Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 3. Berlin, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite
Besondere Thierzuchtlehre.

Das Absetzen des Kalbes nach der sechsten, achten Woche muß allmählig vor-
genommen werden, um jeden Körperverlust hintanzuhalten. An Stelle der kuhwarmen
Milch wird nach und nach abgerahmte süße, weiterhin abgerahmte saure Milch,
Buttermilch oder Molke gegeben. Gleichzeitig reicht man als Ersatz für die Mutter-
milch Kleie, eine Abkochung von Hafermehl, Erbsenschrot, Leinsamen und Oelkuchenmehl.
Für je 1 Kilogr. süßer Milch werden 1 Kilogr. abgenommene Milch und 60 Grm.
Leinsamen gereicht. Ein ausgezeichnetes Kälberfutter gewähren die Malzkeime, welche
nach und nach bis zu 2 Kilogr. per Tag verabreicht werden. Dabei wird das Kalb
nur mehr zweimal, nach 10 Wochen nur einmal zur Kuh geführt, bis es von
derselben getrennt und in einen entlegenen Stall gebracht wird. Schon mit 2 Monat
legt man feines, süßes Heu vor, welches das Kalb spielend zu sich nimmt oder man
treibt es mit der Kuh auf die Weide. Entsprechend dem Abbruche an Milch vermehrt
man die Heuzulage. Mit 31/2 Monaten reicht man dann schon feingestampfte Rüben,
feine Spreu, neben 1--11/2 Kilogr. Heu. Am leichtesten gelingt das Absetzen beim
Auftränken, indem man die Milch verdünnt und an deren Stelle immer mehr Sur-
rogate verabreicht. Um die Ausbildung der Knochen zu befördern, empfiehlt es sich,
fein gedämpftes Knochenmehl bis zu 20 Grm. per Kopf und Tag oder Kreidepuloer
in die Tränke oder auf das Futter zu streuen. Das Absetzen wird wesentlich durch
einen hellen, zugfreien, reinlichen, 15--17°C. warmen Kälber-Stall erleichtert. In
kalten Ställen tritt leicht Durchfall ein.

Bei Weidebetrieb ist das Zulassen der Kühe derart zu regeln, daß der Absatz
der Kälber während des Winters bis Anfang April stattfindet, damit die Kälber mit
den frischmelkenden Kühen gleich auf die Weide getrieben werden können. Bei Stall-
haltung werden die im Sommer fallenden Kälber zu sehr von den Fliegen beunruhigt.

Wie viel Kälber aufzuziehen sind, hängt von der Dauer der Benutzung der
Kühe ab. 100 Kühe erfordern z. B. bei 6jähriger Benutzung den 6. Theil und
ein Plus für die Sterblichkeitsprocente als Nachschub, somit

[Formel 1] + Sterblichkeitsprocent 16 Stück 3jährige Zuchtkalben,
[Formel 2] + " 20 " 2 " "
[Formel 3] + " 24 " 1 " "
in Summa 60 Stück Jungvieh.

Zur Aufzucht wird man nur solche Kälber wählen, welche nach dem Stamm-
register von guten Kühen abstammen. Mißgestaltete Kälber mit enger Brust,
schwachem Körperbaue, Hängebauch, schlechter Beinstellung sind von der Aufzucht aus-
zuschließen, ebenso Zwillingskälber; besonders muß man bei geschlechtlich paarigen
Zwillingen das als Weibchen erscheinende Thier in der Mehrzahl der Fälle und
zwar etwa bei 70 %, als unvollkommen in seinen inneren Geschlechtsorganen, in
einzelnen Fällen sogar als Zwitter und eben deshalb als total unbrauchbar zur
Zucht betrachten. Wird der weibliche Zwilling zuerst geboren, so ist mit mehr

Beſondere Thierzuchtlehre.

