Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884)."schönste", "reizendste". Der zweibändige Roman "Der Kaiser" „ſchönſte‟, „reizendſte‟. Der zweibändige Roman „Der Kaiſer‟ <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0030" n="30 222"/> „ſchönſte‟, „reizendſte‟. Der zweibändige Roman „Der Kaiſer‟<lb/> behandelt ein Jahr aus dem Leben des Kaiſers <hi rendition="#g">Hadrian,</hi><lb/> nämlich die Zeit vom 1. December 129 bis zum December 130.<lb/> Jn einer Anzeige der Münch. Allg. Zeitung wird zwar mancherlei<lb/> getadelt, zuletzt aber doch geſagt: „Wie ſehr der Verfaſſer für<lb/> ſeine früheren Romane gefeiert und belohnt worden iſt, dieſem<lb/> letzten iſt doch wohl der Preis vor den älteren zuzuſprechen.‟<lb/> Das ſind Geſchmacksſachen. Wir möchten der „<hi rendition="#g">Egyptiſchen<lb/> Königstochter</hi>‟ den Vorzug vor allen anderen Dichtungen<lb/> einräumen. Nur darin können wir jener Zeitung recht geben,<lb/> daß „das Perſonal in dem Roman ‚Der Kaiſer‛ ſo umfangreich,<lb/> das Romangetriebe mit ſeinen Fäden ſo verſchlungen iſt, daß<lb/> auf eine Wiedergabe des Jnhalts verzichtet werden muß.‟ Schon<lb/> hieraus mag erkannt werden, daß „Der Kaiſer‟ unmöglich das<lb/> ſein kann, was der Verf. von ihm erhofft: ein „Kunſtwerk‟, oder<lb/> genauer „ein echtes Kunſtwerk‟. Abgeſehen von der außer-<lb/> ordentlichen Complicirtheit, von dem ſteten Wechſel der Perſonen<lb/> und Scenerien fehlt es dieſer Dichtung auch an dem richtigen<lb/> Verhältniß von Licht und Schatten. Es iſt ja wahr, daß der<lb/> Autor redlich beſtrebt war, „das Aufkeimen des jungen Chriſten-<lb/> thums‟, alſo das Licht der Welt, in einen gewiſſen Gegenſatz zu<lb/> ſtellen zu dem in Greueln der Finſterniß verfaulenden Heiden-<lb/> thum, dem Schatten der Welt, aber er hat es als Vernunft-<lb/> gläubiger doch eigentlich nur mit dem Chriſtenthum als „Lehre<lb/> des Heilandes‟ zu thun und mit Rückſicht auf das „anſtändige‟<lb/> Publikum konnte es Ebers nicht wagen, die heidniſchen Laſter<lb/> auch nur anzudeuten. Es gibt bekanntlich ganze Schichten ge-<lb/> bildeter Menſchen, die es ſogar einem Pfarrer übelnehmen, wenn<lb/> er das ſechſte Gebot auf Grund der bibliſchen Geſchichte jungen<lb/> Chriſten an’s Herz legt. — Der Kaiſer Hadrian ſelbſt iſt eine<lb/> widerwärtige Figur. Auch als Bildhauer hat ſich der Jmperator<lb/> verſucht, aber mit wenig Glück. Als eines Tages der Bildhauer<lb/><hi rendition="#g">Pollux</hi> in kindiſchem Zorn das vom incognito anweſenden<lb/> Kaiſer übelgeformte Thongebilde einer Frau mit einer Latte<lb/> zerſchlug, ergriff Hadrian Repreſſalien, er entriß dem Künſtler<lb/> die Latte, ſchlug der kaum vollendeten Bildſäule der Urania die<lb/></p> </body> </text> </TEI> [30 222/0030]
„ſchönſte‟, „reizendſte‟. Der zweibändige Roman „Der Kaiſer‟
behandelt ein Jahr aus dem Leben des Kaiſers Hadrian,
nämlich die Zeit vom 1. December 129 bis zum December 130.
Jn einer Anzeige der Münch. Allg. Zeitung wird zwar mancherlei
getadelt, zuletzt aber doch geſagt: „Wie ſehr der Verfaſſer für
ſeine früheren Romane gefeiert und belohnt worden iſt, dieſem
letzten iſt doch wohl der Preis vor den älteren zuzuſprechen.‟
Das ſind Geſchmacksſachen. Wir möchten der „Egyptiſchen
Königstochter‟ den Vorzug vor allen anderen Dichtungen
einräumen. Nur darin können wir jener Zeitung recht geben,
daß „das Perſonal in dem Roman ‚Der Kaiſer‛ ſo umfangreich,
das Romangetriebe mit ſeinen Fäden ſo verſchlungen iſt, daß
auf eine Wiedergabe des Jnhalts verzichtet werden muß.‟ Schon
hieraus mag erkannt werden, daß „Der Kaiſer‟ unmöglich das
ſein kann, was der Verf. von ihm erhofft: ein „Kunſtwerk‟, oder
genauer „ein echtes Kunſtwerk‟. Abgeſehen von der außer-
ordentlichen Complicirtheit, von dem ſteten Wechſel der Perſonen
und Scenerien fehlt es dieſer Dichtung auch an dem richtigen
Verhältniß von Licht und Schatten. Es iſt ja wahr, daß der
Autor redlich beſtrebt war, „das Aufkeimen des jungen Chriſten-
thums‟, alſo das Licht der Welt, in einen gewiſſen Gegenſatz zu
ſtellen zu dem in Greueln der Finſterniß verfaulenden Heiden-
thum, dem Schatten der Welt, aber er hat es als Vernunft-
gläubiger doch eigentlich nur mit dem Chriſtenthum als „Lehre
des Heilandes‟ zu thun und mit Rückſicht auf das „anſtändige‟
Publikum konnte es Ebers nicht wagen, die heidniſchen Laſter
auch nur anzudeuten. Es gibt bekanntlich ganze Schichten ge-
bildeter Menſchen, die es ſogar einem Pfarrer übelnehmen, wenn
er das ſechſte Gebot auf Grund der bibliſchen Geſchichte jungen
Chriſten an’s Herz legt. — Der Kaiſer Hadrian ſelbſt iſt eine
widerwärtige Figur. Auch als Bildhauer hat ſich der Jmperator
verſucht, aber mit wenig Glück. Als eines Tages der Bildhauer
Pollux in kindiſchem Zorn das vom incognito anweſenden
Kaiſer übelgeformte Thongebilde einer Frau mit einer Latte
zerſchlug, ergriff Hadrian Repreſſalien, er entriß dem Künſtler
die Latte, ſchlug der kaum vollendeten Bildſäule der Urania die
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