der Gewinnung von Nutzthieren, diese bei der Gewinnung von Zuchtthieren. Letzteres höheres Ziel erfordert einen viel größeren Aufwand von Intelligenz und Capital. Mit Bezug auf die Leistungsfähigkeit kann der Zweck der Züchtung je nach der verschiedenen Thierart entweder auf die Nutzung durch Arbeitsleistung, auf die Gewinnung von Milch, Fleisch und Fett, von Wolle etc., oder auf die Vereinigung einiger oder mehrerer Nutzungseigenschaften gerichtet sein. Die Züchtung schafft jedoch immer nur eine unerläßliche Vorbedingung, welcher die entsprechende Haltung und Fütterung nach zu folgen hat, soll das angestrebte Ziel erreicht werden.
2. Der Racebegriff.
Um die Unterscheidung der einzelnen organischen Wesen zu ermöglichen ist eine Zu- sammenfassung derselben in Gruppen je nach ihren gemeinschaftlichen Eigenschaften erforderlich. Die Individuen werden demnach in Reiche, Classen, Ordnungen, Familien, Gattungen (Sippen oder Geschlechter) und in Arten eingereiht. Die Arten umfassen alle jene Einzelwesen, welche sich gleichen und untereinander fruchtbar fortpflanzen; sie sind jedoch nach den Forschungen Charles Darwin's1) nicht unabänderlich, sondern erleiden durch äußere auf sie einwirkende Umstände und die natürliche Auswahl im Kampfe um's Dasein in langen Zeiträumen mannigfaltige Abänderungen, die aus der ursprünglich einen Art zur Bildung einer Spielart, einer Abart und selbst einer neuen Art führen.
Der Landwirth geht in der Unterscheidung noch weiter, indem er in der Art auch noch Abarten oder Racen, Schläge, Spielarten, Stämme, Zuchten, Familien und endlich die Individuen unterscheidet. Diese Unterabtheilungen sind jedoch noch viel weniger als die Art oder selbst noch die Race als etwas Unabänderliches anzusehen, sie weisen vielmehr die verschiedensten Uebergänge auf. Es läßt sich daher für dieselben kaum eine allgemein giltige Definition feststellen.
Mit dem Ausdrucke "Race" bezeichnet man die Gesammtheit von Thieren einer Art, welche sich durch ihre Körperformen und ihre Nutzungseigenschaften von Anderen auffallend unterscheiden und diese Eigenschaften selbst dann auch auf ihre Nach- kommenschaft übertragen, wenn sie unter andere äußere Einflüsse kommen, als in ihrer Heimath bestehen. Thierindividuen, welche einer anerkannten Race angehören, werden als Racethiere und wenn sie von dem Orte ihres natürlichen Vorkommens genommen werden, als Originalracethiere bezeichnet. Sind die Eigenschaften der in einer Gegend vorkommenden Thiere nicht so erheblich und charakteristisch, um eine eigene Race aufstellen zu können, so faßt man sie unter der Bezeichnung Schlag zusammen, welcher Ausdruck übrigens auch zur Bezeichnung der durch-
1) Charles Darwin, Ueber den Ursprung der Arten durch natürliche Auswahl oder Erhaltung der begünstigten Racen im Kampfe um's Dasein. Aus dem Englischen übersetzt von H. G. Bronn, 5. Aufl., Stuttgart 1872, und Charles Darwin, Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. Aus dem Englischen übersetzt von J. Vict. Carus, 2 Bde., Stuttgart 1868.
Allgemeine Thierzuchtlehre.
der Gewinnung von Nutzthieren, dieſe bei der Gewinnung von Zuchtthieren. Letzteres höheres Ziel erfordert einen viel größeren Aufwand von Intelligenz und Capital. Mit Bezug auf die Leiſtungsfähigkeit kann der Zweck der Züchtung je nach der verſchiedenen Thierart entweder auf die Nutzung durch Arbeitsleiſtung, auf die Gewinnung von Milch, Fleiſch und Fett, von Wolle ꝛc., oder auf die Vereinigung einiger oder mehrerer Nutzungseigenſchaften gerichtet ſein. Die Züchtung ſchafft jedoch immer nur eine unerläßliche Vorbedingung, welcher die entſprechende Haltung und Fütterung nach zu folgen hat, ſoll das angeſtrebte Ziel erreicht werden.
