Unter den langen Reactionen sind demnach die Wörter mit langen Vocalen, mit schwachem Anlaut und starkem Auslaut etwas häufiger. Das ist begreiflich, da in allen diesen Fällen offenbar das Verständniss des Wortes etwas langsamer vor sich gehen muss. Im Ganzen sind aber die Unterschiede auffallend gering, so dass eine be- sondere Rücksichtnahme auf diese Verhältnisse praktisch kaum nöthig erscheint. Die Annahme einer mittleren Sprechdauer für alle Wörter ist daher ziemlich gut gerechtfertigt, und die wahre Wortreactionszeit könnte man somit, wenn man auf die Ermittelung absoluter Werthe ausgeht, wol am besten etwa in der Mitte dieser Sprechdauer be- ginnen lassen.
Die Reactionsbewegung wurde in meinen älteren Versuchen, auch bei Wort- und Associationsreactionen, immer mittelst des einfachen Tasters ausgeführt, in der Weise, wie sie ebenfalls von Trautscholdt ursprünglich geübt worden war. Die Versuchsperson hatte dabei die Aufgabe, erst dann den heruntergedrückten Knopf des Tasters loszu- lassen, wenn der verlangte psychische Act, die Unterscheidung, Association u. s. f. vollendet war. Wie die Erfahrung gelehrt hat, liegen hier schon für die einfache Reaction Fehlerquellen. Grosse Regelmässigkeit in der Aufeinanderfolge zwischen dem unerlässlichen Signal und dem Reiz führt unter Umständen zum Auftreten vorzeitiger und sogar negativer Reactionen. Bei sehr raschem Manipuliren, wie es im Interesse grosser Häufung der Beobachtungen innerhalb kurzer Zeiträume wünschenswerth ist, kommt das sehr leicht vor. Gerade diesem Umstande aber werden wir bei unseren späteren Betrachtungen einige interessante Aufschlüsse verdanken, da die grössere oder ge- ringere Neigung zu vorzeitigen Reactionen nicht nur für die einzelnen Individuen, sondern auch für die Wirkung der Arzneimittel bis zu einem gewissen Grade charakteristisch ist.
Bei den Unterscheidungsversuchen vereitelt die Fehlerquelle der vorzeitigen Reaction die Lösung der gestellten Aufgabe häufig voll- ständig; zum mindesten haben wir gar keine Gewähr dafür, dass die
Tabelle II.
[Tabelle]
Unter den langen Reactionen sind demnach die Wörter mit langen Vocalen, mit schwachem Anlaut und starkem Auslaut etwas häufiger. Das ist begreiflich, da in allen diesen Fällen offenbar das Verständniss des Wortes etwas langsamer vor sich gehen muss. Im Ganzen sind aber die Unterschiede auffallend gering, so dass eine be- sondere Rücksichtnahme auf diese Verhältnisse praktisch kaum nöthig erscheint. Die Annahme einer mittleren Sprechdauer für alle Wörter ist daher ziemlich gut gerechtfertigt, und die wahre Wortreactionszeit könnte man somit, wenn man auf die Ermittelung absoluter Werthe ausgeht, wol am besten etwa in der Mitte dieser Sprechdauer be- ginnen lassen.
Die Reactionsbewegung wurde in meinen älteren Versuchen, auch bei Wort- und Associationsreactionen, immer mittelst des einfachen Tasters ausgeführt, in der Weise, wie sie ebenfalls von Trautscholdt ursprünglich geübt worden war. Die Versuchsperson hatte dabei die Aufgabe, erst dann den heruntergedrückten Knopf des Tasters loszu- lassen, wenn der verlangte psychische Act, die Unterscheidung, Association u. s. f. vollendet war. Wie die Erfahrung gelehrt hat, liegen hier schon für die einfache Reaction Fehlerquellen. Grosse Regelmässigkeit in der Aufeinanderfolge zwischen dem unerlässlichen Signal und dem Reiz führt unter Umständen zum Auftreten vorzeitiger und sogar negativer Reactionen. Bei sehr raschem Manipuliren, wie es im Interesse grosser Häufung der Beobachtungen innerhalb kurzer Zeiträume wünschenswerth ist, kommt das sehr leicht vor. Gerade diesem Umstande aber werden wir bei unseren späteren Betrachtungen einige interessante Aufschlüsse verdanken, da die grössere oder ge- ringere Neigung zu vorzeitigen Reactionen nicht nur für die einzelnen Individuen, sondern auch für die Wirkung der Arzneimittel bis zu einem gewissen Grade charakteristisch ist.
