nahme der Wiederholungsgeschwindigkeit beim Auswendiglernen für die erstere Erklärung. Hier dagegen fehlen jene Anhaltspunkte für die Annahme einer erleichterten centralen Auslösung, während um- gekehrt Anzeichen einer gesteigerten Muskelerregbarkeit im Verhalten der Dynamometerwerthe vorhanden sind. Der anscheinende Wider- spruch würde sich somit lösen, wenn wir eben im Hinblicke auf die Erfahrungen bei den einfachen und Wahlreactionen dasjenige Moment für die Beschleunigung des Lesens verantwortlich machen, welches bei jenen Versuchen nicht mehr in die Zeitmessung einbezogen war, den Ablauf der Muskelbewegung. Auffallend ist dabei nur die allerdings nicht mit voller Sicherheit als eine Theewirkung zu betrachtende spätere Verlangsamung der Lesegeschwindigkeit, da wir dynamometrisch ein Sinken der Muskelkraft unter die Norm nicht feststellen konnten. Freilich wurden diese letzteren Beobachtungen auch erheblich früher abgebrochen, als die Leseversuche.
In vollem Einklange mit der soeben entwickelten Auffassung steht die Erfahrung, dass eine Zunahme der Wiederholungen beim Lernen unter dem Einflusse des Thees nicht mit Bestimmtheit nachgewiesen werden konnte. Der langsamere oder schnellere Ablauf der Muskel- bewegung kommt hier im Gegensatze zu den Leseversuchen gar nicht in Betracht. Eine Beschleunigung des Recitirens kann daher, wie wir bei Besprechung der Alkoholwirkung gesehen haben, nur auf einer Er- höhung der centralen Erregbarkeit, einer Zunahme des "motorischen Dranges" beruhen. Dass hier jene Erscheinung fehlt, stimmt somit zu dem Verhalten der einfachen und Wahlreactionen und bildet ein neues Argument für die Zurückführung der mit dem Dynamometer und beim Lesen erhaltenen Ergebnisse auf periphere Theewirkungen.
Nach derselben Richtung hin dürften sich auch wol die Erfahrungen bei den Lernversuchen verwerthen lassen. Bei der Besprechung der- selben wurde schon darauf hingewiesen, dass die Theewirkung bei den einzelnen Personen Verschiedenheiten darbietet, die sehr wahrscheinlich in Zusammenhang mit der individuellen Lernmethode stehen. Alkohol und Thee treten hier wiederum in Gegensatz zu einander. Sehen wir von der einzigen Ausnahme des Alkoholversuches bei O. ab, so ergiebt sich mit befriedigender Regelmässigkeit, dass gerade bei denjenigen Personen, welche durch kleinere Gaben Alkohol eine Steigerung ihrer Lernfähigkeit erfahren, unter dem Einflusse des Thees eine Herab- minderung derselben eintritt, die sich nach 30--60 Minuten allmählich wieder ausgleicht. Am stärksten ist diese Wirkung bei den am schnellsten wiederholenden Personen O. und De., während M. und
nahme der Wiederholungsgeschwindigkeit beim Auswendiglernen für die erstere Erklärung. Hier dagegen fehlen jene Anhaltspunkte für die Annahme einer erleichterten centralen Auslösung, während um- gekehrt Anzeichen einer gesteigerten Muskelerregbarkeit im Verhalten der Dynamometerwerthe vorhanden sind. Der anscheinende Wider- spruch würde sich somit lösen, wenn wir eben im Hinblicke auf die Erfahrungen bei den einfachen und Wahlreactionen dasjenige Moment für die Beschleunigung des Lesens verantwortlich machen, welches bei jenen Versuchen nicht mehr in die Zeitmessung einbezogen war, den Ablauf der Muskelbewegung. Auffallend ist dabei nur die allerdings nicht mit voller Sicherheit als eine Theewirkung zu betrachtende spätere Verlangsamung der Lesegeschwindigkeit, da wir dynamometrisch ein Sinken der Muskelkraft unter die Norm nicht feststellen konnten. Freilich wurden diese letzteren Beobachtungen auch erheblich früher abgebrochen, als die Leseversuche.
