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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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bald verloben. . . . In den Kreisen, in denen ich verkehre,
schätzt man mich als einen gebildeten, jungen Mann, ich bitte
mir daher ein- für allemal aus, das nicht zu vergessen."

Timpe und seine Frau waren über diese Rede so entsetzt,
daß sie zwischen Großvater und Enkel traten, als befürchteten
sie einen Angriff des Greises. Dieser regte sich nicht von der
Stelle, brach aber plötzlich in ein helles Gelächter aus, das
sich unheimlich anhörte. Dann sagte er ein über das an¬
dere Mal:

"Der grüne Junge will sich verloben, verloben will
er sich! Und ist hinter den Ohren noch nicht trocken ge¬
worden!"

Nachdem er seinem Spotte genügend die Zügel hatte
schießen lassen, zeigte er sein altes ernstes Gesicht. Die er¬
loschenen Augen hatten sich nach der Stelle gerichtet, von wo
aus er die Stimme seines Sohnes vernommen hatte. Vorn¬
übergebeugt, die beiden knochigen Hände auf die Krücke des
Stockes gestützt, stand er unbeweglich da, gleich einer Statue.
Es war einige Sekunden lang so still im Zimmer, daß man
vermeinte, sein leises Athmen zu hören. Er schien auf etwas
zu warten.

"Nun, Johannes, Du giebst Deinem alten Vater keine
Genugthuung?"

Der Meister antwortete nicht, aber Karoline glaubte
vermitteln zu müssen. "Großvater", sagte sie, "Sie sind auf¬
geregt. Es ist spät, gehen Sie zu Bett. Er ist doch unser
Sohn, er hat Ihnen nichts gethan."

Der Alte rührte sich noch nicht, aber sein Gesicht war
immer noch nach Johannes gerichtet. Endlich sagte er lang¬
sam, mit erhobener Stimme:

bald verloben. . . . In den Kreiſen, in denen ich verkehre,
ſchätzt man mich als einen gebildeten, jungen Mann, ich bitte
mir daher ein- für allemal aus, das nicht zu vergeſſen.“

Timpe und ſeine Frau waren über dieſe Rede ſo entſetzt,
daß ſie zwiſchen Großvater und Enkel traten, als befürchteten
ſie einen Angriff des Greiſes. Dieſer regte ſich nicht von der
Stelle, brach aber plötzlich in ein helles Gelächter aus, das
ſich unheimlich anhörte. Dann ſagte er ein über das an¬
dere Mal:

„Der grüne Junge will ſich verloben, verloben will
er ſich! Und iſt hinter den Ohren noch nicht trocken ge¬
worden!“

Nachdem er ſeinem Spotte genügend die Zügel hatte
ſchießen laſſen, zeigte er ſein altes ernſtes Geſicht. Die er¬
loſchenen Augen hatten ſich nach der Stelle gerichtet, von wo
aus er die Stimme ſeines Sohnes vernommen hatte. Vorn¬
übergebeugt, die beiden knochigen Hände auf die Krücke des
Stockes geſtützt, ſtand er unbeweglich da, gleich einer Statue.
Es war einige Sekunden lang ſo ſtill im Zimmer, daß man
vermeinte, ſein leiſes Athmen zu hören. Er ſchien auf etwas
zu warten.

„Nun, Johannes, Du giebſt Deinem alten Vater keine
Genugthuung?“

Der Meiſter antwortete nicht, aber Karoline glaubte
vermitteln zu müſſen. „Großvater“, ſagte ſie, „Sie ſind auf¬
geregt. Es iſt ſpät, gehen Sie zu Bett. Er iſt doch unſer
Sohn, er hat Ihnen nichts gethan.“

Der Alte rührte ſich noch nicht, aber ſein Geſicht war
immer noch nach Johannes gerichtet. Endlich ſagte er lang¬
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[105/0117] bald verloben. . . . In den Kreiſen, in denen ich verkehre, ſchätzt man mich als einen gebildeten, jungen Mann, ich bitte mir daher ein- für allemal aus, das nicht zu vergeſſen.“ Timpe und ſeine Frau waren über dieſe Rede ſo entſetzt, daß ſie zwiſchen Großvater und Enkel traten, als befürchteten ſie einen Angriff des Greiſes. Dieſer regte ſich nicht von der Stelle, brach aber plötzlich in ein helles Gelächter aus, das ſich unheimlich anhörte. Dann ſagte er ein über das an¬ dere Mal: „Der grüne Junge will ſich verloben, verloben will er ſich! Und iſt hinter den Ohren noch nicht trocken ge¬ worden!“ Nachdem er ſeinem Spotte genügend die Zügel hatte ſchießen laſſen, zeigte er ſein altes ernſtes Geſicht. Die er¬ loſchenen Augen hatten ſich nach der Stelle gerichtet, von wo aus er die Stimme ſeines Sohnes vernommen hatte. Vorn¬ übergebeugt, die beiden knochigen Hände auf die Krücke des Stockes geſtützt, ſtand er unbeweglich da, gleich einer Statue. Es war einige Sekunden lang ſo ſtill im Zimmer, daß man vermeinte, ſein leiſes Athmen zu hören. Er ſchien auf etwas zu warten. „Nun, Johannes, Du giebſt Deinem alten Vater keine Genugthuung?“ Der Meiſter antwortete nicht, aber Karoline glaubte vermitteln zu müſſen. „Großvater“, ſagte ſie, „Sie ſind auf¬ geregt. Es iſt ſpät, gehen Sie zu Bett. Er iſt doch unſer Sohn, er hat Ihnen nichts gethan.“ Der Alte rührte ſich noch nicht, aber ſein Geſicht war immer noch nach Johannes gerichtet. Endlich ſagte er lang¬ ſam, mit erhobener Stimme:

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/117>, abgerufen am 22.11.2024.