Die hochmüthige Verachtung der Anglomanen über die ver- minderte Schnelligkeit und Dauer der Campagne-Carriere mit ihren kurzen Sprüngen zeigt von mangelnder Erkenntniss des Wesens der Campagne-Reiterei. Es würde andererseits eben so thöricht sein, bei Pferden, deren günstiges Gebäude die schnelle Versamm- lung aus dem langen Sprunge gestattet, auf eine rollende Carriere mit kurzen Sprüngen hinzuarbeiten und so die wahre Geschwin- digkeit der scheinbaren zu opfern.
Es ist zu verwundern, dass die Uebung der Carriere so wenig getrieben wird, trotz dem der Soldat ihrer so sehr bedarf, das Pferd in derselben so wesentlich vervollkommnet werden kann und die Art des Laufes, wie wir bereits sahen, bei jedem einzelnen Pferde, je nach seiner Individualität, geregelt werden muss. Noch mehr aber ist zu verwundern, dass man vergisst, wie sie eine wichtige Lection für die Schulterfreiheit, aber die wichtigste für die abspannende Bewegung des Rückens und das Ausharren hinter der Vertikalen ist. Manche Pferde kommen erst, nachdem sie laufen lernten, zur vollen Hergabe und Elastizität des Rückens, gehen erst dann gut an die Hand und lernen stark traben.
Was in Rücksicht der Hülfen für die Verstärkung des Ga- lopps galt, gilt auch hier, nur wird man gut thun, sich bei trägen Pferden zum Nachtreiben der Gerte zu bedienen. Es ist unzweckmässig, den Sporn hart stossend zu gebrauchen, indem man damit nachtheilig auf den Athem wirkt. Es scheint mir ferner, als läge im Gebrauch des Sporns etwas, wodurch das Pferd veranlasst wird, sich zusammen zu ziehen, während ein Ger- tenstreich das Pferd treibt, ohne auf diese beiden Arten nachtheilig einzuwirken. Bei alledem ist der Soldat schliesslich auf den Sporn angewiesen und er muss ihm mit der Zeit auch zu diesem Zweck ausreichen.
Die meisten Pferde, bei denen der lange Galopp vorher nicht richtig entwickelt ist, die nicht gelernt haben, eine grössere Strek- kung herzugeben, und bei demselben nicht vermehrt an die Zügel gehen, werden in der Carriere ungern geradeaus laufen; man sei deshalb bedacht, diesem Uebelstande von Haus aus zu begegnen, indem man einen richtigen langen Galopp hereinbringt und erst dann zur Carriere übergeht. Bei allen Pferden, welche sich gern verhalten, hüte man sich, zu frühzeitig in die Carriere aus kurzen
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V. Abschnitt. 2. Periode.
Die hochmüthige Verachtung der Anglomanen über die ver- minderte Schnelligkeit und Dauer der Campagne-Carrière mit ihren kurzen Sprüngen zeigt von mangelnder Erkenntniss des Wesens der Campagne-Reiterei. Es würde andererseits eben so thöricht sein, bei Pferden, deren günstiges Gebäude die schnelle Versamm- lung aus dem langen Sprunge gestattet, auf eine rollende Carrière mit kurzen Sprüngen hinzuarbeiten und so die wahre Geschwin- digkeit der scheinbaren zu opfern.
Es ist zu verwundern, dass die Uebung der Carrière so wenig getrieben wird, trotz dem der Soldat ihrer so sehr bedarf, das Pferd in derselben so wesentlich vervollkommnet werden kann und die Art des Laufes, wie wir bereits sahen, bei jedem einzelnen Pferde, je nach seiner Individualität, geregelt werden muss. Noch mehr aber ist zu verwundern, dass man vergisst, wie sie eine wichtige Lection für die Schulterfreiheit, aber die wichtigste für die abspannende Bewegung des Rückens und das Ausharren hinter der Vertikalen ist. Manche Pferde kommen erst, nachdem sie laufen lernten, zur vollen Hergabe und Elastizität des Rückens, gehen erst dann gut an die Hand und lernen stark traben.
Was in Rücksicht der Hülfen für die Verstärkung des Ga- lopps galt, gilt auch hier, nur wird man gut thun, sich bei trägen Pferden zum Nachtreiben der Gerte zu bedienen. Es ist unzweckmässig, den Sporn hart stossend zu gebrauchen, indem man damit nachtheilig auf den Athem wirkt. Es scheint mir ferner, als läge im Gebrauch des Sporns etwas, wodurch das Pferd veranlasst wird, sich zusammen zu ziehen, während ein Ger- tenstreich das Pferd treibt, ohne auf diese beiden Arten nachtheilig einzuwirken. Bei alledem ist der Soldat schliesslich auf den Sporn angewiesen und er muss ihm mit der Zeit auch zu diesem Zweck ausreichen.
Die meisten Pferde, bei denen der lange Galopp vorher nicht richtig entwickelt ist, die nicht gelernt haben, eine grössere Strek- kung herzugeben, und bei demselben nicht vermehrt an die Zügel gehen, werden in der Carrière ungern geradeaus laufen; man sei deshalb bedacht, diesem Uebelstande von Haus aus zu begegnen, indem man einen richtigen langen Galopp hereinbringt und erst dann zur Carrière übergeht. Bei allen Pferden, welche sich gern verhalten, hüte man sich, zu frühzeitig in die Carrière aus kurzen
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V. Abschnitt. 2. Periode.
Die hochmüthige Verachtung der Anglomanen über die ver-
minderte Schnelligkeit und Dauer der Campagne-Carrière mit ihren
kurzen Sprüngen zeigt von mangelnder Erkenntniss des Wesens
der Campagne-Reiterei. Es würde andererseits eben so thöricht
sein, bei Pferden, deren günstiges Gebäude die schnelle Versamm-
lung aus dem langen Sprunge gestattet, auf eine rollende Carrière
mit kurzen Sprüngen hinzuarbeiten und so die wahre Geschwin-
digkeit der scheinbaren zu opfern.
Es ist zu verwundern, dass die Uebung der Carrière
so wenig getrieben wird, trotz dem der Soldat ihrer so sehr
bedarf, das Pferd in derselben so wesentlich vervollkommnet werden
kann und die Art des Laufes, wie wir bereits sahen, bei jedem
einzelnen Pferde, je nach seiner Individualität, geregelt werden muss.
Noch mehr aber ist zu verwundern, dass man vergisst, wie sie eine
wichtige Lection für die Schulterfreiheit, aber die wichtigste für
die abspannende Bewegung des Rückens und das Ausharren hinter
der Vertikalen ist. Manche Pferde kommen erst, nachdem sie
laufen lernten, zur vollen Hergabe und Elastizität des Rückens,
gehen erst dann gut an die Hand und lernen stark traben.
Was in Rücksicht der Hülfen für die Verstärkung des Ga-
lopps galt, gilt auch hier, nur wird man gut thun, sich bei
trägen Pferden zum Nachtreiben der Gerte zu bedienen.
Es ist unzweckmässig, den Sporn hart stossend zu gebrauchen,
indem man damit nachtheilig auf den Athem wirkt. Es scheint
mir ferner, als läge im Gebrauch des Sporns etwas, wodurch das
Pferd veranlasst wird, sich zusammen zu ziehen, während ein Ger-
tenstreich das Pferd treibt, ohne auf diese beiden Arten nachtheilig
einzuwirken. Bei alledem ist der Soldat schliesslich auf den Sporn
angewiesen und er muss ihm mit der Zeit auch zu diesem Zweck
ausreichen.
Die meisten Pferde, bei denen der lange Galopp vorher nicht
richtig entwickelt ist, die nicht gelernt haben, eine grössere Strek-
kung herzugeben, und bei demselben nicht vermehrt an die Zügel
gehen, werden in der Carrière ungern geradeaus laufen; man sei
deshalb bedacht, diesem Uebelstande von Haus aus zu begegnen,
indem man einen richtigen langen Galopp hereinbringt und erst
dann zur Carrière übergeht. Bei allen Pferden, welche sich gern
verhalten, hüte man sich, zu frühzeitig in die Carrière aus kurzen
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Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krane_reitpferd_1856/297>, abgerufen am 23.07.2024.
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