2. Der Racebegriff.
Um die Unterſcheidung der einzelnen organiſchen Weſen zu ermöglichen iſt eine Zu- ſammenfaſſung derſelben in Gruppen je nach ihren gemeinſchaftlichen Eigenſchaften erforderlich. Die Individuen werden demnach in Reiche, Claſſen, Ordnungen, Familien, Gattungen (Sippen oder Geſchlechter) und in Arten eingereiht. Die Arten umfaſſen alle jene Einzelweſen, welche ſich gleichen und untereinander fruchtbar fortpflanzen; ſie ſind jedoch nach den Forſchungen Charles Darwin’s1) nicht unabänderlich, ſondern erleiden durch äußere auf ſie einwirkende Umſtände und die natürliche Auswahl im Kampfe um’s Daſein in langen Zeiträumen mannigfaltige Abänderungen, die aus der urſprünglich einen Art zur Bildung einer Spielart, einer Abart und ſelbſt einer neuen Art führen.
Der Landwirth geht in der Unterſcheidung noch weiter, indem er in der Art auch noch Abarten oder Racen, Schläge, Spielarten, Stämme, Zuchten, Familien und endlich die Individuen unterſcheidet. Dieſe Unterabtheilungen ſind jedoch noch viel weniger als die Art oder ſelbſt noch die Race als etwas Unabänderliches anzuſehen, ſie weiſen vielmehr die verſchiedenſten Uebergänge auf. Es läßt ſich daher für dieſelben kaum eine allgemein giltige Definition feſtſtellen.
Mit dem Ausdrucke „Race“ bezeichnet man die Geſammtheit von Thieren einer Art, welche ſich durch ihre Körperformen und ihre Nutzungseigenſchaften von Anderen auffallend unterſcheiden und dieſe Eigenſchaften ſelbſt dann auch auf ihre Nach- kommenſchaft übertragen, wenn ſie unter andere äußere Einflüſſe kommen, als in ihrer Heimath beſtehen. Thierindividuen, welche einer anerkannten Race angehören, werden als Racethiere und wenn ſie von dem Orte ihres natürlichen Vorkommens genommen werden, als Originalracethiere bezeichnet. Sind die Eigenſchaften der in einer Gegend vorkommenden Thiere nicht ſo erheblich und charakteriſtiſch, um eine eigene Race aufſtellen zu können, ſo faßt man ſie unter der Bezeichnung Schlag zuſammen, welcher Ausdruck übrigens auch zur Bezeichnung der durch-
1) Charles Darwin, Ueber den Urſprung der Arten durch natürliche Auswahl oder Erhaltung der begünſtigten Racen im Kampfe um’s Daſein. Aus dem Engliſchen überſetzt von H. G. Bronn, 5. Aufl., Stuttgart 1872, und Charles Darwin, Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zuſtande der Domeſtication. Aus dem Engliſchen überſetzt von J. Vict. Carus, 2 Bde., Stuttgart 1868.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0046"n="30"/><fwplace="top"type="header">Allgemeine Thierzuchtlehre.</fw><lb/>
der Gewinnung von <hirendition="#g">Nutzthieren</hi>, dieſe bei der Gewinnung von <hirendition="#g">Zuchtthieren</hi>.<lb/>
Letzteres höheres Ziel erfordert einen viel größeren Aufwand von Intelligenz und<lb/>
Capital. Mit Bezug auf die Leiſtungsfähigkeit kann der Zweck der Züchtung je nach<lb/>
der verſchiedenen Thierart entweder auf die Nutzung durch Arbeitsleiſtung, auf die<lb/>
Gewinnung von Milch, Fleiſch und Fett, von Wolle ꝛc., oder auf die Vereinigung<lb/>
einiger oder mehrerer Nutzungseigenſchaften gerichtet ſein. Die Züchtung ſchafft jedoch<lb/>
