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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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Pappstreifen, auf denen die Nummern verzeichnet waren,
konnten nicht entdeckt werden. Man hatte ihn also bestohlen.

Das ganze Haus gerieth bei dieser Nachricht in Aufregung.
Der Großvater gab den Rath, sofort nach der Polizei und dem
Staatsanwalt zu schicken, denn so lange er in diesem Hause
lebe, sei so etwas noch nicht passirt. Und Frau Karoline
war so erschreckt, daß sie Johannes auf das Inständigste bat,
Keller und Boden durchsuchen zu lassen, denn es käme oft
vor, daß Spitzbuben sich tagelang im Hause aufhielten. Am
seltsamsten wurden die Gesellen durch die Entdeckung berührt.
Es leuchtete ihnen sofort ein, daß die Gegenstände nur von
Jemandem entwendet sein konnten, der sie für sich zu ver¬
wenden wußte. Der Meister pflegte seine Stube niemals zu
verschließen; stundenlang war er nicht zu sehen. Sie arbeiteten
Tag für Tag in der Nähe, konnte nicht auf Jeden von ihnen
der Verdacht fallen?

Timpe hatte denselben Gedanken, und doch lag es ihm
fern, auch nur im Geringsten an der Ehrlichkeit der alt¬
bewährten Arbeiter zu zweifeln. Als er die Werkstatt betrat,
kam er seinen Gehülfen zuvor und gab sofort mit aller
Offenheit eine dahingehende Erklärung ab. Und man wußte
ihm Dank für seine Worte; wurde doch Allen dadurch ein
Alp von der Brust genommen. Aber die Thatsache stand
trotzdem fest, nur ein Hausdieb konnte seine Hand nach den
Modellen ausgestreckt haben.

Der Meister nahm sich die beiden Lehrlinge vor und redete
ihnen voller Güte ins Gewissen. Es sollte ihnen verziehen
werden, wenn sie die Wahrheit sagen würden. Die Jungen
waren Söhne armer, aber anständiger Eltern. Sie brachen
sofort in Thränen aus und schwuren hoch und theuer, nichts

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Pappſtreifen, auf denen die Nummern verzeichnet waren,
konnten nicht entdeckt werden. Man hatte ihn alſo beſtohlen.

Das ganze Haus gerieth bei dieſer Nachricht in Aufregung.
Der Großvater gab den Rath, ſofort nach der Polizei und dem
Staatsanwalt zu ſchicken, denn ſo lange er in dieſem Hauſe
lebe, ſei ſo etwas noch nicht paſſirt. Und Frau Karoline
war ſo erſchreckt, daß ſie Johannes auf das Inſtändigſte bat,
Keller und Boden durchſuchen zu laſſen, denn es käme oft
vor, daß Spitzbuben ſich tagelang im Hauſe aufhielten. Am
ſeltſamſten wurden die Geſellen durch die Entdeckung berührt.
Es leuchtete ihnen ſofort ein, daß die Gegenſtände nur von
Jemandem entwendet ſein konnten, der ſie für ſich zu ver¬
wenden wußte. Der Meiſter pflegte ſeine Stube niemals zu
verſchließen; ſtundenlang war er nicht zu ſehen. Sie arbeiteten
Tag für Tag in der Nähe, konnte nicht auf Jeden von ihnen
der Verdacht fallen?

Timpe hatte denſelben Gedanken, und doch lag es ihm
fern, auch nur im Geringſten an der Ehrlichkeit der alt¬
bewährten Arbeiter zu zweifeln. Als er die Werkſtatt betrat,
kam er ſeinen Gehülfen zuvor und gab ſofort mit aller
Offenheit eine dahingehende Erklärung ab. Und man wußte
ihm Dank für ſeine Worte; wurde doch Allen dadurch ein
Alp von der Bruſt genommen. Aber die Thatſache ſtand
trotzdem feſt, nur ein Hausdieb konnte ſeine Hand nach den
Modellen ausgeſtreckt haben.

Der Meiſter nahm ſich die beiden Lehrlinge vor und redete
ihnen voller Güte ins Gewiſſen. Es ſollte ihnen verziehen
werden, wenn ſie die Wahrheit ſagen würden. Die Jungen
waren Söhne armer, aber anſtändiger Eltern. Sie brachen
ſofort in Thränen aus und ſchwuren hoch und theuer, nichts

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[179/0191] Pappſtreifen, auf denen die Nummern verzeichnet waren, konnten nicht entdeckt werden. Man hatte ihn alſo beſtohlen. Das ganze Haus gerieth bei dieſer Nachricht in Aufregung. Der Großvater gab den Rath, ſofort nach der Polizei und dem Staatsanwalt zu ſchicken, denn ſo lange er in dieſem Hauſe lebe, ſei ſo etwas noch nicht paſſirt. Und Frau Karoline war ſo erſchreckt, daß ſie Johannes auf das Inſtändigſte bat, Keller und Boden durchſuchen zu laſſen, denn es käme oft vor, daß Spitzbuben ſich tagelang im Hauſe aufhielten. Am ſeltſamſten wurden die Geſellen durch die Entdeckung berührt. Es leuchtete ihnen ſofort ein, daß die Gegenſtände nur von Jemandem entwendet ſein konnten, der ſie für ſich zu ver¬ wenden wußte. Der Meiſter pflegte ſeine Stube niemals zu verſchließen; ſtundenlang war er nicht zu ſehen. Sie arbeiteten Tag für Tag in der Nähe, konnte nicht auf Jeden von ihnen der Verdacht fallen? Timpe hatte denſelben Gedanken, und doch lag es ihm fern, auch nur im Geringſten an der Ehrlichkeit der alt¬ bewährten Arbeiter zu zweifeln. Als er die Werkſtatt betrat, kam er ſeinen Gehülfen zuvor und gab ſofort mit aller Offenheit eine dahingehende Erklärung ab. Und man wußte ihm Dank für ſeine Worte; wurde doch Allen dadurch ein Alp von der Bruſt genommen. Aber die Thatſache ſtand trotzdem feſt, nur ein Hausdieb konnte ſeine Hand nach den Modellen ausgeſtreckt haben. Der Meiſter nahm ſich die beiden Lehrlinge vor und redete ihnen voller Güte ins Gewiſſen. Es ſollte ihnen verziehen werden, wenn ſie die Wahrheit ſagen würden. Die Jungen waren Söhne armer, aber anſtändiger Eltern. Sie brachen ſofort in Thränen aus und ſchwuren hoch und theuer, nichts 12*

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/191>, abgerufen am 23.11.2024.