Das Abſetzen des Kalbes nach der ſechſten, achten Woche muß allmählig vor-
genommen werden, um jeden Körperverluſt hintanzuhalten. An Stelle der kuhwarmen
Milch wird nach und nach abgerahmte ſüße, weiterhin abgerahmte ſaure Milch,
Buttermilch oder Molke gegeben. Gleichzeitig reicht man als Erſatz für die Mutter-
milch Kleie, eine Abkochung von Hafermehl, Erbſenſchrot, Leinſamen und Oelkuchenmehl.
Für je 1 Kilogr. ſüßer Milch werden 1 Kilogr. abgenommene Milch und 60 Grm.
Leinſamen gereicht. Ein ausgezeichnetes Kälberfutter gewähren die Malzkeime, welche
nach und nach bis zu 2 Kilogr. per Tag verabreicht werden. Dabei wird das Kalb
nur mehr zweimal, nach 10 Wochen nur einmal zur Kuh geführt, bis es von
derſelben getrennt und in einen entlegenen Stall gebracht wird. Schon mit 2 Monat
legt man feines, ſüßes Heu vor, welches das Kalb ſpielend zu ſich nimmt oder man
treibt es mit der Kuh auf die Weide. Entſprechend dem Abbruche an Milch vermehrt
man die Heuzulage. Mit 3½ Monaten reicht man dann ſchon feingeſtampfte Rüben,
feine Spreu, neben 1—1½ Kilogr. Heu. Am leichteſten gelingt das Abſetzen beim
Auftränken, indem man die Milch verdünnt und an deren Stelle immer mehr Sur-
rogate verabreicht. Um die Ausbildung der Knochen zu befördern, empfiehlt es ſich,
fein gedämpftes Knochenmehl bis zu 20 Grm. per Kopf und Tag oder Kreidepuloer
in die Tränke oder auf das Futter zu ſtreuen. Das Abſetzen wird weſentlich durch
einen hellen, zugfreien, reinlichen, 15—17°C. warmen Kälber-Stall erleichtert. In
kalten Ställen tritt leicht Durchfall ein.

Bei Weidebetrieb iſt das Zulaſſen der Kühe derart zu regeln, daß der Abſatz
der Kälber während des Winters bis Anfang April ſtattfindet, damit die Kälber mit
den friſchmelkenden Kühen gleich auf die Weide getrieben werden können. Bei Stall-
haltung werden die im Sommer fallenden Kälber zu ſehr von den Fliegen beunruhigt.

Wie viel Kälber aufzuziehen ſind, hängt von der Dauer der Benutzung der
Kühe ab. 100 Kühe erfordern z. B. bei 6jähriger Benutzung den 6. Theil und
ein Plus für die Sterblichkeitsprocente als Nachſchub, ſomit

[Formel 1] + Sterblichkeitsprocent 16 Stück 3jährige Zuchtkalben,
[Formel 2] + „ 20 „ 2 „ „
[Formel 3] + „ 24 „ 1 „ „
in Summa 60 Stück Jungvieh.

