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Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 2. Berlin, 1876.

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Anhang.

Die erste Art (System St. Paul) wird am seltensten ausgeführt, sie besteht darin, daß
man das Wasser in offenen Gräben zuleitet. Die Bewässerung des Bodens erfolgt dabei
durch das allmählige Versickern und Hineinziehen des Wassers in die Grabenwände. Ab-
gesehen von der Raumverschwendung, welche jederzeit mit der Anlage offener Gräben
verbunden ist, kann auf diesem Wege nur eine Anfeuchtung erzielt werden. Diese Art
der Bewässerung wird daher nur nebenbei bei Grundstücken, welche durch offene Gräben
entwässert werden, durch Absperren der Gräben zur Anwendung gebracht. Bei stärkerem
Gefälle der Gräben führt jedoch ein derartiges Absperren nur zu theilweisen Ver-
sumpfungen des tiefer liegenden Terrains.

Eine regelrechte, gleichmäßige Verwässerung ist dagegen bei oberflächlicher Zu-
führung des Wassers viel sicherer zu erreichen. Bei der oberflächlichen Zuführung
wird das Wasser entweder über eine nahezu horizontale Fläche aufgestaut (Stau-
wiese
, Bewässerung durch Ueberstauung) oder in einer dünnen Schichte über die
geneigte Wiesenfläche fließen gelassen (Rieselwiese) und zwar entweder nach einer
(Hangbau) oder nach zwei entgegengesetzten (Rücken-, Beetbau) Richtungen.
Der Hang oder der Rücken kann entweder erst künstlich geschaffen werden (Kunst-
wiesenbau
) oder er liegt schon vor und wird entsprechend benutzt (natürlicher
Bau, rationelles Wiesenbausystem
, auch wilde Bewässerung genannt).

Bei der Ueberrieselung wird durch eine Anzahl Gräben, den Zuleitungsgräben,
den Vertheilungsgräben und schließlich den Rieselrinnen ein bestimmtes, verfügbares
Wasserquantum möglichst gleichmäßig auf die Oberfläche der Wiese gebracht. Der
Ueberschuß an Wasser, welchen der Boden der bewässerten Fläche nicht mehr auf-
nimmt, wird durch oberflächlich gezogene Auffangegräben dem Abzugsgraben zu-
geführt. Die Entwässerung erstreckt sich daher nur auf die Abführung desjenigen
Wassers, welches von dem Boden nicht mehr aufgenommen werden kann; dieser
selbst kann nur wieder durch Sistirung der Bewässerung allmählig abtrocknen. Bei
fehlerhafter Durchführung der Bewässerung kann deshalb die Wiese leicht zu
Schaden kommen.

Diesem angeführten Uebelstande wird durch die dritte Art der Bewässerung,
der Petersen'schen Drainbewässerung, welche sowohl ober- als unterirdisch
das Wasser zuführt, dadurch möglichst abgeholfen, daß das überschüssige Rieselwasser
nicht nur oberflächlich abgeführt wird, sondern auch die ganze Erdschichte der Wiese
einer ausgiebigen Entwässerung durch eine Röhrendrainage, die nach Belieben in oder
außer Thätigkeit gesetzt werden kann, unterzogen wird. Durch die abwechselnde Be-
wässerung und Entwässerung des Bodens erhält der Boden reichlich Gelegenheit, die
im Rieselwasser gelösten Mineralsubstanzen zu absorbiren. Außerdem kann bei der
Drainbewässerung durch Absperren der Saugdrains ein nahezu gleichmäßiges Auf-
steigen des Wassers auf der ganzen Länge des Drainstranges und demnach eine
gleichmäßige, unterirdische Bewässerung erzielt werden. Durch wiederholtes Anstauen
und Ablassen des Wassers erreicht man eine energische Durchlüftung des Bodens,
welche für die Bereitung der Pflanzennahrung von größter Wichtigkeit ist. Nebenbei
ergibt sich bei der Drainbewässerung bei günstigen Gefällsverhältnissen die Möglichkeit,

Anhang.