immer nur eine unerläßliche Vorbedingung, welcher die entſprechende Haltung und<lb/>
Fütterung nach zu folgen hat, ſoll das angeſtrebte Ziel erreicht werden.</p></div><lb/><divn="5"><head><hirendition="#b">2. Der Racebegriff.</hi></head><lb/><p>Um die Unterſcheidung der einzelnen organiſchen Weſen zu ermöglichen iſt eine Zu-<lb/>ſammenfaſſung derſelben in Gruppen je nach ihren gemeinſchaftlichen Eigenſchaften<lb/>
erforderlich. Die Individuen werden demnach in Reiche, Claſſen, Ordnungen, Familien,<lb/>
Gattungen (Sippen oder Geſchlechter) und in Arten eingereiht. Die Arten umfaſſen alle<lb/>
jene Einzelweſen, welche ſich gleichen und untereinander fruchtbar fortpflanzen; ſie ſind<lb/>
jedoch nach den Forſchungen Charles Darwin’s<noteplace="foot"n="1)">Charles Darwin, Ueber den Urſprung der Arten durch natürliche Auswahl oder<lb/>
Erhaltung der begünſtigten Racen im Kampfe um’s Daſein. Aus dem Engliſchen überſetzt<lb/>
von H. G. Bronn, 5. Aufl., Stuttgart 1872, und Charles Darwin, Das Variiren der<lb/>
Thiere und Pflanzen im Zuſtande der Domeſtication. Aus dem Engliſchen überſetzt von<lb/>
J. Vict. Carus, 2 Bde., Stuttgart 1868.</note> nicht unabänderlich, ſondern erleiden<lb/>
durch äußere auf ſie einwirkende Umſtände und die natürliche Auswahl im Kampfe<lb/>
um’s Daſein in langen Zeiträumen mannigfaltige Abänderungen, die aus der<lb/>
urſprünglich einen Art zur Bildung einer Spielart, einer Abart und ſelbſt einer<lb/>
neuen Art führen.</p><lb/><p>Der Landwirth geht in der Unterſcheidung noch weiter, indem er in der Art<lb/>
auch noch Abarten oder Racen, Schläge, Spielarten, Stämme, Zuchten, Familien und<lb/>
endlich die Individuen unterſcheidet. Dieſe Unterabtheilungen ſind jedoch noch viel<lb/>
weniger als die Art oder ſelbſt noch die Race als etwas Unabänderliches anzuſehen,<lb/>ſie weiſen vielmehr die verſchiedenſten Uebergänge auf. Es läßt ſich daher für<lb/>
dieſelben kaum eine allgemein giltige Definition feſtſtellen.</p><lb/><p>Mit dem Ausdrucke <hirendition="#g">„Race“</hi> bezeichnet man die Geſammtheit von Thieren<lb/>
einer Art, welche ſich durch ihre Körperformen und ihre Nutzungseigenſchaften von<lb/>
Anderen auffallend unterſcheiden und dieſe Eigenſchaften ſelbſt dann auch auf ihre Nach-<lb/>
kommenſchaft übertragen, wenn ſie unter andere äußere Einflüſſe kommen, als in<lb/>
ihrer Heimath beſtehen. Thierindividuen, welche einer anerkannten Race angehören,<lb/>
werden als <hirendition="#g">Racethiere</hi> und wenn ſie von dem Orte ihres natürlichen Vorkommens<lb/>
genommen werden, als <hirendition="#g">Originalracethiere</hi> bezeichnet. Sind die Eigenſchaften<lb/>
der in einer Gegend vorkommenden Thiere nicht ſo erheblich und charakteriſtiſch, um<lb/>
eine eigene Race aufſtellen zu können, ſo faßt man ſie unter der Bezeichnung<lb/><hirendition="#g">Schlag</hi> zuſammen, welcher Ausdruck übrigens auch zur Bezeichnung der durch-<lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[30/0046]
Allgemeine Thierzuchtlehre.
der Gewinnung von Nutzthieren, dieſe bei der Gewinnung von Zuchtthieren.
