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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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straße, und hinten die rothen Backsteingebäude der Fabrik,
überragt von dem Schornstein, der Siegessäule der modernen
Industrie.

Als Timpe eines Abends wieder auf den Baum ge¬
stiegen war, der die ersten Blüthen zeigte, erblickte er auf
der neu geschaffenen Baustelle Urban, der mit einem
fremden Herrn, anscheinend einem Bauführer, hinter dem
Bretterzaun auftauchte. Der große Konkurrent zeigte auf
das Haus des Drechslers mit einer Geberde, als machte
er sich über die Ruine lustig. Der andere Herr lachte dazu,
und Johannes hörte deutlich, wie der Fabrikbesitzer mit seiner
piependen Stimme sagte: "Wie der Kasten da jetzt aussieht!
Gerade wie eine Wanze auf einer hellen Tapete. Aber ich
werde diese Wanze schon eines Tages wegbringen, verlassen
Sie sich darauf! Die Geschichte macht sich. . . . Sind das
verrückte Menschen diese Timpes! -- bis auf den Jüngsten
natürlich, aber den kann man garnicht mehr zu ihnen rechnen.
Er sieht das auch ein. . . . Mir den Weg auf dieser Seite
hier zu versperren, trotzdem ich zehnmal so viel geboten habe,
als die Jammersteine werth sind!

"Und doch freue ich mich jetzt, daß mir Widerstand ent¬
gegengesetzt wurde, denn ich hätte mich schön geärgert, da es
der Stadtbahn wegen nicht zu fallen braucht. Ich bekomme
es noch billiger, viel billiger, unter dem Kostenpreise; ver¬
lassen Sie sich darauf. Wie schön kann ich da nicht die
Viadukte benutzen, die hier entstehen werden! Wer dem Geiste
der Zeit sich widersetzt, der muß bestraft werden. Unser Jahr¬
hundert verlangt Neuerungen, nur Neuerungen. Der Alte stürzt,
und neues Leben blüht aus den Ruinen! Wie meinen Sie?
Das Alte heißt es? Meinetwegen! Ich meine aber den Alten

ſtraße, und hinten die rothen Backſteingebäude der Fabrik,
überragt von dem Schornſtein, der Siegesſäule der modernen
Induſtrie.

Als Timpe eines Abends wieder auf den Baum ge¬
ſtiegen war, der die erſten Blüthen zeigte, erblickte er auf
der neu geſchaffenen Bauſtelle Urban, der mit einem
fremden Herrn, anſcheinend einem Bauführer, hinter dem
Bretterzaun auftauchte. Der große Konkurrent zeigte auf
das Haus des Drechſlers mit einer Geberde, als machte
er ſich über die Ruine luſtig. Der andere Herr lachte dazu,
und Johannes hörte deutlich, wie der Fabrikbeſitzer mit ſeiner
piependen Stimme ſagte: „Wie der Kaſten da jetzt ausſieht!
Gerade wie eine Wanze auf einer hellen Tapete. Aber ich
werde dieſe Wanze ſchon eines Tages wegbringen, verlaſſen
Sie ſich darauf! Die Geſchichte macht ſich. . . . Sind das
verrückte Menſchen dieſe Timpes! — bis auf den Jüngſten
natürlich, aber den kann man garnicht mehr zu ihnen rechnen.
Er ſieht das auch ein. . . . Mir den Weg auf dieſer Seite
hier zu verſperren, trotzdem ich zehnmal ſo viel geboten habe,
als die Jammerſteine werth ſind!

„Und doch freue ich mich jetzt, daß mir Widerſtand ent¬
gegengeſetzt wurde, denn ich hätte mich ſchön geärgert, da es
der Stadtbahn wegen nicht zu fallen braucht. Ich bekomme
es noch billiger, viel billiger, unter dem Koſtenpreiſe; ver¬
laſſen Sie ſich darauf. Wie ſchön kann ich da nicht die
Viadukte benutzen, die hier entſtehen werden! Wer dem Geiſte
der Zeit ſich widerſetzt, der muß beſtraft werden. Unſer Jahr¬
hundert verlangt Neuerungen, nur Neuerungen. Der Alte ſtürzt,
und neues Leben blüht aus den Ruinen! Wie meinen Sie?
Das Alte heißt es? Meinetwegen! Ich meine aber den Alten

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[165/0177] ſtraße, und hinten die rothen Backſteingebäude der Fabrik, überragt von dem Schornſtein, der Siegesſäule der modernen Induſtrie. Als Timpe eines Abends wieder auf den Baum ge¬ ſtiegen war, der die erſten Blüthen zeigte, erblickte er auf der neu geſchaffenen Bauſtelle Urban, der mit einem fremden Herrn, anſcheinend einem Bauführer, hinter dem Bretterzaun auftauchte. Der große Konkurrent zeigte auf das Haus des Drechſlers mit einer Geberde, als machte er ſich über die Ruine luſtig. Der andere Herr lachte dazu, und Johannes hörte deutlich, wie der Fabrikbeſitzer mit ſeiner piependen Stimme ſagte: „Wie der Kaſten da jetzt ausſieht! Gerade wie eine Wanze auf einer hellen Tapete. Aber ich werde dieſe Wanze ſchon eines Tages wegbringen, verlaſſen Sie ſich darauf! Die Geſchichte macht ſich. . . . Sind das verrückte Menſchen dieſe Timpes! — bis auf den Jüngſten natürlich, aber den kann man garnicht mehr zu ihnen rechnen. Er ſieht das auch ein. . . . Mir den Weg auf dieſer Seite hier zu verſperren, trotzdem ich zehnmal ſo viel geboten habe, als die Jammerſteine werth ſind! „Und doch freue ich mich jetzt, daß mir Widerſtand ent¬ gegengeſetzt wurde, denn ich hätte mich ſchön geärgert, da es der Stadtbahn wegen nicht zu fallen braucht. Ich bekomme es noch billiger, viel billiger, unter dem Koſtenpreiſe; ver¬ laſſen Sie ſich darauf. Wie ſchön kann ich da nicht die Viadukte benutzen, die hier entſtehen werden! Wer dem Geiſte der Zeit ſich widerſetzt, der muß beſtraft werden. Unſer Jahr¬ hundert verlangt Neuerungen, nur Neuerungen. Der Alte ſtürzt, und neues Leben blüht aus den Ruinen! Wie meinen Sie? Das Alte heißt es? Meinetwegen! Ich meine aber den Alten

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/177>, abgerufen am 25.11.2024.