündigungsrechte Gebrauch machen, müsse sich aber auf alle Fälle sichern. Es war sozusagen die Pistole, die man Timpe auf die Brust setzte. Er überlegte noch achtundvierzig Stunden, lief noch ein¬ mal treppauf, treppab, und willigte dann in den Handel ein. So konnte er wenigstens in seinen vier Pfählen sitzen bleiben und sich mit dem Bewußtsein schlafen legen, daß "den guten Freunden" die Freude verdorben wurde.
Um die ausbedungenen Zinsen vorausbezahlen zu können, verkaufte er in aller Stille drei seiner Drehbänke, die in den Abendstunden abgeholt wurden. Wozu sollten sie auch länger dastehen, da er doch nicht mehr die Aussicht hatte, sie in Be¬ wegung zu sehen! Am meisten freute er sich über die großen Augen, die der jetzige Inhaber der Hypothek machen würde, wenn das baare Geld ihm hingezählt wurde. Der Herr zeigte
Hypothek eintragen zu laſſen. Er verſchloß alſo ſein Haus von allen Seiten und machte ſich wiederum auf den Weg. Die Arbeit lief ihm nicht weg, denn von dieſer Sorte konnte er genug bekommen. Zuletzt verlor er aber doch die Hoffnung, denn Niemand wagte, auf ſeine Bedingung einzugehen. Im letzten Augenblick meldete ſich ein Retter in der Noth, der, wie er angab, auf Umwegen von ſeiner Bedrängniß gehört haben wollte. Es war ein Zwiſchenhändler, den Urban, der in letzter Stunde Kenntniß von der Hypothekengeſchichte erhielt, beauftragt hatte, das Geſchäft zu machen, ohne daß Timpe von dem wahren Sachverhalt erfahre. Man wollte dem Meiſter die acht¬ tauſend Mark geben, ſich aber vierteljährliche Kündigungsfriſt vorbehalten. Das Anerbieten war von ſehr ſchönen Redens¬ arten begleitet: Man würde durchaus nicht in den erſten zehn Jahren von dem Kündigungsrechte Gebrauch machen, müſſe ſich aber auf alle Fälle ſichern. Es war ſozuſagen die Piſtole, die man Timpe auf die Bruſt ſetzte. Er überlegte noch achtundvierzig Stunden, lief noch ein¬ mal treppauf, treppab, und willigte dann in den Handel ein. So konnte er wenigſtens in ſeinen vier Pfählen ſitzen bleiben und ſich mit dem Bewußtſein ſchlafen legen, daß „den guten Freunden“ die Freude verdorben wurde.
Um die ausbedungenen Zinſen vorausbezahlen zu können, verkaufte er in aller Stille drei ſeiner Drehbänke, die in den Abendſtunden abgeholt wurden. Wozu ſollten ſie auch länger daſtehen, da er doch nicht mehr die Ausſicht hatte, ſie in Be¬ wegung zu ſehen! Am meiſten freute er ſich über die großen Augen, die der jetzige Inhaber der Hypothek machen würde, wenn das baare Geld ihm hingezählt wurde. Der Herr zeigte
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0279"n="267"/>
Hypothek eintragen zu laſſen. Er verſchloß alſo ſein<lb/>
Haus von allen Seiten und machte ſich wiederum auf<lb/>
den Weg. Die Arbeit lief ihm nicht weg, denn von dieſer<lb/>
Sorte konnte er genug bekommen. Zuletzt verlor er<lb/>
aber doch die Hoffnung, denn Niemand wagte, auf ſeine<lb/>
Bedingung einzugehen. Im letzten Augenblick meldete ſich<lb/>
ein Retter in der Noth, der, wie er angab, auf Umwegen<lb/>
von ſeiner Bedrängniß gehört haben wollte. Es war ein<lb/>
Zwiſchenhändler, den Urban, der in letzter Stunde Kenntniß<lb/>
