Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.nicht wahr?" sagte er mit bittendem Augenaufschlag. "O, Der kleine Chef fand diese Scene so rührend, daß er "Herr Timpe, Sie sind ein Ehrenmann -- seien Sie Nach zehn Minuten hatten Beide sich über diese An¬ Es handelte sich abermals um einige komplizirte Modelle nicht wahr?“ ſagte er mit bittendem Augenaufſchlag. „O, Der kleine Chef fand dieſe Scene ſo rührend, daß er „Herr Timpe, Sie ſind ein Ehrenmann — ſeien Sie Nach zehn Minuten hatten Beide ſich über dieſe An¬ Es handelte ſich abermals um einige komplizirte Modelle <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0204" n="192"/> nicht wahr?“ ſagte er mit bittendem Augenaufſchlag. „O,<lb/> wenn Sie wüßten, wie ganz anders es iſt, in einem Vater<lb/> den gebildeten Mann zu ſehen! Vielleicht verdammt man<lb/> mich, daß ich mich faſt ganz von meinen Eltern losgeſagt<lb/> habe, aber können die Kinder dafür, wenn die Verhältniſſe,<lb/> unter denen ſie geboren wurden, nicht gleichen Schritt mit<lb/> ihrer Erziehung und ihrer Bildung gehalten haben?“ . . .<lb/> O, Herr Urban, wenn Sie in mein Herz blicken könnten . . .“</p><lb/> <p>Der kleine Chef fand dieſe Scene ſo rührend, daß er<lb/> das Geſicht abwandte, das rothſeidene Taſchentuch hervorzog,<lb/> und daſſelbe dem Auge zuführte. Als er ſich wieder um¬<lb/> drehte, ſagte er voller Theilnahme:</p><lb/> <p>„Herr Timpe, Sie ſind ein Ehrenmann — ſeien Sie<lb/> verſichert, es giebt in der ganzen Welt keinen Menſchen, der<lb/> mehr mit Ihnen fühlte als ich. Nicht Sie ſind zu ver¬<lb/> urtheilen, ſondern Ihr Vater, der hartnäckig alte Prinzipien<lb/> vertritt. Das kommt davon, wenn man ſolche Jammerſteine,<lb/> wie die da drüben, mehr liebt, als Ruhe und Frieden. Wie<lb/> glücklich könnten wir Alle mit einander leben, mein lieber<lb/> Timpe . . . O, man ſollte es nicht glauben, aber es iſt ſo:<lb/> die Welt ſteckt voller Böſewichte.“</p><lb/> <p>Nach zehn Minuten hatten Beide ſich über dieſe An¬<lb/> gelegenheit beruhigt und beſprachen dann rein geſchäftliche<lb/> Dinge. Wenn Urban Jemandem eine Freude bereitete, ſo<lb/> verlangte er regelmäßig einen Gegendienſt dafür; denn eine<lb/> der vielen Deviſen, die ſeinen praktiſchen Standpunkt beweiſen<lb/> ſollten, lautete: Eine Hand wäſcht die andere.</p><lb/> <p>Es handelte ſich abermals um einige komplizirte Modelle<lb/> Meiſter Timpe's, die er ſehr zu beſitzen wünſchte. Natürlich<lb/> nur, um ſich auf eine halbe Stunde „an ihrem Anblick“ zu<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [192/0204]
nicht wahr?“ ſagte er mit bittendem Augenaufſchlag. „O,
wenn Sie wüßten, wie ganz anders es iſt, in einem Vater
den gebildeten Mann zu ſehen! Vielleicht verdammt man
mich, daß ich mich faſt ganz von meinen Eltern losgeſagt
habe, aber können die Kinder dafür, wenn die Verhältniſſe,
unter denen ſie geboren wurden, nicht gleichen Schritt mit
ihrer Erziehung und ihrer Bildung gehalten haben?“ . . .
O, Herr Urban, wenn Sie in mein Herz blicken könnten . . .“
Der kleine Chef fand dieſe Scene ſo rührend, daß er
das Geſicht abwandte, das rothſeidene Taſchentuch hervorzog,
und daſſelbe dem Auge zuführte. Als er ſich wieder um¬
drehte, ſagte er voller Theilnahme:
„Herr Timpe, Sie ſind ein Ehrenmann — ſeien Sie
verſichert, es giebt in der ganzen Welt keinen Menſchen, der
mehr mit Ihnen fühlte als ich. Nicht Sie ſind zu ver¬
urtheilen, ſondern Ihr Vater, der hartnäckig alte Prinzipien
vertritt. Das kommt davon, wenn man ſolche Jammerſteine,
wie die da drüben, mehr liebt, als Ruhe und Frieden. Wie
glücklich könnten wir Alle mit einander leben, mein lieber
Timpe . . . O, man ſollte es nicht glauben, aber es iſt ſo:
die Welt ſteckt voller Böſewichte.“
Nach zehn Minuten hatten Beide ſich über dieſe An¬
gelegenheit beruhigt und beſprachen dann rein geſchäftliche
Dinge. Wenn Urban Jemandem eine Freude bereitete, ſo
verlangte er regelmäßig einen Gegendienſt dafür; denn eine
der vielen Deviſen, die ſeinen praktiſchen Standpunkt beweiſen
ſollten, lautete: Eine Hand wäſcht die andere.
Es handelte ſich abermals um einige komplizirte Modelle
Meiſter Timpe's, die er ſehr zu beſitzen wünſchte. Natürlich
nur, um ſich auf eine halbe Stunde „an ihrem Anblick“ zu
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