Bei den Unterscheidungsversuchen vereitelt die Fehlerquelle der vorzeitigen Reaction die Lösung der gestellten Aufgabe häufig voll- ständig; zum mindesten haben wir gar keine Gewähr dafür, dass die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0037"n="21"/><p><hirendition="#c"><hirendition="#g">Tabelle</hi> II.</hi></p><lb/><table><row><cell/></row></table><p>Unter den langen Reactionen sind demnach die Wörter mit<lb/>
langen Vocalen, mit schwachem Anlaut und starkem Auslaut etwas<lb/>
häufiger. Das ist begreiflich, da in allen diesen Fällen offenbar das<lb/>
Verständniss des Wortes etwas langsamer vor sich gehen muss. Im<lb/>
Ganzen sind aber die Unterschiede auffallend gering, so dass eine be-<lb/>
sondere Rücksichtnahme auf diese Verhältnisse praktisch kaum nöthig<lb/>
erscheint. Die Annahme einer mittleren Sprechdauer für alle Wörter<lb/>
ist daher ziemlich gut gerechtfertigt, und die wahre Wortreactionszeit<lb/>
könnte man somit, wenn man auf die Ermittelung absoluter Werthe<lb/>
ausgeht, wol am besten etwa in der Mitte dieser Sprechdauer be-<lb/>
ginnen lassen.</p><lb/><p>Die <hirendition="#g">Reactionsbewegung</hi> wurde in meinen älteren Versuchen,<lb/>
auch bei Wort- und Associationsreactionen, immer mittelst des einfachen<lb/>
Tasters ausgeführt, in der Weise, wie sie ebenfalls von <hirendition="#g">Trautscholdt</hi><lb/>
ursprünglich geübt worden war. Die Versuchsperson hatte dabei die<lb/>
Aufgabe, erst dann den heruntergedrückten Knopf des Tasters loszu-<lb/>
lassen, wenn der verlangte psychische Act, die Unterscheidung,<lb/>
Association u. s. f. vollendet war. Wie die Erfahrung gelehrt hat,<lb/>
liegen hier schon für die einfache Reaction Fehlerquellen. Grosse<lb/>
Regelmässigkeit in der Aufeinanderfolge zwischen dem unerlässlichen<lb/>
Signal und dem Reiz führt unter Umständen zum Auftreten vorzeitiger<lb/>
und sogar negativer Reactionen. Bei sehr raschem Manipuliren, wie<lb/>
es im Interesse grosser Häufung der Beobachtungen innerhalb kurzer<lb/>
Zeiträume wünschenswerth ist, kommt das sehr leicht vor. Gerade<lb/>
diesem Umstande aber werden wir bei unseren späteren Betrachtungen<lb/>
einige interessante Aufschlüsse verdanken, da die grössere oder ge-<lb/>
ringere Neigung zu vorzeitigen Reactionen nicht nur für die einzelnen<lb/>
Individuen, sondern auch für die Wirkung der Arzneimittel bis zu<lb/>
einem gewissen Grade charakteristisch ist.</p><lb/><p>Bei den Unterscheidungsversuchen vereitelt die Fehlerquelle der<lb/>
vorzeitigen Reaction die Lösung der gestellten Aufgabe häufig voll-<lb/>
ständig; zum mindesten haben wir gar keine Gewähr dafür, dass die<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[21/0037]
Tabelle II.
Unter den langen Reactionen sind demnach die Wörter mit
langen Vocalen, mit schwachem Anlaut und starkem Auslaut etwas
häufiger. Das ist begreiflich, da in allen diesen Fällen offenbar das
Verständniss des Wortes etwas langsamer vor sich gehen muss. Im
Ganzen sind aber die Unterschiede auffallend gering, so dass eine be-
sondere Rücksichtnahme auf diese Verhältnisse praktisch kaum nöthig
erscheint. Die Annahme einer mittleren Sprechdauer für alle Wörter
ist daher ziemlich gut gerechtfertigt, und die wahre Wortreactionszeit
könnte man somit, wenn man auf die Ermittelung absoluter Werthe
ausgeht, wol am besten etwa in der Mitte dieser Sprechdauer be-
ginnen lassen.
Die Reactionsbewegung wurde in meinen älteren Versuchen,
auch bei Wort- und Associationsreactionen, immer mittelst des einfachen
Tasters ausgeführt, in der Weise, wie sie ebenfalls von Trautscholdt
ursprünglich geübt worden war. Die Versuchsperson hatte dabei die
Aufgabe, erst dann den heruntergedrückten Knopf des Tasters loszu-
lassen, wenn der verlangte psychische Act, die Unterscheidung,
Association u. s. f. vollendet war. Wie die Erfahrung gelehrt hat,
liegen hier schon für die einfache Reaction Fehlerquellen. Grosse
Regelmässigkeit in der Aufeinanderfolge zwischen dem unerlässlichen
Signal und dem Reiz führt unter Umständen zum Auftreten vorzeitiger
und sogar negativer Reactionen. Bei sehr raschem Manipuliren, wie
es im Interesse grosser Häufung der Beobachtungen innerhalb kurzer
Zeiträume wünschenswerth ist, kommt das sehr leicht vor. Gerade
diesem Umstande aber werden wir bei unseren späteren Betrachtungen
einige interessante Aufschlüsse verdanken, da die grössere oder ge-
ringere Neigung zu vorzeitigen Reactionen nicht nur für die einzelnen
Individuen, sondern auch für die Wirkung der Arzneimittel bis zu
einem gewissen Grade charakteristisch ist.
Bei den Unterscheidungsversuchen vereitelt die Fehlerquelle der
vorzeitigen Reaction die Lösung der gestellten Aufgabe häufig voll-
ständig; zum mindesten haben wir gar keine Gewähr dafür, dass die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraepelin_arzneimittel_1892/37>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.