Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884).ihr eines Tages, da der Bürgermeister zur Uebergabe der Ehe wir zu dem neuesten Roman des Prof. Ebers über- ihr eines Tages, da der Bürgermeiſter zur Uebergabe der Ehe wir zu dem neueſten Roman des Prof. Ebers über- <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0037" n="37 229"/> ihr eines Tages, da der Bürgermeiſter zur Uebergabe der<lb/> Stadt entſchloſſen war, glückte, dieſen Entſchluß zu beſeitigen<lb/> und die fernere Vertheidigung Leydens zu fördern, weiß ſie ſich<lb/> mit ihrem Gemahl völlig eins und alles Gefühl der Zurückſetzung<lb/> iſt verſchwunden. — Von andern Perſonen des Romans ſchweigen<lb/> wir, ſie laſſen uns ebenſo ohne warme Sympathie, wie die drei<lb/> genannten. Auch der Kampf der <hi rendition="#g">Niederländer</hi> gegen die<lb/><hi rendition="#g">Spanier</hi> läßt uns kühl. Den kirchlichen Gegenſatz hat Ebers<lb/> in den Hintergrund treten laſſen; die politiſchen Freiheitsideen<lb/> kommen uns abſtract und theoretiſch entgegen. Jn naturgeſchicht-<lb/> licher Beziehung verdanken wir übrigens dem Verf. manche<lb/> intereſſante Notiz. Die Störche verlaſſen Holland nicht ſchon<lb/> Anfangs Auguſt, ſondern erſt Ende October. Wenn in Holland<lb/> der Tauber mit der Täubin ſchnäbelt, ſo wird dieſe dabei ge-<lb/> füttert. Pferde holländiſcher Race lieben es, vom Weg ab in’s<lb/> Dickicht zu raſen. — Nachläſſigkeiten des Stils finden wir in<lb/> dem Satze, daß ein Gaſtzimmer <hi rendition="#g">aus</hi> zwei ganz kleinen, luken-<lb/> artigen Fenſterchen Licht erhält — in dieſem Falle müßten ganz<lb/> beſcheidene Lämpchen in die Fenſterchen geſtellt ſein — während<lb/> es heißen muß, daß das Zimmer ſein Licht <hi rendition="#g">durch</hi> zwei Fenſterchen<lb/> erhielt; ſowie in dem anderen Satze: „Sobald die Thür ſich<lb/> geſchloſſen hatte, ſank das Mädchen auf den Stuhl zurück,<lb/> drückte die Stirn auf die Marmorplatte (des <hi rendition="#g">vor</hi> dem Stuhle<lb/> ſtehenden Tiſches) und ließ ſie dort lange ruhen.‟ Hier iſt doch<lb/> nur das Eine oder das Andere, oder das Eine nach dem Andern<lb/> möglich. Völlig dunkel iſt uns folgender Satz geblieben — es<lb/> iſt von dem Bildniß eines Wirthes die Rede —: „Der würdige<lb/> Mann mit dem glatten Geſicht, dem feſtgeſchloſſenen Munde und<lb/> der langgeſtreckten Naſe, welche für den Stichel ihres Beſitzers<lb/> eine gute Richtlinie bot, ſaß in römiſcher Feldherrntracht auf<lb/> einem Thron‟ u. ſ. w. Wenn der Wirth auch Kupferſtecher war,<lb/> die Sache iſt doch verfehlt.</p><lb/> <p>Ehe wir zu dem neueſten Roman des Prof. Ebers über-<lb/> gehen, haben wir im eignen Jntereſſe die angenehme Aufgabe<lb/> aus einer ſehr gut geſchriebenen Beurtheilung der „Bürger-<lb/> meiſterin‟ von <hi rendition="#g">Johannes Prölß</hi> (in der „Frankfurter<lb/></p> </body> </text> </TEI> [37 229/0037]
ihr eines Tages, da der Bürgermeiſter zur Uebergabe der
Stadt entſchloſſen war, glückte, dieſen Entſchluß zu beſeitigen
und die fernere Vertheidigung Leydens zu fördern, weiß ſie ſich
mit ihrem Gemahl völlig eins und alles Gefühl der Zurückſetzung
iſt verſchwunden. — Von andern Perſonen des Romans ſchweigen
wir, ſie laſſen uns ebenſo ohne warme Sympathie, wie die drei
genannten. Auch der Kampf der Niederländer gegen die
Spanier läßt uns kühl. Den kirchlichen Gegenſatz hat Ebers
in den Hintergrund treten laſſen; die politiſchen Freiheitsideen
kommen uns abſtract und theoretiſch entgegen. Jn naturgeſchicht-
licher Beziehung verdanken wir übrigens dem Verf. manche
intereſſante Notiz. Die Störche verlaſſen Holland nicht ſchon
Anfangs Auguſt, ſondern erſt Ende October. Wenn in Holland
der Tauber mit der Täubin ſchnäbelt, ſo wird dieſe dabei ge-
füttert. Pferde holländiſcher Race lieben es, vom Weg ab in’s
Dickicht zu raſen. — Nachläſſigkeiten des Stils finden wir in
dem Satze, daß ein Gaſtzimmer aus zwei ganz kleinen, luken-
artigen Fenſterchen Licht erhält — in dieſem Falle müßten ganz
beſcheidene Lämpchen in die Fenſterchen geſtellt ſein — während
es heißen muß, daß das Zimmer ſein Licht durch zwei Fenſterchen
erhielt; ſowie in dem anderen Satze: „Sobald die Thür ſich
geſchloſſen hatte, ſank das Mädchen auf den Stuhl zurück,
drückte die Stirn auf die Marmorplatte (des vor dem Stuhle
ſtehenden Tiſches) und ließ ſie dort lange ruhen.‟ Hier iſt doch
nur das Eine oder das Andere, oder das Eine nach dem Andern
möglich. Völlig dunkel iſt uns folgender Satz geblieben — es
iſt von dem Bildniß eines Wirthes die Rede —: „Der würdige
Mann mit dem glatten Geſicht, dem feſtgeſchloſſenen Munde und
der langgeſtreckten Naſe, welche für den Stichel ihres Beſitzers
eine gute Richtlinie bot, ſaß in römiſcher Feldherrntracht auf
einem Thron‟ u. ſ. w. Wenn der Wirth auch Kupferſtecher war,
die Sache iſt doch verfehlt.
Ehe wir zu dem neueſten Roman des Prof. Ebers über-
gehen, haben wir im eignen Jntereſſe die angenehme Aufgabe
aus einer ſehr gut geſchriebenen Beurtheilung der „Bürger-
meiſterin‟ von Johannes Prölß (in der „Frankfurter
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Zitationshilfe: | Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884), S. 37 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraus_professorenroman_1884/37>, abgerufen am 07.07.2024. |