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Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892.

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schnell lernende K. liest sehr langsam, und der schnell lesende Da.
leistet auffallend wenig beim Auswendiglernen. Nur in einer Beziehung
zeigt uns die Tabelle, wie schon früher ausführlich besprochen, eine
so bemerkenswerthe Regelmässigkeit, dass hier an dem Bestehen eines
tieferen Zusammenhanges kaum gezweifelt werden kann. Ich meine
den durchgreifenden Gegensatz zwischen der Schnelligkeit des Lesens
und des Wiederholens. Wer langsam wiederholt, liest schnell und um-
gekehrt. Eine befriedigende Erklärung für diese paradoxe Beobach-
tung bin ich augenblicklich noch nicht im Stande zu geben. Nur
darauf möchte ich hinweisen, dass hier wol die verschiedenartige Lern-
methode eine wichtige Rolle spielt. Es scheint, dass diejenigen Per-
sonen, welche, um es kurz auszudrücken, "sensorisch" lernen und darum
langsam wiederholen, bei der völlig andersartigen Aufgabe des Lesens
ausschliesslich einen möglichst raschen Ablauf der Sprachbewegungen
erstrebt und erreicht haben. Umgekehrt sind vielleicht die "moto-
risch" lernenden, das sinnlose Material schnell wiederholenden Ver-
suchspersonen beim Lesen nicht im Stande gewesen, überall den Inhalt
der Lectüre völlig zu vernachlässigen. Warum aber gerade diese ent-
gegengesetzte Behandlung der beiden Aufgaben sich bei allen einzelnen
Personen wiederfand, bleibt dunkel, wenn man sich nicht in das Gebiet
gewagter Hypothesen verlieren will. Da jedoch diese Verhältnisse der
experimentellen Forschung relativ leicht zugänglich sind, ist es wahr-
scheinlich, dass man hier durch fortgesetzte Beobachtungen bald weitere
Aufschlüsse erhalten wird.

b. Qualität der psychischen Leistung.

Von nicht geringerer individualpsychologischer Bedeutung, als
die Menge, ist jedenfalls auch die Art der psychischen Leistung. Wie
schon im methodischen Theile erwähnt, ist die Ausbeute nach dieser
Richtung leider bisher sehr gering, da sich die Qualität der Arbeit
sehr viel schwerer in einfachen Zahlenwerthen ausdrücken lässt. Als
erste Ansätze für eine Würdigung dieser Verhältnisse können wir
vielleicht die Unterscheidung zwischen sensorieller und muscu-
lärer Reactionsweise
ansehen. Aeusserlich prägt sich allerdings
diese persönliche Eigenthümlichkeit zunächst nur in der Länge der
psychischen Zeiten aus. Wir haben jedoch Grund anzunehmen, dass
uns weiterhin auch die grössere oder geringere Neigung zu vorzeitigen
und Fehlreactionen als Anhaltspunkt für die Beurtheilung der Re-

schnell lernende K. liest sehr langsam, und der schnell lesende Da.
leistet auffallend wenig beim Auswendiglernen. Nur in einer Beziehung
zeigt uns die Tabelle, wie schon früher ausführlich besprochen, eine
so bemerkenswerthe Regelmässigkeit, dass hier an dem Bestehen eines
tieferen Zusammenhanges kaum gezweifelt werden kann. Ich meine
den durchgreifenden Gegensatz zwischen der Schnelligkeit des Lesens
und des Wiederholens. Wer langsam wiederholt, liest schnell und um-
gekehrt. Eine befriedigende Erklärung für diese paradoxe Beobach-
tung bin ich augenblicklich noch nicht im Stande zu geben. Nur
darauf möchte ich hinweisen, dass hier wol die verschiedenartige Lern-
methode eine wichtige Rolle spielt. Es scheint, dass diejenigen Per-
sonen, welche, um es kurz auszudrücken, „sensorisch“ lernen und darum
langsam wiederholen, bei der völlig andersartigen Aufgabe des Lesens
ausschliesslich einen möglichst raschen Ablauf der Sprachbewegungen
erstrebt und erreicht haben. Umgekehrt sind vielleicht die „moto-
risch“ lernenden, das sinnlose Material schnell wiederholenden Ver-
suchspersonen beim Lesen nicht im Stande gewesen, überall den Inhalt
der Lectüre völlig zu vernachlässigen. Warum aber gerade diese ent-
gegengesetzte Behandlung der beiden Aufgaben sich bei allen einzelnen
Personen wiederfand, bleibt dunkel, wenn man sich nicht in das Gebiet
gewagter Hypothesen verlieren will. Da jedoch diese Verhältnisse der
experimentellen Forschung relativ leicht zugänglich sind, ist es wahr-
scheinlich, dass man hier durch fortgesetzte Beobachtungen bald weitere
Aufschlüsse erhalten wird.

b. Qualität der psychischen Leistung.