Zur Aufzucht wird man nur ſolche Kälber wählen, welche nach dem Stamm-
regiſter von guten Kühen abſtammen. Mißgeſtaltete Kälber mit enger Bruſt,
ſchwachem Körperbaue, Hängebauch, ſchlechter Beinſtellung ſind von der Aufzucht aus-
zuſchließen, ebenſo Zwillingskälber; beſonders muß man bei geſchlechtlich paarigen
Zwillingen das als Weibchen erſcheinende Thier in der Mehrzahl der Fälle und
zwar etwa bei 70 %, als unvollkommen in ſeinen inneren Geſchlechtsorganen, in
einzelnen Fällen ſogar als Zwitter und eben deshalb als total unbrauchbar zur
Zucht betrachten. Wird der weibliche Zwilling zuerſt geboren, ſo iſt mit mehr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <pb facs="#f0136" n="120"/>
                <fw place="top" type="header">Be&#x017F;ondere Thierzuchtlehre.</fw><lb/>
                <p>Das Ab&#x017F;etzen des Kalbes nach der &#x017F;ech&#x017F;ten, achten Woche muß allmählig vor-<lb/>
genommen werden, um jeden Körperverlu&#x017F;t hintanzuhalten. An Stelle der kuhwarmen<lb/>
Milch wird nach und nach abgerahmte &#x017F;üße, weiterhin abgerahmte &#x017F;aure Milch,<lb/>
Buttermilch oder Molke gegeben. Gleichzeitig reicht man als Er&#x017F;atz für die Mutter-<lb/>
milch Kleie, eine Abkochung von Hafermehl, Erb&#x017F;en&#x017F;chrot, Lein&#x017F;amen und Oelkuchenmehl.<lb/>
Für je 1 Kilogr. &#x017F;üßer Milch werden 1 Kilogr. abgenommene Milch und 60 Grm.<lb/>
Lein&#x017F;amen gereicht. Ein ausgezeichnetes Kälberfutter gewähren die Malzkeime, welche<lb/>
nach und nach bis zu 2 Kilogr. per Tag verabreicht werden. Dabei wird das Kalb<lb/>
nur mehr zweimal, nach 10 Wochen nur einmal zur Kuh geführt, bis es von<lb/>
der&#x017F;elben getrennt und in einen entlegenen Stall gebracht wird. Schon mit 2 Monat<lb/>
legt man feines, &#x017F;üßes Heu vor, welches das Kalb &#x017F;pielend zu &#x017F;ich nimmt oder man<lb/>
treibt es mit der Kuh auf die Weide. Ent&#x017F;prechend dem Abbruche an Milch vermehrt<lb/>
man die Heuzulage. Mit 3½ Monaten reicht man dann &#x017F;chon feinge&#x017F;tampfte Rüben,<lb/>
feine Spreu, neben 1&#x2014;1½ Kilogr. Heu. Am leichte&#x017F;ten gelingt das Ab&#x017F;etzen beim<lb/>
Auftränken, indem man die Milch verdünnt und an deren Stelle immer mehr Sur-<lb/>
rogate verabreicht. Um die Ausbildung der Knochen zu befördern, empfiehlt es &#x017F;ich,<lb/>
fein gedämpftes Knochenmehl bis zu 20 Grm. per Kopf und Tag oder Kreidepuloer<lb/>
in die Tränke oder auf das Futter zu &#x017F;treuen. Das Ab&#x017F;etzen wird we&#x017F;entlich durch<lb/>
einen hellen, zugfreien, reinlichen, 15&#x2014;17°<hi rendition="#aq">C.</hi> warmen Kälber-Stall erleichtert. In<lb/>
kalten Ställen tritt leicht Durchfall ein.</p><lb/>
                <p>Bei Weidebetrieb i&#x017F;t das Zula&#x017F;&#x017F;en der Kühe derart zu regeln, daß der Ab&#x017F;atz<lb/>
der Kälber während des Winters bis Anfang April &#x017F;tattfindet, damit die Kälber mit<lb/>
den fri&#x017F;chmelkenden Kühen gleich auf die Weide getrieben werden können. Bei Stall-<lb/>
haltung werden die im Sommer fallenden Kälber zu &#x017F;ehr von den Fliegen beunruhigt.</p><lb/>
                <p>Wie viel Kälber aufzuziehen &#x017F;ind, hängt von der Dauer der Benutzung der<lb/>
Kühe ab. 100 Kühe erfordern z. B. bei 6jähriger Benutzung den 6. Theil und<lb/>
ein Plus für die Sterblichkeitsprocente als Nach&#x017F;chub, &#x017F;omit</p><lb/>
                <list>
                  <item><formula/> + Sterblichkeitsprocent 16 Stück 3jährige Zuchtkalben,</item><lb/>
                  <item><formula/> + &#x201E; 20 &#x201E; 2 &#x201E; &#x201E;</item><lb/>
                  <item><formula/> + &#x201E; <hi rendition="#u">24 &#x201E;</hi> 1 &#x201E; &#x201E;</item><lb/>
                  <item> <hi rendition="#c">in Summa 60 Stück Jungvieh.</hi> </item>
                </list><lb/>
                <p>Zur Aufzucht wird man nur &#x017F;olche Kälber wählen, welche nach dem Stamm-<lb/>