Die erſte Art (Syſtem St. Paul) wird am ſeltenſten ausgeführt, ſie beſteht darin, daß
man das Waſſer in offenen Gräben zuleitet. Die Bewäſſerung des Bodens erfolgt dabei
durch das allmählige Verſickern und Hineinziehen des Waſſers in die Grabenwände. Ab-
geſehen von der Raumverſchwendung, welche jederzeit mit der Anlage offener Gräben
verbunden iſt, kann auf dieſem Wege nur eine Anfeuchtung erzielt werden. Dieſe Art
der Bewäſſerung wird daher nur nebenbei bei Grundſtücken, welche durch offene Gräben
entwäſſert werden, durch Abſperren der Gräben zur Anwendung gebracht. Bei ſtärkerem
Gefälle der Gräben führt jedoch ein derartiges Abſperren nur zu theilweiſen Ver-
ſumpfungen des tiefer liegenden Terrains.

Eine regelrechte, gleichmäßige Verwäſſerung iſt dagegen bei oberflächlicher Zu-
führung des Waſſers viel ſicherer zu erreichen. Bei der oberflächlichen Zuführung
wird das Waſſer entweder über eine nahezu horizontale Fläche aufgeſtaut (Stau-
wieſe
, Bewäſſerung durch Ueberſtauung) oder in einer dünnen Schichte über die
geneigte Wieſenfläche fließen gelaſſen (Rieſelwieſe) und zwar entweder nach einer
(Hangbau) oder nach zwei entgegengeſetzten (Rücken-, Beetbau) Richtungen.
Der Hang oder der Rücken kann entweder erſt künſtlich geſchaffen werden (Kunſt-
wieſenbau
) oder er liegt ſchon vor und wird entſprechend benutzt (natürlicher
Bau, rationelles Wieſenbauſyſtem
, auch wilde Bewäſſerung genannt).

Bei der Ueberrieſelung wird durch eine Anzahl Gräben, den Zuleitungsgräben,
den Vertheilungsgräben und ſchließlich den Rieſelrinnen ein beſtimmtes, verfügbares
Waſſerquantum möglichſt gleichmäßig auf die Oberfläche der Wieſe gebracht. Der
Ueberſchuß an Waſſer, welchen der Boden der bewäſſerten Fläche nicht mehr auf-
nimmt, wird durch oberflächlich gezogene Auffangegräben dem Abzugsgraben zu-
geführt. Die Entwäſſerung erſtreckt ſich daher nur auf die Abführung desjenigen
Waſſers, welches von dem Boden nicht mehr aufgenommen werden kann; dieſer
ſelbſt kann nur wieder durch Siſtirung der Bewäſſerung allmählig abtrocknen. Bei
fehlerhafter Durchführung der Bewäſſerung kann deshalb die Wieſe leicht zu
Schaden kommen.

Dieſem angeführten Uebelſtande wird durch die dritte Art der Bewäſſerung,
der Peterſen’ſchen Drainbewäſſerung, welche ſowohl ober- als unterirdiſch
das Waſſer zuführt, dadurch möglichſt abgeholfen, daß das überſchüſſige Rieſelwaſſer
nicht nur oberflächlich abgeführt wird, ſondern auch die ganze Erdſchichte der Wieſe
einer ausgiebigen Entwäſſerung durch eine Röhrendrainage, die nach Belieben in oder
außer Thätigkeit geſetzt werden kann, unterzogen wird. Durch die abwechſelnde Be-
wäſſerung und Entwäſſerung des Bodens erhält der Boden reichlich Gelegenheit, die
im Rieſelwaſſer gelöſten Mineralſubſtanzen zu abſorbiren. Außerdem kann bei der
Drainbewäſſerung durch Abſperren der Saugdrains ein nahezu gleichmäßiges Auf-
ſteigen des Waſſers auf der ganzen Länge des Drainſtranges und demnach eine
gleichmäßige, unterirdiſche Bewäſſerung erzielt werden. Durch wiederholtes Anſtauen
und Ablaſſen des Waſſers erreicht man eine energiſche Durchlüftung des Bodens,
welche für die Bereitung der Pflanzennahrung von größter Wichtigkeit iſt. Nebenbei
ergibt ſich bei der Drainbewäſſerung bei günſtigen Gefällsverhältniſſen die Möglichkeit,

