Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 2. Berlin, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Mehlfrüchte.
I.
Die Mehlfrüchte.

Die Mehl-, Getreide- oder Körnerfrüchte werden vorzugsweise wegen ihrer
Samen angebaut. Die Samen dieser Pflanzen enthalten neben großen Mengen
von stickstofffreien Nährstoffen, 7.8 (Reis) bis 13.2 % (Weizen) Proteinstoffe. Be-
sonders reich sind sie an Stärkemehl, von welchem der Reis den größten (74.5 %)
der Hafer den kleinsten (56.6 %) durchschnittlichen Gehalt besitzt. Der größte Theil der
Mehlfrüchte -- die Cerealien, Halmfrüchte oder Hauptbrodfrüchte -- dient zur Ernährung
der menschlichen Bevölkerung. Durch den Anbau der Cerealien wird von derselben
Fläche nahezu die vierfache Menge an stickstoffhaltigen Nährstoffen als wie durch den
Futterbau und die Gewinnung von Fleisch producirt. Außerdem liefern die Körner
im rohen oder verarbeiteten Zustande ein sehr werthvolles Viehfutter und das Roh-
material zur Bier-, Branntwein- und Stärkefabrication. Durch letztere Verwendungs-
art erlangen die Getreidefrüchte auch annähernd die Bedeutung von Fabrikspflanzen.
Nebenbei erhält man von den Getreidepflanzen Stroh, welches als Streu- und
Futtermaterial für die Nutzthiere oder zu verschiedenen anderen Zwecken verwendet wird.

Gegenwärtig wird die Cultur der Getreidepflanzen am ausgedehntesten in Ländern
betrieben, deren Cultur noch weniger entwickelt ist. Die Gebiete von Südrußland,
Nordamerika und Ungarn sind daher als die Getreidekammern für die übrige civili-
sirte Welt anzusehen. Ursache dieser Erscheinung ist nicht nur die einfache Cultur,
die Eignung für fast alle Bodenarten und die geringen Ansprüche an das Klima,
sondern auch bei dem geringen Wassergehalte (12--14 %) der Körner die Möglich-
keit der leichten Transportirung und Aufbewahrung der Letzteren.

Am häufigsten werden von den Mehlfrüchten in Mitteleuropa angebaut, aus der
Familie der
Gramineen: der Weizen (Triticum), der Roggen (Secale cereale L.),
die Gerste (Hordeum), der Hafer (Avena), der Reis
(Oryza sativa L.), der Mais (Zea Mais L.), die Mohren-
hirse
(Sorghum vulgare Pers.), die Hirse (Panicum
miliaceum L.
).
Polygoneen: der Buchweizen (Polygonum fagopyrum L.).

Außerdem gelangen noch Gemenge verschiedener Mehlfrüchte als Mengsaaten
zum Anbaue.

1. Der Weizen.

Der Weizen unterscheidet sich von den übrigen Getreidearten durch seine mehr-
blüthigen Aehrchen. Am häufigsten finden sich in einem Aehrchen zwei, öfter drei
und bis zu fünf Blüthen. Die Frucht ist entweder, wie bei dem eigentlichen
Weizen
, nackt oder, wie bei dem Spelzweizen, derart mit den Spelzen vereinigt,

Die Mehlfrüchte.
I.
Die Mehlfrüchte.

Die Mehl-, Getreide- oder Körnerfrüchte werden vorzugsweiſe wegen ihrer
Samen angebaut. Die Samen dieſer Pflanzen enthalten neben großen Mengen
von ſtickſtofffreien Nährſtoffen, 7.8 (Reis) bis 13.2 % (Weizen) Proteïnſtoffe. Be-
ſonders reich ſind ſie an Stärkemehl, von welchem der Reis den größten (74.5 %)
der Hafer den kleinſten (56.6 %) durchſchnittlichen Gehalt beſitzt. Der größte Theil der
Mehlfrüchte — die Cerealien, Halmfrüchte oder Hauptbrodfrüchte — dient zur Ernährung
der menſchlichen Bevölkerung. Durch den Anbau der Cerealien wird von derſelben
Fläche nahezu die vierfache Menge an ſtickſtoffhaltigen Nährſtoffen als wie durch den
Futterbau und die Gewinnung von Fleiſch producirt. Außerdem liefern die Körner
im rohen oder verarbeiteten Zuſtande ein ſehr werthvolles Viehfutter und das Roh-
material zur Bier-, Branntwein- und Stärkefabrication. Durch letztere Verwendungs-
art erlangen die Getreidefrüchte auch annähernd die Bedeutung von Fabrikspflanzen.
Nebenbei erhält man von den Getreidepflanzen Stroh, welches als Streu- und
Futtermaterial für die Nutzthiere oder zu verſchiedenen anderen Zwecken verwendet wird.

Gegenwärtig wird die Cultur der Getreidepflanzen am ausgedehnteſten in Ländern
betrieben, deren Cultur noch weniger entwickelt iſt. Die Gebiete von Südrußland,
Nordamerika und Ungarn ſind daher als die Getreidekammern für die übrige civili-
ſirte Welt anzuſehen. Urſache dieſer Erſcheinung iſt nicht nur die einfache Cultur,
die Eignung für faſt alle Bodenarten und die geringen Anſprüche an das Klima,
ſondern auch bei dem geringen Waſſergehalte (12—14 %) der Körner die Möglich-
keit der leichten Transportirung und Aufbewahrung der Letzteren.

