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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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I.
Früh morgens, wenn die Hähne kräh'n --

Berlin schlief noch, aber es lag in jenem leisen Schlummer,
der dem Erwachen vorhergeht. Eingelullt in süße
Träume, ahnte es nichts von den Sorgen und
Kämpfen des kommenden Tages, von dem unerwarteten Glück,
den zermalmenden Schlägen des Schicksals. Nur an einzelnen
Stellen stieß der tausendköpfige Koloß seinen Athem aus.
Dunkler zu gewaltigen Ringen geballter Qualm entstieg von
Feuergarben begleitet den geschwärzten Schloten; wie der
Gigantenlunge eines unsichtbaren Ungeheuers entstoßen, strömte
er dem graublauen Aether zu, verwob er sich allmählich mit
der Dunstwolke, die den Horizont noch verschleierte.

Es war zwischen drei und vier Uhr an einem der letzten
Tage des Monats April -- in jener Stunde, wo die Straßen
plötzlich menschenleer erscheinen, als hätte selbst der letzte
Kneipenschwärmer das Bedürfniß gefühlt, noch vor dem jähen
Wechsel von Nacht und Tag im Schutze des Dunkels sein
Heim zu erreichen. Hinter dem äußersten Häuserring tauchte
der erste fahle Schein der Morgendämmerung auf, der wie
das geisterhaft bleiche Antlitz eines Riesen aus dem Dunkel

Kretzer, Meister Timpe. 1

I.
Früh morgens, wenn die Hähne kräh'n —

Berlin ſchlief noch, aber es lag in jenem leiſen Schlummer,
der dem Erwachen vorhergeht. Eingelullt in ſüße
Träume, ahnte es nichts von den Sorgen und
Kämpfen des kommenden Tages, von dem unerwarteten Glück,
den zermalmenden Schlägen des Schickſals. Nur an einzelnen
Stellen ſtieß der tauſendköpfige Koloß ſeinen Athem aus.
Dunkler zu gewaltigen Ringen geballter Qualm entſtieg von
Feuergarben begleitet den geſchwärzten Schloten; wie der
Gigantenlunge eines unſichtbaren Ungeheuers entſtoßen, ſtrömte
er dem graublauen Aether zu, verwob er ſich allmählich mit
der Dunſtwolke, die den Horizont noch verſchleierte.

Es war zwiſchen drei und vier Uhr an einem der letzten
Tage des Monats April — in jener Stunde, wo die Straßen
plötzlich menſchenleer erſcheinen, als hätte ſelbſt der letzte
Kneipenſchwärmer das Bedürfniß gefühlt, noch vor dem jähen
Wechſel von Nacht und Tag im Schutze des Dunkels ſein
Heim zu erreichen. Hinter dem äußerſten Häuſerring tauchte
der erſte fahle Schein der Morgendämmerung auf, der wie
das geiſterhaft bleiche Antlitz eines Rieſen aus dem Dunkel

Kretzer, Meiſter Timpe. 1
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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/13>, abgerufen am 22.11.2024.