Von nicht geringerer individualpsychologischer Bedeutung, als
die Menge, ist jedenfalls auch die Art der psychischen Leistung. Wie
schon im methodischen Theile erwähnt, ist die Ausbeute nach dieser
Richtung leider bisher sehr gering, da sich die Qualität der Arbeit
sehr viel schwerer in einfachen Zahlenwerthen ausdrücken lässt. Als
erste Ansätze für eine Würdigung dieser Verhältnisse können wir
vielleicht die Unterscheidung zwischen sensorieller und muscu-
lärer Reactionsweise
ansehen. Aeusserlich prägt sich allerdings
diese persönliche Eigenthümlichkeit zunächst nur in der Länge der
psychischen Zeiten aus. Wir haben jedoch Grund anzunehmen, dass
uns weiterhin auch die grössere oder geringere Neigung zu vorzeitigen
und Fehlreactionen als Anhaltspunkt für die Beurtheilung der Re-

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[239/0255] schnell lernende K. liest sehr langsam, und der schnell lesende Da. leistet auffallend wenig beim Auswendiglernen. Nur in einer Beziehung zeigt uns die Tabelle, wie schon früher ausführlich besprochen, eine so bemerkenswerthe Regelmässigkeit, dass hier an dem Bestehen eines tieferen Zusammenhanges kaum gezweifelt werden kann. Ich meine den durchgreifenden Gegensatz zwischen der Schnelligkeit des Lesens und des Wiederholens. Wer langsam wiederholt, liest schnell und um- gekehrt. Eine befriedigende Erklärung für diese paradoxe Beobach- tung bin ich augenblicklich noch nicht im Stande zu geben. Nur darauf möchte ich hinweisen, dass hier wol die verschiedenartige Lern- methode eine wichtige Rolle spielt. Es scheint, dass diejenigen Per- sonen, welche, um es kurz auszudrücken, „sensorisch“ lernen und darum langsam wiederholen, bei der völlig andersartigen Aufgabe des Lesens ausschliesslich einen möglichst raschen Ablauf der Sprachbewegungen erstrebt und erreicht haben. Umgekehrt sind vielleicht die „moto- risch“ lernenden, das sinnlose Material schnell wiederholenden Ver- suchspersonen beim Lesen nicht im Stande gewesen, überall den Inhalt der Lectüre völlig zu vernachlässigen. Warum aber gerade diese ent- gegengesetzte Behandlung der beiden Aufgaben sich bei allen einzelnen Personen wiederfand, bleibt dunkel, wenn man sich nicht in das Gebiet gewagter Hypothesen verlieren will. Da jedoch diese Verhältnisse der experimentellen Forschung relativ leicht zugänglich sind, ist es wahr- scheinlich, dass man hier durch fortgesetzte Beobachtungen bald weitere Aufschlüsse erhalten wird. b. Qualität der psychischen Leistung. Von nicht geringerer individualpsychologischer Bedeutung, als die Menge, ist jedenfalls auch die Art der psychischen Leistung. Wie schon im methodischen Theile erwähnt, ist die Ausbeute nach dieser Richtung leider bisher sehr gering, da sich die Qualität der Arbeit sehr viel schwerer in einfachen Zahlenwerthen ausdrücken lässt. Als erste Ansätze für eine Würdigung dieser Verhältnisse können wir vielleicht die Unterscheidung zwischen sensorieller und muscu- lärer Reactionsweise ansehen. Aeusserlich prägt sich allerdings diese persönliche Eigenthümlichkeit zunächst nur in der Länge der psychischen Zeiten aus. Wir haben jedoch Grund anzunehmen, dass uns weiterhin auch die grössere oder geringere Neigung zu vorzeitigen und Fehlreactionen als Anhaltspunkt für die Beurtheilung der Re-

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Zitationshilfe: Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraepelin_arzneimittel_1892/255>, abgerufen am 21.11.2024.