Am häufigſten werden von den Mehlfrüchten in Mitteleuropa angebaut, aus der
Familie der
Gramineen: der Weizen (Triticum), der Roggen (Secale cereale L.),
die Gerſte (Hordeum), der Hafer (Avena), der Reis
(Oryza sativa L.), der Mais (Zea Mais L.), die Mohren-
hirſe
(Sorghum vulgare Pers.), die Hirſe (Panicum
miliaceum L.
).
Polygoneen: der Buchweizen (Polygonum fagopyrum L.).

Außerdem gelangen noch Gemenge verſchiedener Mehlfrüchte als Mengſaaten
zum Anbaue.

1. Der Weizen.

Der Weizen unterſcheidet ſich von den übrigen Getreidearten durch ſeine mehr-
blüthigen Aehrchen. Am häufigſten finden ſich in einem Aehrchen zwei, öfter drei
und bis zu fünf Blüthen. Die Frucht iſt entweder, wie bei dem eigentlichen
Weizen
, nackt oder, wie bei dem Spelzweizen, derart mit den Spelzen vereinigt,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0019" n="5"/>
        <fw place="top" type="header">Die Mehlfrüchte.</fw><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">I.</hi><lb/> <hi rendition="#b">Die Mehlfrüchte.</hi> </head><lb/>
          <p>Die Mehl-, Getreide- oder Körnerfrüchte werden vorzugswei&#x017F;e wegen ihrer<lb/>
Samen angebaut. Die Samen die&#x017F;er Pflanzen enthalten neben großen Mengen<lb/>
von &#x017F;tick&#x017F;tofffreien Nähr&#x017F;toffen, 7.8 (Reis) bis 13.2 % (Weizen) Prote<hi rendition="#aq">ï</hi>n&#x017F;toffe. Be-<lb/>
&#x017F;onders reich &#x017F;ind &#x017F;ie an Stärkemehl, von welchem der Reis den größten (74.5 %)<lb/>
der Hafer den klein&#x017F;ten (56.6 %) durch&#x017F;chnittlichen Gehalt be&#x017F;itzt. Der größte Theil der<lb/>
Mehlfrüchte &#x2014; die Cerealien, Halmfrüchte oder Hauptbrodfrüchte &#x2014; dient zur Ernährung<lb/>
der men&#x017F;chlichen Bevölkerung. Durch den Anbau der Cerealien wird von der&#x017F;elben<lb/>
Fläche nahezu die vierfache Menge an &#x017F;tick&#x017F;toffhaltigen Nähr&#x017F;toffen als wie durch den<lb/>
Futterbau und die Gewinnung von Flei&#x017F;ch producirt. Außerdem liefern die Körner<lb/>
im rohen oder verarbeiteten Zu&#x017F;tande ein &#x017F;ehr werthvolles Viehfutter und das Roh-<lb/>
material zur Bier-, Branntwein- und Stärkefabrication. Durch letztere Verwendungs-<lb/>
art erlangen die Getreidefrüchte auch annähernd die Bedeutung von Fabrikspflanzen.<lb/>
Nebenbei erhält man von den Getreidepflanzen Stroh, welches als Streu- und<lb/>
Futtermaterial für die Nutzthiere oder zu ver&#x017F;chiedenen anderen Zwecken verwendet wird.</p><lb/>
          <p>Gegenwärtig wird die Cultur der Getreidepflanzen am ausgedehnte&#x017F;ten in Ländern<lb/>
betrieben, deren Cultur noch weniger entwickelt i&#x017F;t. Die Gebiete von Südrußland,<lb/>
Nordamerika und Ungarn &#x017F;ind daher als die Getreidekammern für die übrige civili-<lb/>
&#x017F;irte Welt anzu&#x017F;ehen. Ur&#x017F;ache die&#x017F;er Er&#x017F;cheinung i&#x017F;t nicht nur die einfache Cultur,<lb/>
die Eignung für fa&#x017F;t alle Bodenarten und die geringen An&#x017F;prüche an das Klima,<lb/>
&#x017F;ondern auch bei dem geringen Wa&#x017F;&#x017F;ergehalte (12&#x2014;14 %) der Körner die Möglich-<lb/>
keit der leichten Transportirung und Aufbewahrung der Letzteren.</p><lb/>
          <p>Am häufig&#x017F;ten werden von den Mehlfrüchten in Mitteleuropa angebaut, aus der<lb/>
Familie der<lb/><hi rendition="#g">Gramineen:</hi> der <hi rendition="#g">Weizen</hi> (<hi rendition="#aq">Triticum</hi>), der <hi rendition="#g">Roggen</hi> (<hi rendition="#aq">Secale cereale L.</hi>),<lb/>
die <hi rendition="#g">Ger&#x017F;te</hi> (<hi rendition="#aq">Hordeum</hi>), der <hi rendition="#g">Hafer</hi> (<hi rendition="#aq">Avena</hi>), der <hi rendition="#g">Reis</hi><lb/>
(<hi rendition="#aq">Oryza sativa L.</hi>), der <hi rendition="#g">Mais</hi> (<hi rendition="#aq">Zea Mais L.</hi>), die <hi rendition="#g">Mohren-<lb/>
