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Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884).

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Vermittlungstheologe mit dem entrüsteten Wort bei Seite ge-
schoben hat: "Der Mensch glaubt an keinen Gott."

Nach den reichlichen Citaten aus "Sind Götter?", "Odhin's
Trost" und aus dem "Kampf um Rom" sollte man es a priori
für unmöglich halten, daß Dahn's Romane in Christenhäusern
Eingang finden können, und doch werden sie nach unserer Be-
obachtung in vielen, wenn auch nicht in so vielen Christenhäusern
gelesen, als die Ebers'schen Romane. Ein trauriges Zeichen
geistiger Erschlaffung!

Ebers, dem Egyptologen, Dahn, dem Juristen, hat sich
in der Cultivirung des historischen Romans ein Theologe gesellt:
Professor Hausrath in Heidelberg, der unter dem Namen,
George Taylor zwei Romane veröffentlicht hat. Der erste,
"Antinous" betitelt, ist gleichzeitig mit dem Ebers'schen Roman
"Der Kaiser" erschienen. Hadrian und Antinous, absterbendes
zerfallendes Heidenthum und sentimentales, lebensunfähiges
Christenthum ist in beiden Romanen der wesentliche Jnhalt.
Es ist auffallend, daß zu gleicher Zeit zwei innerhalb der
Christenheit lebende Autoren Repräsentanten des untergehenden
Heidenthums darstellen, welche unter das Wort Römer 1, 27
fallen, daß sie aber das greuliche Laster der "Knabenliebe" mit
falschem Anstandsgefühl nur in ganz zarter Weise andeuten.
An sich ist es gewiß verkehrt, einen so bedenklichen Gegenstand,
wie das widernatürliche Verhältniß des Hadrian zu Antinous
sich zum künstlerischen Vorwurf zu nehmen, wenn es aber einmal
geschah, so mußte vom Boden des Christenthums aus in schärfster
Weise jene tiefe sittliche Verirrung, der selbst ein Sokrates
verfallen war, an's Licht gestellt werden. Taylor-Hausrath hat
den hierin liegenden Mangel dadurch nicht gehoben, daß er seine
Christen großentheils bedenkliche Charaktere sein läßt. So ist
der Hirte Hermas, welcher den Bestien der Arena vorgeworfen
wird, ein rechter Pfiffikus und Comödiant in der Art und Weise,
wie er die wilden Thiere sich mit sehr natürlichen, aber von ihm
vor der Menge geheim gehaltenen Mitteln vom Leibe zu halten
sucht. Der Bischof Pius sieht den Kampfspielen aus unziem-
licher Neugier zu und scheint in dem Umstande, daß sein leib-

Vermittlungstheologe mit dem entrüſteten Wort bei Seite ge-
ſchoben hat: „Der Menſch glaubt an keinen Gott.

Nach den reichlichen Citaten aus „Sind Götter?‟, „Odhin’s
Troſt‟ und aus dem „Kampf um Rom‟ ſollte man es a priori
für unmöglich halten, daß Dahn’s Romane in Chriſtenhäuſern
Eingang finden können, und doch werden ſie nach unſerer Be-
obachtung in vielen, wenn auch nicht in ſo vielen Chriſtenhäuſern
geleſen, als die Ebers’ſchen Romane. Ein trauriges Zeichen
geiſtiger Erſchlaffung!