regi&#x017F;ter von guten Kühen ab&#x017F;tammen. Mißge&#x017F;taltete Kälber mit enger Bru&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;chwachem Körperbaue, Hängebauch, &#x017F;chlechter Bein&#x017F;tellung &#x017F;ind von der Aufzucht aus-<lb/>
zu&#x017F;chließen, eben&#x017F;o Zwillingskälber; be&#x017F;onders muß man bei ge&#x017F;chlechtlich paarigen<lb/>
Zwillingen das als Weibchen er&#x017F;cheinende Thier in der Mehrzahl der Fälle und<lb/>
zwar etwa bei 70 %, als unvollkommen in &#x017F;einen inneren Ge&#x017F;chlechtsorganen, in<lb/>
einzelnen Fällen &#x017F;ogar als Zwitter und eben deshalb als total unbrauchbar zur<lb/>
Zucht betrachten. Wird der weibliche Zwilling zuer&#x017F;t geboren, &#x017F;o i&#x017F;t mit mehr<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0136] Beſondere Thierzuchtlehre. Das Abſetzen des Kalbes nach der ſechſten, achten Woche muß allmählig vor- genommen werden, um jeden Körperverluſt hintanzuhalten. An Stelle der kuhwarmen Milch wird nach und nach abgerahmte ſüße, weiterhin abgerahmte ſaure Milch, Buttermilch oder Molke gegeben. Gleichzeitig reicht man als Erſatz für die Mutter- milch Kleie, eine Abkochung von Hafermehl, Erbſenſchrot, Leinſamen und Oelkuchenmehl. Für je 1 Kilogr. ſüßer Milch werden 1 Kilogr. abgenommene Milch und 60 Grm. Leinſamen gereicht. Ein ausgezeichnetes Kälberfutter gewähren die Malzkeime, welche nach und nach bis zu 2 Kilogr. per Tag verabreicht werden. Dabei wird das Kalb nur mehr zweimal, nach 10 Wochen nur einmal zur Kuh geführt, bis es von derſelben getrennt und in einen entlegenen Stall gebracht wird. Schon mit 2 Monat legt man feines, ſüßes Heu vor, welches das Kalb ſpielend zu ſich nimmt oder man treibt es mit der Kuh auf die Weide. Entſprechend dem Abbruche an Milch vermehrt man die Heuzulage. Mit 3½ Monaten reicht man dann ſchon feingeſtampfte Rüben, feine Spreu, neben 1—1½ Kilogr. Heu. Am leichteſten gelingt das Abſetzen beim Auftränken, indem man die Milch verdünnt und an deren Stelle immer mehr Sur- rogate verabreicht. Um die Ausbildung der Knochen zu befördern, empfiehlt es ſich, fein gedämpftes Knochenmehl bis zu 20 Grm. per Kopf und Tag oder Kreidepuloer in die Tränke oder auf das Futter zu ſtreuen. Das Abſetzen wird weſentlich durch einen hellen, zugfreien, reinlichen, 15—17°C. warmen Kälber-Stall erleichtert. In kalten Ställen tritt leicht Durchfall ein. Bei Weidebetrieb iſt das Zulaſſen der Kühe derart zu regeln, daß der Abſatz der Kälber während des Winters bis Anfang April ſtattfindet, damit die Kälber mit den friſchmelkenden Kühen gleich auf die Weide getrieben werden können. Bei Stall- haltung werden die im Sommer fallenden Kälber zu ſehr von den Fliegen beunruhigt. Wie viel Kälber aufzuziehen ſind, hängt von der Dauer der Benutzung der Kühe ab. 100 Kühe erfordern z. B. bei 6jähriger Benutzung den 6. Theil und ein Plus für die Sterblichkeitsprocente als Nachſchub, ſomit [FORMEL] + Sterblichkeitsprocent 16 Stück 3jährige Zuchtkalben, [FORMEL] + „ 20 „ 2 „ „ [FORMEL] + „ 24 „ 1 „ „ in Summa 60 Stück Jungvieh. Zur Aufzucht wird man nur ſolche Kälber wählen, welche nach dem Stamm- regiſter von guten Kühen abſtammen. Mißgeſtaltete Kälber mit enger Bruſt, ſchwachem Körperbaue, Hängebauch, ſchlechter Beinſtellung ſind von der Aufzucht aus- zuſchließen, ebenſo Zwillingskälber; beſonders muß man bei geſchlechtlich paarigen Zwillingen das als Weibchen erſcheinende Thier in der Mehrzahl der Fälle und zwar etwa bei 70 %, als unvollkommen in ſeinen inneren Geſchlechtsorganen, in einzelnen Fällen ſogar als Zwitter und eben deshalb als total unbrauchbar zur Zucht betrachten. Wird der weibliche Zwilling zuerſt geboren, ſo iſt mit mehr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft03_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft03_1876/136
Zitationshilfe: Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 3. Berlin, 1876, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft03_1876/136>, abgerufen am 16.07.2024.