Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884).fast über Menschenmaß hinaus, verklärt". Es ist billig, daß wir faſt über Menſchenmaß hinaus, verklärt‟. Es iſt billig, daß wir <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0044" n="44 236"/> faſt über Menſchenmaß hinaus, verklärt‟. Es iſt billig, daß wir<lb/> dieſen „Edlen‟ zuerſt kennen lernen, ſoweit dieß ohne ein näheres<lb/> Eingehen auf den höchſt ermüdenden Wechſel von Kriegszügen,<lb/> Jntriguen, Unterhandlungen, Belagerungen und Schlachten mög-<lb/> lich iſt. Cethegus begegnet uns zuerſt in den römiſchen Kata-<lb/> komben, in welchen ſich „der Bund‟ gegen den König Theoderich<lb/> verſammelt. Er wird uns als ein Mann geſchildert, um deſſen<lb/> Mund ein Zug ſtolzer Verachtung gegen Gott und ſeine Welt<lb/> ſpielte und der in ſchönſter Harmonie hiermit den Grundſatz ver-<lb/> trat: Wer den Zweck will, muß auch die Mittel wollen. Er iſt<lb/> ein Mann der „Wiſſenſchaft‟; daneben Politiker im großen Styl.<lb/> Jn die Katakomben hatte er ſich zwar nur als „Patriot aus eitel<lb/> Langweile‟ führen laſſen, da er aber Präfect von Rom geworden<lb/> zur Zeit Athalarichs, denkt er daran, <hi rendition="#g">allein, ohne Hilfs-<lb/> mittel,</hi> Jmperator des Abendlandes zu werden. „<hi rendition="#g">Es kann<lb/> gethan werden, denn es kann gedacht werden,</hi>‟ meint<lb/> der Mann der „Wiſſenſchaft‟. Das Allein, ohne Hilfsmittel, hat<lb/> er bald vergeſſen. Als er wahrnimmt, daß die Gothen ſich<lb/> immer wieder aufraffen, thut er den nicht gerade antik klingenden<lb/> Ausſpruch: „Dieſe Barbaren haben das unverſchämte Glück ein<lb/> Volk zu ſein‟, und am Ende geſteht er ſich: „Ja, ich erkenne es<lb/> nun. Alles kann der gewaltige Geiſt des Einzelnen erſetzen, nur<lb/> nicht ein fehlend Volk. Sich ſelbſt jung erhalten kann der Geiſt,<lb/> nicht andere verjüngen. Jch habe das Unmögliche gewollt.‟ Er<lb/> meint damit das Thatſächlich-Unmögliche, vor dem Sittlich-Unmög-<lb/> lichen ſchreckt er nicht zurück. Der junge Gothenkönig, der ihm<lb/> im Wege ſteht, wird mit Gift beſeitigt, und da es der Umſtände<lb/> wegen nicht anders geht, auch ſeine Braut Camilla. Kurz,<lb/> Cethegus iſt ein eiſerner, herzloſer, grauſamer, blutdürſtiger Egoiſt,<lb/> den Felix Dahn mit Bewunderung ſeines eignen Werks „den<lb/> gewaltigen Mann‟ nennt. Aeußerlich gehört der Präfect der<lb/> römiſchen Kirche an, innerlich iſt er ein ſolcher Atheiſt, wie ihn<lb/><hi rendition="#g">nur das 19. Jahrhundert</hi> ausbilden kann. Jn <hi rendition="#g">Conſtan-<lb/> tinopel</hi> trifft er mit ſeinem Studiengenoſſen, dem Hiſtoriker<lb/><hi rendition="#g">Prokop,</hi> zuſammen, der außer Jurisprudenz auch Philoſophie<lb/> und Theologie ſtudirt hat. Mit ganz moderner Frivolität erzählt<lb/></p> </body> </text> </TEI> [44 236/0044]
faſt über Menſchenmaß hinaus, verklärt‟. Es iſt billig, daß wir
dieſen „Edlen‟ zuerſt kennen lernen, ſoweit dieß ohne ein näheres
Eingehen auf den höchſt ermüdenden Wechſel von Kriegszügen,
Jntriguen, Unterhandlungen, Belagerungen und Schlachten mög-
lich iſt. Cethegus begegnet uns zuerſt in den römiſchen Kata-
komben, in welchen ſich „der Bund‟ gegen den König Theoderich
verſammelt. Er wird uns als ein Mann geſchildert, um deſſen
Mund ein Zug ſtolzer Verachtung gegen Gott und ſeine Welt
ſpielte und der in ſchönſter Harmonie hiermit den Grundſatz ver-
trat: Wer den Zweck will, muß auch die Mittel wollen. Er iſt
ein Mann der „Wiſſenſchaft‟; daneben Politiker im großen Styl.
Jn die Katakomben hatte er ſich zwar nur als „Patriot aus eitel
Langweile‟ führen laſſen, da er aber Präfect von Rom geworden
zur Zeit Athalarichs, denkt er daran, allein, ohne Hilfs-
mittel, Jmperator des Abendlandes zu werden. „Es kann
gethan werden, denn es kann gedacht werden,‟ meint
der Mann der „Wiſſenſchaft‟. Das Allein, ohne Hilfsmittel, hat
er bald vergeſſen. Als er wahrnimmt, daß die Gothen ſich
immer wieder aufraffen, thut er den nicht gerade antik klingenden
Ausſpruch: „Dieſe Barbaren haben das unverſchämte Glück ein
Volk zu ſein‟, und am Ende geſteht er ſich: „Ja, ich erkenne es
nun. Alles kann der gewaltige Geiſt des Einzelnen erſetzen, nur
nicht ein fehlend Volk. Sich ſelbſt jung erhalten kann der Geiſt,
nicht andere verjüngen. Jch habe das Unmögliche gewollt.‟ Er
meint damit das Thatſächlich-Unmögliche, vor dem Sittlich-Unmög-
lichen ſchreckt er nicht zurück. Der junge Gothenkönig, der ihm
im Wege ſteht, wird mit Gift beſeitigt, und da es der Umſtände
wegen nicht anders geht, auch ſeine Braut Camilla. Kurz,
Cethegus iſt ein eiſerner, herzloſer, grauſamer, blutdürſtiger Egoiſt,
den Felix Dahn mit Bewunderung ſeines eignen Werks „den
gewaltigen Mann‟ nennt. Aeußerlich gehört der Präfect der
römiſchen Kirche an, innerlich iſt er ein ſolcher Atheiſt, wie ihn
nur das 19. Jahrhundert ausbilden kann. Jn Conſtan-
tinopel trifft er mit ſeinem Studiengenoſſen, dem Hiſtoriker
Prokop, zuſammen, der außer Jurisprudenz auch Philoſophie
und Theologie ſtudirt hat. Mit ganz moderner Frivolität erzählt
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeAutorname, Autorvorname: Kurztitel. In: Kurztitel… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |