Findet beim Zurücktreten eine zu schnelle Bewegung des Leibes über die Beine nach rückwärts hinweg statt, so dass diese nicht folgen können, ist der Schwerpunkt zu weit nach rückwärts verlegt, so entsteht ein Zurückstürzen, Zurücktaumeln. Manche Pferde bedienen sich dieses Manövers, um sich jeder Hülfe zu entziehen und gehen bei jeder Gelegenheit, wo ihnen eine lästige Anforderung gestellt wird, auf diese Art gleichsam "rückwärts durch". Dass nur das Wiederzurgeltungbringen der vortreibenden Hülfen diesem Fehler beikömmt, ist einleuch- tend. Man beginne bei diesen Thieren ganz von vorn mit Kapp- zaum und Peitsche und verlasse erst dann die Bahn, wenn der Schenkel unter allen Umständen wieder respektirt wird. Ist die Unart eine alte, eingewurzelte; hat das Thier gelernt, aus Ter- rainschwierigkeiten, die den Reiter für den eigenen Körper oder den des Thieres besorgt machen, Nutzen zu ziehen; weiss es dort, in der Bahn und im offenen Terrain ganz gehorsam, seine Unarten loszulassen; so wird man allerdings endlich genöthigt sein, dort den Kampf anzunehmen. Die Schwierigkeit kann sich indess so steigern, dass der Kampf für den Reiter lebensgefährlich würde. Dieser Fall (wie Hinwerfen und Ueberschlagen aus Bosheit) scheinen mir eine derbe Züchtigung durch den abgesessenen Reiter vollkommen zu rechtfertigen und habe ich von ihr schon gute Erfolge erlebt. Ich habe andererseits von einem durch seinen festen Sitz und unglaubliche Körpergewandtheit renommirten Cavallerie- Offizier gesehen, wie er auf einem 30 Fuss hohen Wall ein derar- tiges Thier, das rückwärts den Abhängen zulief, dadurch kurirte, dass er äusserst scharfe Sporen in die Flanken des Thieres, sobald es rückwärts zu laufen begann, begrub und sie nicht eher aus der blutenden Weiche entfernte, bis es vorwärts ging. Allerdings war er sich der Geschicklichkeit gewiss, dass im Fall des Herabstürzens er die Reise abwärts nicht mitmachte. Er riskirte somit das Thier, das ungeheilt, ohnehin ohne Nutzen war, und nicht sein Leben. So nothwendig Muth und Verachtung der Gefahr auch dem Reiter ist, obschon der Muth sonst nicht rechnen darf, ob Risiko und Gewinn sich die Balance halten, so giebt es doch auch gewisse Grenzen, wo die Vermessenheit anfängt und die ohne ein höheres Motiv zu überschreiten, ein Unrecht ist. -- Wird das Zurückneigen des Leibes über die Beine hinweg von Seiten des Thieres verwei
II. Abschnitt. 2. Periode.
Findet beim Zurücktreten eine zu schnelle Bewegung des Leibes über die Beine nach rückwärts hinweg statt, so dass diese nicht folgen können, ist der Schwerpunkt zu weit nach rückwärts verlegt, so entsteht ein Zurückstürzen, Zurücktaumeln. Manche Pferde bedienen sich dieses Manövers, um sich jeder Hülfe zu entziehen und gehen bei jeder Gelegenheit, wo ihnen eine lästige Anforderung gestellt wird, auf diese Art gleichsam „rückwärts durch“. Dass nur das Wiederzurgeltungbringen der vortreibenden Hülfen diesem Fehler beikömmt, ist einleuch- tend. Man beginne bei diesen Thieren ganz von vorn mit Kapp- zaum und Peitsche und verlasse erst dann die Bahn, wenn der Schenkel unter allen Umständen wieder respektirt wird. Ist die Unart eine alte, eingewurzelte; hat das Thier gelernt, aus Ter- rainschwierigkeiten, die den Reiter für den eigenen Körper oder den des Thieres besorgt machen, Nutzen zu ziehen; weiss es dort, in der Bahn und im offenen Terrain ganz gehorsam, seine Unarten loszulassen; so wird man allerdings endlich genöthigt sein, dort den Kampf anzunehmen. Die Schwierigkeit kann sich indess so steigern, dass der Kampf für den Reiter lebensgefährlich würde. Dieser Fall (wie Hinwerfen und Ueberschlagen aus Bosheit) scheinen mir eine derbe Züchtigung durch den abgesessenen Reiter vollkommen zu rechtfertigen und habe ich von ihr schon gute Erfolge erlebt. Ich habe andererseits von einem durch seinen festen Sitz und unglaubliche Körpergewandtheit renommirten Cavallerie- Offizier gesehen, wie er auf einem 30 Fuss hohen Wall ein derar- tiges Thier, das rückwärts den Abhängen zulief, dadurch kurirte, dass er äusserst scharfe Sporen in die Flanken des Thieres, sobald es rückwärts zu laufen begann, begrub und sie nicht eher aus der blutenden Weiche entfernte, bis es vorwärts ging. Allerdings war er sich der Geschicklichkeit gewiss, dass im Fall des Herabstürzens er die Reise abwärts nicht mitmachte. Er riskirte somit das Thier, das ungeheilt, ohnehin ohne Nutzen war, und nicht sein Leben. So nothwendig Muth und Verachtung der Gefahr auch dem Reiter ist, obschon der Muth sonst nicht rechnen darf, ob Risiko und Gewinn sich die Balance halten, so giebt es doch auch gewisse Grenzen, wo die Vermessenheit anfängt und die ohne ein höheres Motiv zu überschreiten, ein Unrecht ist. — Wird das Zurückneigen des Leibes über die Beine hinweg von Seiten des Thieres verwei
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II. Abschnitt. 2. Periode.
Findet beim Zurücktreten eine zu schnelle Bewegung des
Leibes über die Beine nach rückwärts hinweg statt, so dass diese
nicht folgen können, ist der Schwerpunkt zu weit nach rückwärts
verlegt, so entsteht ein Zurückstürzen, Zurücktaumeln.
Manche Pferde bedienen sich dieses Manövers, um sich jeder Hülfe
zu entziehen und gehen bei jeder Gelegenheit, wo ihnen eine lästige
Anforderung gestellt wird, auf diese Art gleichsam „rückwärts
durch“. Dass nur das Wiederzurgeltungbringen der
vortreibenden Hülfen diesem Fehler beikömmt, ist einleuch-
tend. Man beginne bei diesen Thieren ganz von vorn mit Kapp-
zaum und Peitsche und verlasse erst dann die Bahn, wenn der
Schenkel unter allen Umständen wieder respektirt wird. Ist die
Unart eine alte, eingewurzelte; hat das Thier gelernt, aus Ter-
rainschwierigkeiten, die den Reiter für den eigenen Körper
oder den des Thieres besorgt machen, Nutzen zu ziehen; weiss
es dort, in der Bahn und im offenen Terrain ganz gehorsam,
seine Unarten loszulassen; so wird man allerdings endlich genöthigt
sein, dort den Kampf anzunehmen. Die Schwierigkeit kann sich
indess so steigern, dass der Kampf für den Reiter lebensgefährlich
würde. Dieser Fall (wie Hinwerfen und Ueberschlagen aus Bosheit)
scheinen mir eine derbe Züchtigung durch den abgesessenen
Reiter vollkommen zu rechtfertigen und habe ich von ihr schon gute
Erfolge erlebt. Ich habe andererseits von einem durch seinen festen
Sitz und unglaubliche Körpergewandtheit renommirten Cavallerie-
Offizier gesehen, wie er auf einem 30 Fuss hohen Wall ein derar-
tiges Thier, das rückwärts den Abhängen zulief, dadurch kurirte,
dass er äusserst scharfe Sporen in die Flanken des Thieres, sobald
es rückwärts zu laufen begann, begrub und sie nicht eher aus der
blutenden Weiche entfernte, bis es vorwärts ging. Allerdings war
er sich der Geschicklichkeit gewiss, dass im Fall des Herabstürzens
er die Reise abwärts nicht mitmachte. Er riskirte somit das Thier,
das ungeheilt, ohnehin ohne Nutzen war, und nicht sein Leben.
So nothwendig Muth und Verachtung der Gefahr auch dem Reiter
ist, obschon der Muth sonst nicht rechnen darf, ob Risiko und
Gewinn sich die Balance halten, so giebt es doch auch gewisse
Grenzen, wo die Vermessenheit anfängt und die ohne ein höheres
Motiv zu überschreiten, ein Unrecht ist. — Wird das Zurückneigen
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Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krane_reitpferd_1856/239>, abgerufen am 12.12.2024.
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