Ebers, dem Egyptologen, Dahn, dem Juriſten, hat ſich
in der Cultivirung des hiſtoriſchen Romans ein Theologe geſellt:
Profeſſor Hausrath in Heidelberg, der unter dem Namen,
George Taylor zwei Romane veröffentlicht hat. Der erſte,
Antinous‟ betitelt, iſt gleichzeitig mit dem Ebers’ſchen Roman
„Der Kaiſer‟ erſchienen. Hadrian und Antinous, abſterbendes
zerfallendes Heidenthum und ſentimentales, lebensunfähiges
Chriſtenthum iſt in beiden Romanen der weſentliche Jnhalt.
Es iſt auffallend, daß zu gleicher Zeit zwei innerhalb der
Chriſtenheit lebende Autoren Repräſentanten des untergehenden
Heidenthums darſtellen, welche unter das Wort Römer 1, 27
fallen, daß ſie aber das greuliche Laſter der „Knabenliebe‟ mit
falſchem Anſtandsgefühl nur in ganz zarter Weiſe andeuten.
An ſich iſt es gewiß verkehrt, einen ſo bedenklichen Gegenſtand,
wie das widernatürliche Verhältniß des Hadrian zu Antinous
ſich zum künſtleriſchen Vorwurf zu nehmen, wenn es aber einmal
geſchah, ſo mußte vom Boden des Chriſtenthums aus in ſchärfſter
Weiſe jene tiefe ſittliche Verirrung, der ſelbſt ein Sokrates
verfallen war, an’s Licht geſtellt werden. Taylor-Hausrath hat
den hierin liegenden Mangèl dadurch nicht gehoben, daß er ſeine
Chriſten großentheils bedenkliche Charaktere ſein läßt. So iſt
der Hirte Hermas, welcher den Beſtien der Arena vorgeworfen
wird, ein rechter Pfiffikus und Comödiant in der Art und Weiſe,
wie er die wilden Thiere ſich mit ſehr natürlichen, aber von ihm
vor der Menge geheim gehaltenen Mitteln vom Leibe zu halten
ſucht. Der Biſchof Pius ſieht den Kampfſpielen aus unziem-
licher Neugier zu und ſcheint in dem Umſtande, daß ſein leib-

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[61 253/0061] Vermittlungstheologe mit dem entrüſteten Wort bei Seite ge- ſchoben hat: „Der Menſch glaubt an keinen Gott.‟ Nach den reichlichen Citaten aus „Sind Götter?‟, „Odhin’s Troſt‟ und aus dem „Kampf um Rom‟ ſollte man es a priori für unmöglich halten, daß Dahn’s Romane in Chriſtenhäuſern Eingang finden können, und doch werden ſie nach unſerer Be- obachtung in vielen, wenn auch nicht in ſo vielen Chriſtenhäuſern geleſen, als die Ebers’ſchen Romane. Ein trauriges Zeichen geiſtiger Erſchlaffung! Ebers, dem Egyptologen, Dahn, dem Juriſten, hat ſich in der Cultivirung des hiſtoriſchen Romans ein Theologe geſellt: Profeſſor Hausrath in Heidelberg, der unter dem Namen, George Taylor zwei Romane veröffentlicht hat. Der erſte, „Antinous‟ betitelt, iſt gleichzeitig mit dem Ebers’ſchen Roman „Der Kaiſer‟ erſchienen. Hadrian und Antinous, abſterbendes zerfallendes Heidenthum und ſentimentales, lebensunfähiges Chriſtenthum iſt in beiden Romanen der weſentliche Jnhalt. Es iſt auffallend, daß zu gleicher Zeit zwei innerhalb der Chriſtenheit lebende Autoren Repräſentanten des untergehenden Heidenthums darſtellen, welche unter das Wort Römer 1, 27 fallen, daß ſie aber das greuliche Laſter der „Knabenliebe‟ mit falſchem Anſtandsgefühl nur in ganz zarter Weiſe andeuten. An ſich iſt es gewiß verkehrt, einen ſo bedenklichen Gegenſtand, wie das widernatürliche Verhältniß des Hadrian zu Antinous ſich zum künſtleriſchen Vorwurf zu nehmen, wenn es aber einmal geſchah, ſo mußte vom Boden des Chriſtenthums aus in ſchärfſter Weiſe jene tiefe ſittliche Verirrung, der ſelbſt ein Sokrates verfallen war, an’s Licht geſtellt werden. Taylor-Hausrath hat den hierin liegenden Mangèl dadurch nicht gehoben, daß er ſeine Chriſten großentheils bedenkliche Charaktere ſein läßt. So iſt der Hirte Hermas, welcher den Beſtien der Arena vorgeworfen wird, ein rechter Pfiffikus und Comödiant in der Art und Weiſe, wie er die wilden Thiere ſich mit ſehr natürlichen, aber von ihm vor der Menge geheim gehaltenen Mitteln vom Leibe zu halten ſucht. Der Biſchof Pius ſieht den Kampfſpielen aus unziem- licher Neugier zu und ſcheint in dem Umſtande, daß ſein leib-

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Zitationshilfe: Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884), S. 61 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraus_professorenroman_1884/61>, abgerufen am 24.11.2024.