von der Hypothekengeſchichte erhielt, beauftragt hatte, das<lb/>
Geſchäft zu machen, ohne daß Timpe von dem wahren<lb/>
Sachverhalt erfahre. Man wollte dem Meiſter die acht¬<lb/>
tauſend Mark geben, ſich aber vierteljährliche Kündigungsfriſt<lb/>
vorbehalten. Das Anerbieten war von ſehr ſchönen Redens¬<lb/>
arten begleitet: Man würde durchaus nicht in den erſten<lb/>
zehn Jahren von dem Kündigungsrechte Gebrauch machen, müſſe<lb/>ſich aber auf alle Fälle ſichern. Es war ſozuſagen die<lb/>
Piſtole, die man Timpe auf die Bruſt ſetzte. Er<lb/>
überlegte noch achtundvierzig Stunden, lief noch ein¬<lb/>
mal treppauf, treppab, und willigte dann in den Handel<lb/>
ein. So konnte er wenigſtens in ſeinen vier Pfählen<lb/>ſitzen bleiben und ſich mit dem Bewußtſein ſchlafen legen, daß<lb/>„den guten Freunden“ die Freude verdorben wurde.</p><lb/><p>Um die ausbedungenen Zinſen vorausbezahlen zu können,<lb/>
verkaufte er in aller Stille drei ſeiner Drehbänke, die in den<lb/>
Abendſtunden abgeholt wurden. Wozu ſollten ſie auch länger<lb/>
daſtehen, da er doch nicht mehr die Ausſicht hatte, ſie in Be¬<lb/>
wegung zu ſehen! Am meiſten freute er ſich über die großen<lb/>
Augen, die der jetzige Inhaber der Hypothek machen würde,<lb/>
wenn das baare Geld ihm hingezählt wurde. Der Herr zeigte<lb/></p></div></body></text></TEI>
[267/0279]
Hypothek eintragen zu laſſen. Er verſchloß alſo ſein
Haus von allen Seiten und machte ſich wiederum auf
den Weg. Die Arbeit lief ihm nicht weg, denn von dieſer
Sorte konnte er genug bekommen. Zuletzt verlor er
aber doch die Hoffnung, denn Niemand wagte, auf ſeine
Bedingung einzugehen. Im letzten Augenblick meldete ſich
ein Retter in der Noth, der, wie er angab, auf Umwegen
von ſeiner Bedrängniß gehört haben wollte. Es war ein
Zwiſchenhändler, den Urban, der in letzter Stunde Kenntniß
von der Hypothekengeſchichte erhielt, beauftragt hatte, das
Geſchäft zu machen, ohne daß Timpe von dem wahren
Sachverhalt erfahre. Man wollte dem Meiſter die acht¬
tauſend Mark geben, ſich aber vierteljährliche Kündigungsfriſt
vorbehalten. Das Anerbieten war von ſehr ſchönen Redens¬
arten begleitet: Man würde durchaus nicht in den erſten
zehn Jahren von dem Kündigungsrechte Gebrauch machen, müſſe
ſich aber auf alle Fälle ſichern. Es war ſozuſagen die
Piſtole, die man Timpe auf die Bruſt ſetzte. Er
überlegte noch achtundvierzig Stunden, lief noch ein¬
mal treppauf, treppab, und willigte dann in den Handel
ein. So konnte er wenigſtens in ſeinen vier Pfählen
ſitzen bleiben und ſich mit dem Bewußtſein ſchlafen legen, daß
„den guten Freunden“ die Freude verdorben wurde.
Um die ausbedungenen Zinſen vorausbezahlen zu können,
verkaufte er in aller Stille drei ſeiner Drehbänke, die in den
Abendſtunden abgeholt wurden. Wozu ſollten ſie auch länger
daſtehen, da er doch nicht mehr die Ausſicht hatte, ſie in Be¬
wegung zu ſehen! Am meiſten freute er ſich über die großen
Augen, die der jetzige Inhaber der Hypothek machen würde,
wenn das baare Geld ihm hingezählt wurde. Der Herr zeigte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/279>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.