Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.noch scheuer als sonst umher. Das Bewußtsein, daß trotz alledem Eines Nachmittags betrat er die Werkstatt, als gerade "Sie haben sich garnicht von meinem Sohne zu unter¬ Er drehte sich kurz um und schritt wieder seinem Arbeits¬ Dabei hafteten seine Augen auf des Altgesellen Lippen; noch ſcheuer als ſonſt umher. Das Bewußtſein, daß trotz alledem Eines Nachmittags betrat er die Werkſtatt, als gerade „Sie haben ſich garnicht von meinem Sohne zu unter¬ Er drehte ſich kurz um und ſchritt wieder ſeinem Arbeits¬ Dabei hafteten ſeine Augen auf des Altgeſellen Lippen; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0217" n="205"/> noch ſcheuer als ſonſt umher. Das Bewußtſein, daß trotz alledem<lb/> ſein Sohn ein Dieb war, wich nicht von ihm; und der<lb/> Gedanke, daß er der einzige Menſch auf Erden ſei, der um<lb/> die That Franzens wiſſe, ſie aber um ſeines Namens willen<lb/> nicht zur Sühne bringen dürfe, ließ ihn in der Einbildung<lb/> leben, daß auch er theilhaftig an einem Verbrechen, daß auch<lb/> ſein Gewiſſen für ewige Zeiten belaſtet ſei. Und das erweckte<lb/> in ihm ein Gefühl der Furchtſamkeit, der Selbſterniedrigung,<lb/> ſo daß die leiſeſte Hindeutung auf die Unglücksnacht genügte,<lb/> um ihn in die größte Angſt zu verſetzen.</p><lb/> <p>Eines Nachmittags betrat er die Werkſtatt, als gerade<lb/> der Name ſeines Sohnes genannt wurde. Thomas Beyer<lb/> war Franz begegnet, dieſer aber wie mit Abſicht nach der<lb/> anderen Seite der Straße gegangen, um ihm auszuweichen.<lb/> Der Meiſter zitierte vor Schreck, brauſte dann aber auf, ſo¬<lb/> daß die Geſellen zuſammenfuhren.</p><lb/> <p>„Sie haben ſich garnicht von meinem Sohne zu unter¬<lb/> halten, zumal hinter meinem Rücken,“ ſagte er erregt zu dem<lb/> Altgeſellen. „Ich verbiete Ihnen das ein- für allemal.“</p><lb/> <p>Er drehte ſich kurz um und ſchritt wieder ſeinem Arbeits¬<lb/> zimmer zu. Thomas Beyer ſchwieg, blickte ihm aber kopf¬<lb/> ſchüttelnd nach. Nach einer Weile rief ihn Timpe zu ſich<lb/> herein, bat für ſeine vorherige Unhöflichkeit um Verzeihung<lb/> und forſchte nach verſchiedenen Dingen: wie Franz aus¬<lb/> ſehe, was er für einen Eindruck auf Beyer gemacht habe,<lb/> ob er hier bei ſeinem Hauſe vorübergegangen ſei u. ſ. w.</p><lb/> <p>Dabei hafteten ſeine Augen auf des Altgeſellen Lippen;<lb/> und die Haſt, mit der er fragte, das nervöſe Zittern der<lb/> Hände, die ihre einſtige Ruhe verloren hatten, bewieſen Beyer<lb/> nur zu ſehr, wie krankhaft das Gebahren Timpe's war. Und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [205/0217]
noch ſcheuer als ſonſt umher. Das Bewußtſein, daß trotz alledem
ſein Sohn ein Dieb war, wich nicht von ihm; und der
Gedanke, daß er der einzige Menſch auf Erden ſei, der um
die That Franzens wiſſe, ſie aber um ſeines Namens willen
nicht zur Sühne bringen dürfe, ließ ihn in der Einbildung
leben, daß auch er theilhaftig an einem Verbrechen, daß auch
ſein Gewiſſen für ewige Zeiten belaſtet ſei. Und das erweckte
in ihm ein Gefühl der Furchtſamkeit, der Selbſterniedrigung,
ſo daß die leiſeſte Hindeutung auf die Unglücksnacht genügte,
um ihn in die größte Angſt zu verſetzen.
Eines Nachmittags betrat er die Werkſtatt, als gerade
der Name ſeines Sohnes genannt wurde. Thomas Beyer
war Franz begegnet, dieſer aber wie mit Abſicht nach der
anderen Seite der Straße gegangen, um ihm auszuweichen.
Der Meiſter zitierte vor Schreck, brauſte dann aber auf, ſo¬
daß die Geſellen zuſammenfuhren.
„Sie haben ſich garnicht von meinem Sohne zu unter¬
halten, zumal hinter meinem Rücken,“ ſagte er erregt zu dem
Altgeſellen. „Ich verbiete Ihnen das ein- für allemal.“
Er drehte ſich kurz um und ſchritt wieder ſeinem Arbeits¬
zimmer zu. Thomas Beyer ſchwieg, blickte ihm aber kopf¬
ſchüttelnd nach. Nach einer Weile rief ihn Timpe zu ſich
herein, bat für ſeine vorherige Unhöflichkeit um Verzeihung
und forſchte nach verſchiedenen Dingen: wie Franz aus¬
ſehe, was er für einen Eindruck auf Beyer gemacht habe,
ob er hier bei ſeinem Hauſe vorübergegangen ſei u. ſ. w.
Dabei hafteten ſeine Augen auf des Altgeſellen Lippen;
und die Haſt, mit der er fragte, das nervöſe Zittern der
Hände, die ihre einſtige Ruhe verloren hatten, bewieſen Beyer
nur zu ſehr, wie krankhaft das Gebahren Timpe's war. Und
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