aber einer seiner Befehle nicht befolgt worden war und man sich deswegen auf Franz berief, bot sich ihm endlich die Gelegenheit dar, den gereizten Löwen hervorzukehren. Es gab unter vier Augen einen argen Auftritt.
"Sie thun ja gerade, als wenn Sie hier der Chef wären und ich Ihr junger Mann!" schrie er in voller Entrüstung, worauf dann sofort die höflichste aller Antworten kam:
"Es würde mir zur größten Ehre gereichen, Ihr Chef zu sein, Herr Urban, denn derartige vortreffliche Menschen findet man selten," sagte Timpe junior.
Diesmal aber ließ der kleine Mann sich nicht ködern, trotzdem ihn die Erwiderung wie gewöhnlich verblüfft hatte.
"Wenn das noch einmal vorkommt, dann sind wir ge¬ schiedene Leute, verstehen Sie?"
Franz klappte sein Buch zu und sagte gleichgültig: "Da das noch sehr oft vorkommen wird, Herr Urban, so werde ich sogleich gehen. Ich werde meinem Vater zu Füßen fallen und ihn um Verzeihung bitten. Sie wissen, daß Emma großjährig und ihr Vermögen sicher gestellt ist. Mein Vater und ich werden dann ebenfalls eine Fabrik bauen, und damit Sie sich meiner stets erinnern, werden wir das in Ihrer unmittelbaren Nähe, auf der anderen Seite der Straße thun . . . Adieu!"
Er nahm kaltblütig seinen Hut und wollte verschwinden. Nach zehn Minuten aber konnte man ihn nach wie vor auf dem alten Platz finden; denn Urban, vor Entsetzen bleich, hatte ihn in sein Kabinet gebeten, um "vorher noch ein paar Worte" mit ihm zu wechseln. Man sprach sich sehr ver¬ nünftig aus. Franz spielte auch hier den höflichen Mann weiter, der alles nur aus Interesse für seinen Prinzipal thue.
aber einer ſeiner Befehle nicht befolgt worden war und man ſich deswegen auf Franz berief, bot ſich ihm endlich die Gelegenheit dar, den gereizten Löwen hervorzukehren. Es gab unter vier Augen einen argen Auftritt.
„Sie thun ja gerade, als wenn Sie hier der Chef wären und ich Ihr junger Mann!“ ſchrie er in voller Entrüſtung, worauf dann ſofort die höflichſte aller Antworten kam:
„Es würde mir zur größten Ehre gereichen, Ihr Chef zu ſein, Herr Urban, denn derartige vortreffliche Menſchen findet man ſelten,“ ſagte Timpe junior.
Diesmal aber ließ der kleine Mann ſich nicht ködern, trotzdem ihn die Erwiderung wie gewöhnlich verblüfft hatte.
„Wenn das noch einmal vorkommt, dann ſind wir ge¬ ſchiedene Leute, verſtehen Sie?“
Franz klappte ſein Buch zu und ſagte gleichgültig: „Da das noch ſehr oft vorkommen wird, Herr Urban, ſo werde ich ſogleich gehen. Ich werde meinem Vater zu Füßen fallen und ihn um Verzeihung bitten. Sie wiſſen, daß Emma großjährig und ihr Vermögen ſicher geſtellt iſt. Mein Vater und ich werden dann ebenfalls eine Fabrik bauen, und damit Sie ſich meiner ſtets erinnern, werden wir das in Ihrer unmittelbaren Nähe, auf der anderen Seite der Straße thun . . . Adieu!“
Er nahm kaltblütig ſeinen Hut und wollte verſchwinden. Nach zehn Minuten aber konnte man ihn nach wie vor auf dem alten Platz finden; denn Urban, vor Entſetzen bleich, hatte ihn in ſein Kabinet gebeten, um „vorher noch ein paar Worte“ mit ihm zu wechſeln. Man ſprach ſich ſehr ver¬ nünftig aus. Franz ſpielte auch hier den höflichen Mann weiter, der alles nur aus Intereſſe für ſeinen Prinzipal thue.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0199"n="187"/>
aber einer ſeiner Befehle nicht befolgt worden war und man<lb/>ſich deswegen auf Franz berief, bot ſich ihm endlich die<lb/>