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[234/0248] Anhang. Die erſte Art (Syſtem St. Paul) wird am ſeltenſten ausgeführt, ſie beſteht darin, daß man das Waſſer in offenen Gräben zuleitet. Die Bewäſſerung des Bodens erfolgt dabei durch das allmählige Verſickern und Hineinziehen des Waſſers in die Grabenwände. Ab- geſehen von der Raumverſchwendung, welche jederzeit mit der Anlage offener Gräben verbunden iſt, kann auf dieſem Wege nur eine Anfeuchtung erzielt werden. Dieſe Art der Bewäſſerung wird daher nur nebenbei bei Grundſtücken, welche durch offene Gräben entwäſſert werden, durch Abſperren der Gräben zur Anwendung gebracht. Bei ſtärkerem Gefälle der Gräben führt jedoch ein derartiges Abſperren nur zu theilweiſen Ver- ſumpfungen des tiefer liegenden Terrains. Eine regelrechte, gleichmäßige Verwäſſerung iſt dagegen bei oberflächlicher Zu- führung des Waſſers viel ſicherer zu erreichen. Bei der oberflächlichen Zuführung wird das Waſſer entweder über eine nahezu horizontale Fläche aufgeſtaut (Stau- wieſe, Bewäſſerung durch Ueberſtauung) oder in einer dünnen Schichte über die geneigte Wieſenfläche fließen gelaſſen (Rieſelwieſe) und zwar entweder nach einer (Hangbau) oder nach zwei entgegengeſetzten (Rücken-, Beetbau) Richtungen. Der Hang oder der Rücken kann entweder erſt künſtlich geſchaffen werden (Kunſt- wieſenbau) oder er liegt ſchon vor und wird entſprechend benutzt (natürlicher Bau, rationelles Wieſenbauſyſtem, auch wilde Bewäſſerung genannt). Bei der Ueberrieſelung wird durch eine Anzahl Gräben, den Zuleitungsgräben, den Vertheilungsgräben und ſchließlich den Rieſelrinnen ein beſtimmtes, verfügbares Waſſerquantum möglichſt gleichmäßig auf die Oberfläche der Wieſe gebracht. Der Ueberſchuß an Waſſer, welchen der Boden der bewäſſerten Fläche nicht mehr auf- nimmt, wird durch oberflächlich gezogene Auffangegräben dem Abzugsgraben zu- geführt. Die Entwäſſerung erſtreckt ſich daher nur auf die Abführung desjenigen Waſſers, welches von dem Boden nicht mehr aufgenommen werden kann; dieſer ſelbſt kann nur wieder durch Siſtirung der Bewäſſerung allmählig abtrocknen. Bei fehlerhafter Durchführung der Bewäſſerung kann deshalb die Wieſe leicht zu Schaden kommen. Dieſem angeführten Uebelſtande wird durch die dritte Art der Bewäſſerung, der Peterſen’ſchen Drainbewäſſerung, welche ſowohl ober- als unterirdiſch das Waſſer zuführt, dadurch möglichſt abgeholfen, daß das überſchüſſige Rieſelwaſſer nicht nur oberflächlich abgeführt wird, ſondern auch die ganze Erdſchichte der Wieſe einer ausgiebigen Entwäſſerung durch eine Röhrendrainage, die nach Belieben in oder außer Thätigkeit geſetzt werden kann, unterzogen wird. Durch die abwechſelnde Be- wäſſerung und Entwäſſerung des Bodens erhält der Boden reichlich Gelegenheit, die im Rieſelwaſſer gelöſten Mineralſubſtanzen zu abſorbiren. Außerdem kann bei der Drainbewäſſerung durch Abſperren der Saugdrains ein nahezu gleichmäßiges Auf- ſteigen des Waſſers auf der ganzen Länge des Drainſtranges und demnach eine gleichmäßige, unterirdiſche Bewäſſerung erzielt werden. Durch wiederholtes Anſtauen und Ablaſſen des Waſſers erreicht man eine energiſche Durchlüftung des Bodens, welche für die Bereitung der Pflanzennahrung von größter Wichtigkeit iſt. Nebenbei ergibt ſich bei der Drainbewäſſerung bei günſtigen Gefällsverhältniſſen die Möglichkeit,

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Zitationshilfe: Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 2. Berlin, 1876, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft02_1876/248>, abgerufen am 22.11.2024.