hir&#x017F;e</hi> (<hi rendition="#aq">Sorghum vulgare Pers.</hi>), die <hi rendition="#g">Hir&#x017F;e</hi> (<hi rendition="#aq">Panicum<lb/>
miliaceum L.</hi>).<lb/><hi rendition="#g">Polygoneen:</hi> der <hi rendition="#g">Buchweizen</hi> (<hi rendition="#aq">Polygonum fagopyrum L.</hi>).</p><lb/>
          <p>Außerdem gelangen noch Gemenge ver&#x017F;chiedener Mehlfrüchte als <hi rendition="#g">Meng&#x017F;aaten</hi><lb/>
zum Anbaue.</p><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">1. Der Weizen.</hi> </head><lb/>
            <p>Der Weizen unter&#x017F;cheidet &#x017F;ich von den übrigen Getreidearten durch &#x017F;eine mehr-<lb/>
blüthigen Aehrchen. Am häufig&#x017F;ten finden &#x017F;ich in einem Aehrchen zwei, öfter drei<lb/>
und bis zu fünf Blüthen. Die Frucht i&#x017F;t entweder, wie bei dem <hi rendition="#g">eigentlichen<lb/>
Weizen</hi>, nackt oder, wie bei dem <hi rendition="#g">Spelzweizen</hi>, derart mit den Spelzen vereinigt,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[5/0019] Die Mehlfrüchte. I. Die Mehlfrüchte. Die Mehl-, Getreide- oder Körnerfrüchte werden vorzugsweiſe wegen ihrer Samen angebaut. Die Samen dieſer Pflanzen enthalten neben großen Mengen von ſtickſtofffreien Nährſtoffen, 7.8 (Reis) bis 13.2 % (Weizen) Proteïnſtoffe. Be- ſonders reich ſind ſie an Stärkemehl, von welchem der Reis den größten (74.5 %) der Hafer den kleinſten (56.6 %) durchſchnittlichen Gehalt beſitzt. Der größte Theil der Mehlfrüchte — die Cerealien, Halmfrüchte oder Hauptbrodfrüchte — dient zur Ernährung der menſchlichen Bevölkerung. Durch den Anbau der Cerealien wird von derſelben Fläche nahezu die vierfache Menge an ſtickſtoffhaltigen Nährſtoffen als wie durch den Futterbau und die Gewinnung von Fleiſch producirt. Außerdem liefern die Körner im rohen oder verarbeiteten Zuſtande ein ſehr werthvolles Viehfutter und das Roh- material zur Bier-, Branntwein- und Stärkefabrication. Durch letztere Verwendungs- art erlangen die Getreidefrüchte auch annähernd die Bedeutung von Fabrikspflanzen. Nebenbei erhält man von den Getreidepflanzen Stroh, welches als Streu- und Futtermaterial für die Nutzthiere oder zu verſchiedenen anderen Zwecken verwendet wird. Gegenwärtig wird die Cultur der Getreidepflanzen am ausgedehnteſten in Ländern betrieben, deren Cultur noch weniger entwickelt iſt. Die Gebiete von Südrußland, Nordamerika und Ungarn ſind daher als die Getreidekammern für die übrige civili- ſirte Welt anzuſehen. Urſache dieſer Erſcheinung iſt nicht nur die einfache Cultur, die Eignung für faſt alle Bodenarten und die geringen Anſprüche an das Klima, ſondern auch bei dem geringen Waſſergehalte (12—14 %) der Körner die Möglich- keit der leichten Transportirung und Aufbewahrung der Letzteren. Am häufigſten werden von den Mehlfrüchten in Mitteleuropa angebaut, aus der Familie der Gramineen: der Weizen (Triticum), der Roggen (Secale cereale L.), die Gerſte (Hordeum), der Hafer (Avena), der Reis (Oryza sativa L.), der Mais (Zea Mais L.), die Mohren- hirſe (Sorghum vulgare Pers.), die Hirſe (Panicum miliaceum L.). Polygoneen: der Buchweizen (Polygonum fagopyrum L.). Außerdem gelangen noch Gemenge verſchiedener Mehlfrüchte als Mengſaaten zum Anbaue. 1. Der Weizen. Der Weizen unterſcheidet ſich von den übrigen Getreidearten durch ſeine mehr- blüthigen Aehrchen. Am häufigſten finden ſich in einem Aehrchen zwei, öfter drei und bis zu fünf Blüthen. Die Frucht iſt entweder, wie bei dem eigentlichen Weizen, nackt oder, wie bei dem Spelzweizen, derart mit den Spelzen vereinigt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft02_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft02_1876/19
Zitationshilfe: Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 2. Berlin, 1876, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft02_1876/19>, abgerufen am 20.11.2024.