Gelegenheit dar, den gereizten Löwen hervorzukehren. Es<lb/>
gab unter vier Augen einen argen Auftritt.</p><lb/><p>„Sie thun ja gerade, als wenn Sie hier der Chef wären<lb/>
und ich Ihr junger Mann!“ſchrie er in voller Entrüſtung,<lb/>
worauf dann ſofort die höflichſte aller Antworten kam:</p><lb/><p>„Es würde mir zur größten Ehre gereichen, Ihr Chef<lb/>
zu ſein, Herr Urban, denn derartige vortreffliche Menſchen<lb/>
findet man ſelten,“ſagte Timpe junior.</p><lb/><p>Diesmal aber ließ der kleine Mann ſich nicht ködern,<lb/>
trotzdem ihn die Erwiderung wie gewöhnlich verblüfft hatte.</p><lb/><p>„Wenn das noch einmal vorkommt, dann ſind wir ge¬<lb/>ſchiedene Leute, verſtehen Sie?“</p><lb/><p>Franz klappte ſein Buch zu und ſagte gleichgültig: „Da<lb/>
das noch ſehr oft vorkommen wird, Herr Urban, ſo werde<lb/>
ich ſogleich gehen. Ich werde meinem Vater zu Füßen fallen<lb/>
und ihn um Verzeihung bitten. Sie wiſſen, daß Emma<lb/>
großjährig und ihr Vermögen ſicher geſtellt iſt. Mein Vater<lb/>
und ich werden dann ebenfalls eine Fabrik bauen, und damit<lb/>
Sie ſich meiner ſtets erinnern, werden wir das in Ihrer<lb/>
unmittelbaren Nähe, auf der anderen Seite der Straße<lb/>
thun . . . Adieu!“</p><lb/><p>Er nahm kaltblütig ſeinen Hut und wollte verſchwinden.<lb/>
Nach zehn Minuten aber konnte man ihn nach wie vor auf<lb/>
dem alten Platz finden; denn Urban, vor Entſetzen bleich,<lb/>
hatte ihn in ſein Kabinet gebeten, um „vorher noch ein paar<lb/>
Worte“ mit ihm zu wechſeln. Man ſprach ſich ſehr ver¬<lb/>
nünftig aus. Franz ſpielte auch hier den höflichen Mann<lb/>
weiter, der alles nur aus Intereſſe für ſeinen Prinzipal thue.<lb/></p></div></body></text></TEI>
[187/0199]
aber einer ſeiner Befehle nicht befolgt worden war und man
ſich deswegen auf Franz berief, bot ſich ihm endlich die
Gelegenheit dar, den gereizten Löwen hervorzukehren. Es
gab unter vier Augen einen argen Auftritt.
„Sie thun ja gerade, als wenn Sie hier der Chef wären
und ich Ihr junger Mann!“ ſchrie er in voller Entrüſtung,
worauf dann ſofort die höflichſte aller Antworten kam:
„Es würde mir zur größten Ehre gereichen, Ihr Chef
zu ſein, Herr Urban, denn derartige vortreffliche Menſchen
findet man ſelten,“ ſagte Timpe junior.
Diesmal aber ließ der kleine Mann ſich nicht ködern,
trotzdem ihn die Erwiderung wie gewöhnlich verblüfft hatte.
„Wenn das noch einmal vorkommt, dann ſind wir ge¬
ſchiedene Leute, verſtehen Sie?“
Franz klappte ſein Buch zu und ſagte gleichgültig: „Da
das noch ſehr oft vorkommen wird, Herr Urban, ſo werde
ich ſogleich gehen. Ich werde meinem Vater zu Füßen fallen
und ihn um Verzeihung bitten. Sie wiſſen, daß Emma
großjährig und ihr Vermögen ſicher geſtellt iſt. Mein Vater
und ich werden dann ebenfalls eine Fabrik bauen, und damit
Sie ſich meiner ſtets erinnern, werden wir das in Ihrer
unmittelbaren Nähe, auf der anderen Seite der Straße
thun . . . Adieu!“
Er nahm kaltblütig ſeinen Hut und wollte verſchwinden.
Nach zehn Minuten aber konnte man ihn nach wie vor auf
dem alten Platz finden; denn Urban, vor Entſetzen bleich,
hatte ihn in ſein Kabinet gebeten, um „vorher noch ein paar
Worte“ mit ihm zu wechſeln. Man ſprach ſich ſehr ver¬
nünftig aus. Franz ſpielte auch hier den höflichen Mann
weiter, der alles nur aus Intereſſe für ſeinen Prinzipal thue.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/199>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.