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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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getroffener Männer vor; und das leise Zittern des Erd¬
bodens wie das Nahen einer verderbenbringenden Gewalt,
die dereinst das ganze Haus verschlingen würde. Die Fabrik¬
pfeife, deren lang-gedehnter Ton gellend zu ihm herüber¬
klang, machte ihn zusammenschrecken. Und wenn der Wind
den heißen Dampf in den Garten schlug, so konnte er sich
nicht enthalten, eine laute Verwünschung auszustoßen.

Was Johannes am meisten schmerzte, war, daß sein
Vater noch diesen geschäftlichen Niedergang erleben mußte,
und er versuchte Alles aufzubieten, dem Greise den wirklichen
Zustand der Dinge zu verschweigen, um jegliche Aufregung
von ihm fern zu halten. "Es könnte sein Tod sein," sagte
er zu seiner Frau.

Mit Gottfried Timpe stand es sehr schlimm. Das Leben
schien ihm nur noch eine Last. Du lieber Himmel, was konnte
man auch von einem Greis, der seinem siebenundachtzigsten
Geburtstage entgegenging, noch anderes verlangen, als das
Abbild eines leibhaftigen Todeskandidaten. Die Beine waren
bereits so schwach geworden, daß er sich ohne die kräftige Hilfe
seines Sohnes oder Karolinens nicht fortzubewegen vermochte
So kam es denn, daß er den ganzen Tag über den Lehn¬
stuhl am Fenster drückte und förmlich ins Bett hineingetragen
werden mußte. Jeden Morgen befürchtete man, er könnte
während der Nacht ohne Schmerzen, friedlich und still, wie
es sein Wunsch war, zu einem besseren Dasein entschlummert
sein. Das war jedenfalls der sanfteste Tod, so an Altersschwäche aus
dem Leben zu scheiden -- wie eine Uhr, die langsam stehen bleibt,
wenn das Räderwerk seine Dienste versagt. Aber gerade der
Gedanke, daß dies einmal ohne Beisein eines Zweiten ge¬
schehen könne, war für Johannes ein fürchterlicher. Man

getroffener Männer vor; und das leiſe Zittern des Erd¬
bodens wie das Nahen einer verderbenbringenden Gewalt,
die dereinſt das ganze Haus verſchlingen würde. Die Fabrik¬
pfeife, deren lang-gedehnter Ton gellend zu ihm herüber¬
klang, machte ihn zuſammenſchrecken. Und wenn der Wind
den heißen Dampf in den Garten ſchlug, ſo konnte er ſich
nicht enthalten, eine laute Verwünſchung auszuſtoßen.

Was Johannes am meiſten ſchmerzte, war, daß ſein
Vater noch dieſen geſchäftlichen Niedergang erleben mußte,
und er verſuchte Alles aufzubieten, dem Greiſe den wirklichen
Zuſtand der Dinge zu verſchweigen, um jegliche Aufregung
von ihm fern zu halten. „Es könnte ſein Tod ſein,“ ſagte
er zu ſeiner Frau.

Mit Gottfried Timpe ſtand es ſehr ſchlimm. Das Leben
ſchien ihm nur noch eine Laſt. Du lieber Himmel, was konnte
man auch von einem Greis, der ſeinem ſiebenundachtzigſten
Geburtstage entgegenging, noch anderes verlangen, als das
Abbild eines leibhaftigen Todeskandidaten. Die Beine waren
bereits ſo ſchwach geworden, daß er ſich ohne die kräftige Hilfe
ſeines Sohnes oder Karolinens nicht fortzubewegen vermochte
So kam es denn, daß er den ganzen Tag über den Lehn¬
ſtuhl am Fenſter drückte und förmlich ins Bett hineingetragen
werden mußte. Jeden Morgen befürchtete man, er könnte
während der Nacht ohne Schmerzen, friedlich und ſtill, wie
es ſein Wunſch war, zu einem beſſeren Daſein entſchlummert
ſein. Das war jedenfalls der ſanfteſte Tod, ſo an Altersſchwäche aus
dem Leben zu ſcheiden — wie eine Uhr, die langſam ſtehen bleibt,
wenn das Räderwerk ſeine Dienſte verſagt. Aber gerade der
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ſchehen könne, war für Johannes ein fürchterlicher. Man

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[158/0170] getroffener Männer vor; und das leiſe Zittern des Erd¬ bodens wie das Nahen einer verderbenbringenden Gewalt, die dereinſt das ganze Haus verſchlingen würde. Die Fabrik¬ pfeife, deren lang-gedehnter Ton gellend zu ihm herüber¬ klang, machte ihn zuſammenſchrecken. Und wenn der Wind den heißen Dampf in den Garten ſchlug, ſo konnte er ſich nicht enthalten, eine laute Verwünſchung auszuſtoßen. Was Johannes am meiſten ſchmerzte, war, daß ſein Vater noch dieſen geſchäftlichen Niedergang erleben mußte, und er verſuchte Alles aufzubieten, dem Greiſe den wirklichen Zuſtand der Dinge zu verſchweigen, um jegliche Aufregung von ihm fern zu halten. „Es könnte ſein Tod ſein,“ ſagte er zu ſeiner Frau. Mit Gottfried Timpe ſtand es ſehr ſchlimm. Das Leben ſchien ihm nur noch eine Laſt. Du lieber Himmel, was konnte man auch von einem Greis, der ſeinem ſiebenundachtzigſten Geburtstage entgegenging, noch anderes verlangen, als das Abbild eines leibhaftigen Todeskandidaten. Die Beine waren bereits ſo ſchwach geworden, daß er ſich ohne die kräftige Hilfe ſeines Sohnes oder Karolinens nicht fortzubewegen vermochte So kam es denn, daß er den ganzen Tag über den Lehn¬ ſtuhl am Fenſter drückte und förmlich ins Bett hineingetragen werden mußte. Jeden Morgen befürchtete man, er könnte während der Nacht ohne Schmerzen, friedlich und ſtill, wie es ſein Wunſch war, zu einem beſſeren Daſein entſchlummert ſein. Das war jedenfalls der ſanfteſte Tod, ſo an Altersſchwäche aus dem Leben zu ſcheiden — wie eine Uhr, die langſam ſtehen bleibt, wenn das Räderwerk ſeine Dienſte verſagt. Aber gerade der Gedanke, daß dies einmal ohne Beiſein eines Zweiten ge¬ ſchehen könne, war für Johannes ein fürchterlicher. Man

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/170>, abgerufen am 24.11.2024.