Alter wäre der Tanzmeister gewesen, der die Hände dabei be¬ wegt hätte", erwiderte der Angeredete mit unterdrücktem Lachen.
"Meister Timpe muß einen Narren an seinem Jungen gefressen haben, daß er so etwas duldet; aber das machen die Kneipmädels, die den Bengels die Köpfe verdrehen und das Geld aus der Tasche ziehen", philosophirte Krusemeyer, als er sich anschickte, dem Rufe des jungen Mannes Folge zu leisten. Bevor er über den Damm ging, wandte er sich noch einmal an den Genossen.
"Hörst Du nichts, Liebegott? Mir war's, als knarrte hier hinter uns eine Thür. Sollte vielleicht ein Dieb --"
"Beruhige Dich nur, es ist nichts. Du wirst es nicht erreichen, verlaß Dich darauf," erwiderte Liebegott und schritt dann bedächtig die Straße nach der anderen Seite hinunter, um seinen Genossen an der nächsten Ecke zu erwarten.
Das Schlüsselbund des Wächters knarrte, die schwere Thür drehte sich in ihren Angeln und schloß sich dann leise hinter Franz Timpe, der horchend stehen blieb. Im Hause war noch Alles ruhig. Durch die geöffnete Hofthür fiel ein fahler Schein auf die rothen Steinfliesen des Flurs, der sich schmal und lang, gleich einer Kegelbahn, durch das alter¬ thümliche Haus zog. Links befand sich die Werkstatt des Vaters, rechts die Wohnung der Eltern. Auf dieser Seite führte eine schmale, gebrechliche Stiege zum einzigen Stockwerk des Hauses empor, in dem zwei kleine bewohnbare Stuben sich befanden. In der einen schlief Franz, in der anderen Gottfried Timpe, der Großvater.
Der Großvater! Bei dem Gedanken an ihn erzitterte der junge Mann, denn der Greis pflegte mit den Hühnern
Alter wäre der Tanzmeiſter geweſen, der die Hände dabei be¬ wegt hätte“, erwiderte der Angeredete mit unterdrücktem Lachen.
„Meiſter Timpe muß einen Narren an ſeinem Jungen gefreſſen haben, daß er ſo etwas duldet; aber das machen die Kneipmädels, die den Bengels die Köpfe verdrehen und das Geld aus der Taſche ziehen“, philoſophirte Kruſemeyer, als er ſich anſchickte, dem Rufe des jungen Mannes Folge zu leiſten. Bevor er über den Damm ging, wandte er ſich noch einmal an den Genoſſen.
„Hörſt Du nichts, Liebegott? Mir war's, als knarrte hier hinter uns eine Thür. Sollte vielleicht ein Dieb —“
„Beruhige Dich nur, es iſt nichts. Du wirſt es nicht erreichen, verlaß Dich darauf,“ erwiderte Liebegott und ſchritt dann bedächtig die Straße nach der anderen Seite hinunter, um ſeinen Genoſſen an der nächſten Ecke zu erwarten.
Das Schlüſſelbund des Wächters knarrte, die ſchwere Thür drehte ſich in ihren Angeln und ſchloß ſich dann leiſe hinter Franz Timpe, der horchend ſtehen blieb. Im Hauſe war noch Alles ruhig. Durch die geöffnete Hofthür fiel ein fahler Schein auf die rothen Steinflieſen des Flurs, der ſich ſchmal und lang, gleich einer Kegelbahn, durch das alter¬ thümliche Haus zog. Links befand ſich die Werkſtatt des Vaters, rechts die Wohnung der Eltern. Auf dieſer Seite führte eine ſchmale, gebrechliche Stiege zum einzigen Stockwerk des Hauſes empor, in dem zwei kleine bewohnbare Stuben ſich befanden. In der einen ſchlief Franz, in der anderen Gottfried Timpe, der Großvater.
Der Großvater! Bei dem Gedanken an ihn erzitterte der junge Mann, denn der Greis pflegte mit den Hühnern
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Alter wäre der Tanzmeiſter geweſen, der die Hände dabei be¬
wegt hätte“, erwiderte der Angeredete mit unterdrücktem Lachen.
„Meiſter Timpe muß einen Narren an ſeinem Jungen
gefreſſen haben, daß er ſo etwas duldet; aber das machen die
Kneipmädels, die den Bengels die Köpfe verdrehen und das
Geld aus der Taſche ziehen“, philoſophirte Kruſemeyer, als
er ſich anſchickte, dem Rufe des jungen Mannes Folge zu
leiſten. Bevor er über den Damm ging, wandte er ſich noch
einmal an den Genoſſen.
„Hörſt Du nichts, Liebegott? Mir war's, als knarrte
hier hinter uns eine Thür. Sollte vielleicht ein Dieb —“
„Beruhige Dich nur, es iſt nichts. Du wirſt es nicht
erreichen, verlaß Dich darauf,“ erwiderte Liebegott und ſchritt
dann bedächtig die Straße nach der anderen Seite hinunter,
um ſeinen Genoſſen an der nächſten Ecke zu erwarten.
Das Schlüſſelbund des Wächters knarrte, die ſchwere
Thür drehte ſich in ihren Angeln und ſchloß ſich dann leiſe
hinter Franz Timpe, der horchend ſtehen blieb. Im Hauſe
war noch Alles ruhig. Durch die geöffnete Hofthür fiel ein
fahler Schein auf die rothen Steinflieſen des Flurs, der ſich
ſchmal und lang, gleich einer Kegelbahn, durch das alter¬
thümliche Haus zog. Links befand ſich die Werkſtatt des
Vaters, rechts die Wohnung der Eltern. Auf dieſer Seite
führte eine ſchmale, gebrechliche Stiege zum einzigen Stockwerk
des Hauſes empor, in dem zwei kleine bewohnbare Stuben
ſich befanden. In der einen ſchlief Franz, in der anderen
Gottfried Timpe, der Großvater.
Der Großvater! Bei dem Gedanken an ihn erzitterte
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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/20>, abgerufen am 07.07.2024.
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