Letzteres höheres Ziel erfordert einen viel größeren Aufwand von Intelligenz und
Capital. Mit Bezug auf die Leiſtungsfähigkeit kann der Zweck der Züchtung je nach
der verſchiedenen Thierart entweder auf die Nutzung durch Arbeitsleiſtung, auf die
Gewinnung von Milch, Fleiſch und Fett, von Wolle ꝛc., oder auf die Vereinigung
einiger oder mehrerer Nutzungseigenſchaften gerichtet ſein. Die Züchtung ſchafft jedoch
immer nur eine unerläßliche Vorbedingung, welcher die entſprechende Haltung und
Fütterung nach zu folgen hat, ſoll das angeſtrebte Ziel erreicht werden.
2. Der Racebegriff.
Um die Unterſcheidung der einzelnen organiſchen Weſen zu ermöglichen iſt eine Zu-
ſammenfaſſung derſelben in Gruppen je nach ihren gemeinſchaftlichen Eigenſchaften
erforderlich. Die Individuen werden demnach in Reiche, Claſſen, Ordnungen, Familien,
Gattungen (Sippen oder Geſchlechter) und in Arten eingereiht. Die Arten umfaſſen alle
jene Einzelweſen, welche ſich gleichen und untereinander fruchtbar fortpflanzen; ſie ſind
jedoch nach den Forſchungen Charles Darwin’s 1) nicht unabänderlich, ſondern erleiden
durch äußere auf ſie einwirkende Umſtände und die natürliche Auswahl im Kampfe
um’s Daſein in langen Zeiträumen mannigfaltige Abänderungen, die aus der
urſprünglich einen Art zur Bildung einer Spielart, einer Abart und ſelbſt einer
neuen Art führen.
Der Landwirth geht in der Unterſcheidung noch weiter, indem er in der Art
auch noch Abarten oder Racen, Schläge, Spielarten, Stämme, Zuchten, Familien und
endlich die Individuen unterſcheidet. Dieſe Unterabtheilungen ſind jedoch noch viel
weniger als die Art oder ſelbſt noch die Race als etwas Unabänderliches anzuſehen,
ſie weiſen vielmehr die verſchiedenſten Uebergänge auf. Es läßt ſich daher für
dieſelben kaum eine allgemein giltige Definition feſtſtellen.
Mit dem Ausdrucke „Race“ bezeichnet man die Geſammtheit von Thieren
einer Art, welche ſich durch ihre Körperformen und ihre Nutzungseigenſchaften von
Anderen auffallend unterſcheiden und dieſe Eigenſchaften ſelbſt dann auch auf ihre Nach-
kommenſchaft übertragen, wenn ſie unter andere äußere Einflüſſe kommen, als in
ihrer Heimath beſtehen. Thierindividuen, welche einer anerkannten Race angehören,
werden als Racethiere und wenn ſie von dem Orte ihres natürlichen Vorkommens
genommen werden, als Originalracethiere bezeichnet. Sind die Eigenſchaften
der in einer Gegend vorkommenden Thiere nicht ſo erheblich und charakteriſtiſch, um
eine eigene Race aufſtellen zu können, ſo faßt man ſie unter der Bezeichnung
Schlag zuſammen, welcher Ausdruck übrigens auch zur Bezeichnung der durch-
1) Charles Darwin, Ueber den Urſprung der Arten durch natürliche Auswahl oder
Erhaltung der begünſtigten Racen im Kampfe um’s Daſein. Aus dem Engliſchen überſetzt
von H. G. Bronn, 5. Aufl., Stuttgart 1872, und Charles Darwin, Das Variiren der
Thiere und Pflanzen im Zuſtande der Domeſtication. Aus dem Engliſchen überſetzt von
J. Vict. Carus, 2 Bde., Stuttgart 1868.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 3. Berlin, 1876, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft03_1876/46>, abgerufen am 20.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.