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Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884).

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geschaffen wird, knüpfen wir überall an das Alte an, aber es ist
uns doch auch gelungen, dieses letztere auf vielen Gebieten, und
namentlich auf dem der Erfahrungswissenschaften, zu überflügeln.
Der erhabene Geist unserer Ahnen schaute überall in's Weite,
unser kürzerer Blick erfaßt schärfer das Naheliegende. Den
sicheren Weg für alle Arbeiten des Geistes, die wissenschaftliche
Methode, haben wir gefunden, und die scharfe Beobachtung der
Dinge, wie sie sind, gelingt uns besser als all unseren Vor-
gängern, und so kommt es, daß in unserem Kreise auf dem
Gebiete der Naturwissenschaften, der Mathematik, der Himmels-
kunde, Mechanik und Erdbeschreibung Unübertroffenes geleistet
wird." (Später ist von einem Jnhalationsapparat die Rede und
im Anschluß daran wird gerufen: "Dieser Dampf, dieser Dampf!
Weißt du, daß er stärker ist als Pferde und Stiere und die
vereinte Kraft einer Schaar von Riesen? Der fleißige Hero von
Alexandria fand es vor Kurzem." Die Frage ist erlaubt:
Wenn die alten Egypter schon Blitzableiter hatten, sollten sie
nicht auch schon Dampfmaschinen gehabt haben?) -- Von dem
Könige Euergetes erfahren wir, daß er an einem Werke über
Harmonie schreibt, und wir hören ihn ganz kathedermäßig über
die nur in der "Jdeenwelt" vorhandene Harmonie eine Rede
halten. -- Uebrigens ist auch die buhlerische Königin-Schwester
der beiden Könige, mit dem Bruder Philometor vermählt --
eine Freundin litterarischer Genüsse. Während sie sich ankleiden
läßt, wird ihr von ihrer Gespielin Zoe aus der "griechischen
Uebersetzung jüdischer Psalmen" vorgelesen, über deren dichte-
rischen Werth vor einigen Tagen beim Gastmahl gestritten wor-
den war. "Heute war sie nicht zum Denken aufgelegt, brauchte
etwas fremdes, außergewöhnliches zu ihrer Zerstreuung und
befahl darum Zoe, das Buch der Hebräer aufzuschlagen, dessen
Uebersetzung von den hellenischen Juden in Alexandrien für ein
vortreffliches, ja von Gott selbst eingegebenes Werk gehalten
wurde und das ihr längst durch ihre israelitischen Freunde und
Tischgenossen bekannt geworden war." "Zehn neue Psalmen
waren vorgetragen und einige Verse zwei- und dreimal auf
Kleopatra's Wunsch wiederholt worden", als Euergetes kommt,

