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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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Während der Tafelei war die Fidelität so gestiegen, daß
man nach ihrer Aufhebung in der rosigsten Laune sich befand,
musicirte, sang und in dem ausgeräumten Balkonzimmer das
Tanzbein schwang. Herr Rose junior wechselte mit dem Ar¬
chitekten den Platz am Klavier. Das junge Volk drehte sich
im lustigen Kreise; und selbst die Alten, die in den Neben¬
zimmern gemüthlich beisammen saßen, verschmähten es nicht,
hin und wieder ein Tänzchen zu wagen.

Urban war der seligste von allen. Selbst seine ältesten
Bekannten hätten den ehemaligen, verbissenen Junggesellen
nicht wieder erkannt. Er lief von einem Zimmer ins andere,
sorgte für neue Weinbatterien und gab sich die redliche
Mühe, gegen seine Gäste so aufmerksam als möglich zu sein.
Da er dem Glase tapfer zusprach, so gerieth er schließlich in
jene Stimmung, in welcher ein Parvenü nicht mehr recht die
Grenze zwischen dem, was sich schickt und nicht schickt, inne
zu halten weiß. Er lief bald zu Diesem, bald zu Jenem,
machte derbe Witze, über die er am lautesten lachte, und
welche Herr Ramm, der sich seiner freundlichen Gesinnung
versichern wollte, für äußerst treffend und geistreich erklärte.

Endlich konnte man ihn in der entferntesten Ecke eines
nur spärlich erleuchteten Zimmers mit seinem langen Lehr¬
ling an einem Tischchen sitzend erblicken, wo er sich nicht
scheute, mit dem jungen Manne wie mit einem intimen Be¬
kannten anzustoßen und auf das Wohl der zukünftigen Fabrik
zu trinken. Und Franz, der bereits einen kleinen Rausch weg
hatte, erblickte in ihm schließlich einen väterlichen Freund,
dessen Gesellschaft man am besten zu würdigen glaubt, indem
man ihm ein über das andere Mal ein "Prosit! Prosit!"
zuruft, zu allen seinen Behauptungen "ja" sagt, und ihn im

Während der Tafelei war die Fidelität ſo geſtiegen, daß
man nach ihrer Aufhebung in der roſigſten Laune ſich befand,
muſicirte, ſang und in dem ausgeräumten Balkonzimmer das
Tanzbein ſchwang. Herr Roſé junior wechſelte mit dem Ar¬
chitekten den Platz am Klavier. Das junge Volk drehte ſich
im luſtigen Kreiſe; und ſelbſt die Alten, die in den Neben¬
zimmern gemüthlich beiſammen ſaßen, verſchmähten es nicht,
hin und wieder ein Tänzchen zu wagen.

Urban war der ſeligſte von allen. Selbſt ſeine älteſten
Bekannten hätten den ehemaligen, verbiſſenen Junggeſellen
nicht wieder erkannt. Er lief von einem Zimmer ins andere,
ſorgte für neue Weinbatterien und gab ſich die redliche
Mühe, gegen ſeine Gäſte ſo aufmerkſam als möglich zu ſein.
Da er dem Glaſe tapfer zuſprach, ſo gerieth er ſchließlich in
jene Stimmung, in welcher ein Parvenü nicht mehr recht die
Grenze zwiſchen dem, was ſich ſchickt und nicht ſchickt, inne
zu halten weiß. Er lief bald zu Dieſem, bald zu Jenem,
machte derbe Witze, über die er am lauteſten lachte, und
welche Herr Ramm, der ſich ſeiner freundlichen Geſinnung
verſichern wollte, für äußerſt treffend und geiſtreich erklärte.

Endlich konnte man ihn in der entfernteſten Ecke eines
nur ſpärlich erleuchteten Zimmers mit ſeinem langen Lehr¬
ling an einem Tiſchchen ſitzend erblicken, wo er ſich nicht
ſcheute, mit dem jungen Manne wie mit einem intimen Be¬
kannten anzuſtoßen und auf das Wohl der zukünftigen Fabrik
zu trinken. Und Franz, der bereits einen kleinen Rauſch weg
hatte, erblickte in ihm ſchließlich einen väterlichen Freund,
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[121/0133] Während der Tafelei war die Fidelität ſo geſtiegen, daß man nach ihrer Aufhebung in der roſigſten Laune ſich befand, muſicirte, ſang und in dem ausgeräumten Balkonzimmer das Tanzbein ſchwang. Herr Roſé junior wechſelte mit dem Ar¬ chitekten den Platz am Klavier. Das junge Volk drehte ſich im luſtigen Kreiſe; und ſelbſt die Alten, die in den Neben¬ zimmern gemüthlich beiſammen ſaßen, verſchmähten es nicht, hin und wieder ein Tänzchen zu wagen. Urban war der ſeligſte von allen. Selbſt ſeine älteſten Bekannten hätten den ehemaligen, verbiſſenen Junggeſellen nicht wieder erkannt. Er lief von einem Zimmer ins andere, ſorgte für neue Weinbatterien und gab ſich die redliche Mühe, gegen ſeine Gäſte ſo aufmerkſam als möglich zu ſein. Da er dem Glaſe tapfer zuſprach, ſo gerieth er ſchließlich in jene Stimmung, in welcher ein Parvenü nicht mehr recht die Grenze zwiſchen dem, was ſich ſchickt und nicht ſchickt, inne zu halten weiß. Er lief bald zu Dieſem, bald zu Jenem, machte derbe Witze, über die er am lauteſten lachte, und welche Herr Ramm, der ſich ſeiner freundlichen Geſinnung verſichern wollte, für äußerſt treffend und geiſtreich erklärte. Endlich konnte man ihn in der entfernteſten Ecke eines nur ſpärlich erleuchteten Zimmers mit ſeinem langen Lehr¬ ling an einem Tiſchchen ſitzend erblicken, wo er ſich nicht ſcheute, mit dem jungen Manne wie mit einem intimen Be¬ kannten anzuſtoßen und auf das Wohl der zukünftigen Fabrik zu trinken. Und Franz, der bereits einen kleinen Rauſch weg hatte, erblickte in ihm ſchließlich einen väterlichen Freund, deſſen Geſellſchaft man am beſten zu würdigen glaubt, indem man ihm ein über das andere Mal ein „Proſit! Proſit!“ zuruft, zu allen ſeinen Behauptungen „ja“ ſagt, und ihn im

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/133>, abgerufen am 25.11.2024.