geſchaffen wird, knüpfen wir überall an das Alte an, aber es iſt
uns doch auch gelungen, dieſes letztere auf vielen Gebieten, und
namentlich auf dem der Erfahrungswiſſenſchaften, zu überflügeln.
Der erhabene Geiſt unſerer Ahnen ſchaute überall in’s Weite,
unſer kürzerer Blick erfaßt ſchärfer das Naheliegende. Den
ſicheren Weg für alle Arbeiten des Geiſtes, die wiſſenſchaftliche
Methode, haben wir gefunden, und die ſcharfe Beobachtung der
Dinge, wie ſie ſind, gelingt uns beſſer als all unſeren Vor-
gängern, und ſo kommt es, daß in unſerem Kreiſe auf dem
Gebiete der Naturwiſſenſchaften, der Mathematik, der Himmels-
kunde, Mechanik und Erdbeſchreibung Unübertroffenes geleiſtet
wird.‟ (Später iſt von einem Jnhalationsapparat die Rede und
im Anſchluß daran wird gerufen: „Dieſer Dampf, dieſer Dampf!
Weißt du, daß er ſtärker iſt als Pferde und Stiere und die
vereinte Kraft einer Schaar von Rieſen? Der fleißige Hero von
Alexandria fand es vor Kurzem.‟ Die Frage iſt erlaubt:
Wenn die alten Egypter ſchon Blitzableiter hatten, ſollten ſie
nicht auch ſchon Dampfmaſchinen gehabt haben?) — Von dem
Könige Euergetes erfahren wir, daß er an einem Werke über
Harmonie ſchreibt, und wir hören ihn ganz kathedermäßig über
die nur in der „Jdeenwelt‟ vorhandene Harmonie eine Rede
halten. — Uebrigens iſt auch die buhleriſche Königin-Schweſter
der beiden Könige, mit dem Bruder Philometor vermählt —
eine Freundin litterariſcher Genüſſe. Während ſie ſich ankleiden
läßt, wird ihr von ihrer Geſpielin Zoë aus der „griechiſchen
Ueberſetzung jüdiſcher Pſalmen‟ vorgeleſen, über deren dichte-
riſchen Werth vor einigen Tagen beim Gaſtmahl geſtritten wor-
den war. „Heute war ſie nicht zum Denken aufgelegt, brauchte
etwas fremdes, außergewöhnliches zu ihrer Zerſtreuung und
befahl darum Zoë, das Buch der Hebräer aufzuſchlagen, deſſen
Ueberſetzung von den helleniſchen Juden in Alexandrien für ein
vortreffliches, ja von Gott ſelbſt eingegebenes Werk gehalten
wurde und das ihr längſt durch ihre iſraelitiſchen Freunde und
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[28 220/0028] geſchaffen wird, knüpfen wir überall an das Alte an, aber es iſt uns doch auch gelungen, dieſes letztere auf vielen Gebieten, und namentlich auf dem der Erfahrungswiſſenſchaften, zu überflügeln. Der erhabene Geiſt unſerer Ahnen ſchaute überall in’s Weite, unſer kürzerer Blick erfaßt ſchärfer das Naheliegende. Den ſicheren Weg für alle Arbeiten des Geiſtes, die wiſſenſchaftliche Methode, haben wir gefunden, und die ſcharfe Beobachtung der Dinge, wie ſie ſind, gelingt uns beſſer als all unſeren Vor- gängern, und ſo kommt es, daß in unſerem Kreiſe auf dem Gebiete der Naturwiſſenſchaften, der Mathematik, der Himmels- kunde, Mechanik und Erdbeſchreibung Unübertroffenes geleiſtet wird.‟ (Später iſt von einem Jnhalationsapparat die Rede und im Anſchluß daran wird gerufen: „Dieſer Dampf, dieſer Dampf! Weißt du, daß er ſtärker iſt als Pferde und Stiere und die vereinte Kraft einer Schaar von Rieſen? Der fleißige Hero von Alexandria fand es vor Kurzem.‟ Die Frage iſt erlaubt: Wenn die alten Egypter ſchon Blitzableiter hatten, ſollten ſie nicht auch ſchon Dampfmaſchinen gehabt haben?) — Von dem Könige Euergetes erfahren wir, daß er an einem Werke über Harmonie ſchreibt, und wir hören ihn ganz kathedermäßig über die nur in der „Jdeenwelt‟ vorhandene Harmonie eine Rede halten. — Uebrigens iſt auch die buhleriſche Königin-Schweſter der beiden Könige, mit dem Bruder Philometor vermählt — eine Freundin litterariſcher Genüſſe. Während ſie ſich ankleiden läßt, wird ihr von ihrer Geſpielin Zoë aus der „griechiſchen Ueberſetzung jüdiſcher Pſalmen‟ vorgeleſen, über deren dichte- riſchen Werth vor einigen Tagen beim Gaſtmahl geſtritten wor- den war. „Heute war ſie nicht zum Denken aufgelegt, brauchte etwas fremdes, außergewöhnliches zu ihrer Zerſtreuung und befahl darum Zoë, das Buch der Hebräer aufzuſchlagen, deſſen Ueberſetzung von den helleniſchen Juden in Alexandrien für ein vortreffliches, ja von Gott ſelbſt eingegebenes Werk gehalten wurde und das ihr längſt durch ihre iſraelitiſchen Freunde und Tiſchgenoſſen bekannt geworden war.‟ „Zehn neue Pſalmen waren vorgetragen und einige Verſe zwei- und dreimal auf Kleopatra’s Wunſch wiederholt worden‟, als Euergetes kommt,

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Zitationshilfe: Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884), S. 28 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraus_professorenroman_1884/28>, abgerufen am 24.11.2024.