In vollem Einklange mit der soeben entwickelten Auffassung steht die Erfahrung, dass eine Zunahme der Wiederholungen beim Lernen unter dem Einflusse des Thees nicht mit Bestimmtheit nachgewiesen werden konnte. Der langsamere oder schnellere Ablauf der Muskel- bewegung kommt hier im Gegensatze zu den Leseversuchen gar nicht in Betracht. Eine Beschleunigung des Recitirens kann daher, wie wir bei Besprechung der Alkoholwirkung gesehen haben, nur auf einer Er- höhung der centralen Erregbarkeit, einer Zunahme des „motorischen Dranges“ beruhen. Dass hier jene Erscheinung fehlt, stimmt somit zu dem Verhalten der einfachen und Wahlreactionen und bildet ein neues Argument für die Zurückführung der mit dem Dynamometer und beim Lesen erhaltenen Ergebnisse auf periphere Theewirkungen.
Nach derselben Richtung hin dürften sich auch wol die Erfahrungen bei den Lernversuchen verwerthen lassen. Bei der Besprechung der- selben wurde schon darauf hingewiesen, dass die Theewirkung bei den einzelnen Personen Verschiedenheiten darbietet, die sehr wahrscheinlich in Zusammenhang mit der individuellen Lernmethode stehen. Alkohol und Thee treten hier wiederum in Gegensatz zu einander. Sehen wir von der einzigen Ausnahme des Alkoholversuches bei O. ab, so ergiebt sich mit befriedigender Regelmässigkeit, dass gerade bei denjenigen Personen, welche durch kleinere Gaben Alkohol eine Steigerung ihrer Lernfähigkeit erfahren, unter dem Einflusse des Thees eine Herab- minderung derselben eintritt, die sich nach 30—60 Minuten allmählich wieder ausgleicht. Am stärksten ist diese Wirkung bei den am schnellsten wiederholenden Personen O. und De., während M. und
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gekehrt Anzeichen einer gesteigerten Muskelerregbarkeit im Verhalten
der Dynamometerwerthe vorhanden sind. Der anscheinende Wider-
spruch würde sich somit lösen, wenn wir eben im Hinblicke auf die
Erfahrungen bei den einfachen und Wahlreactionen dasjenige Moment
für die Beschleunigung des Lesens verantwortlich machen, welches bei
jenen Versuchen nicht mehr in die Zeitmessung einbezogen war, den
Ablauf der Muskelbewegung. Auffallend ist dabei nur die allerdings
nicht mit voller Sicherheit als eine Theewirkung zu betrachtende spätere
Verlangsamung der Lesegeschwindigkeit, da wir dynamometrisch ein
Sinken der Muskelkraft unter die Norm nicht feststellen konnten.
Freilich wurden diese letzteren Beobachtungen auch erheblich früher
abgebrochen, als die Leseversuche.
In vollem Einklange mit der soeben entwickelten Auffassung steht
die Erfahrung, dass eine Zunahme der Wiederholungen beim Lernen
unter dem Einflusse des Thees nicht mit Bestimmtheit nachgewiesen
werden konnte. Der langsamere oder schnellere Ablauf der Muskel-
bewegung kommt hier im Gegensatze zu den Leseversuchen gar nicht
in Betracht. Eine Beschleunigung des Recitirens kann daher, wie wir
bei Besprechung der Alkoholwirkung gesehen haben, nur auf einer Er-
höhung der centralen Erregbarkeit, einer Zunahme des „motorischen
Dranges“ beruhen. Dass hier jene Erscheinung fehlt, stimmt somit
zu dem Verhalten der einfachen und Wahlreactionen und bildet ein
neues Argument für die Zurückführung der mit dem Dynamometer
und beim Lesen erhaltenen Ergebnisse auf periphere Theewirkungen.
Nach derselben Richtung hin dürften sich auch wol die Erfahrungen
bei den Lernversuchen verwerthen lassen. Bei der Besprechung der-
selben wurde schon darauf hingewiesen, dass die Theewirkung bei den
einzelnen Personen Verschiedenheiten darbietet, die sehr wahrscheinlich
in Zusammenhang mit der individuellen Lernmethode stehen. Alkohol
und Thee treten hier wiederum in Gegensatz zu einander. Sehen wir
von der einzigen Ausnahme des Alkoholversuches bei O. ab, so ergiebt
sich mit befriedigender Regelmässigkeit, dass gerade bei denjenigen
Personen, welche durch kleinere Gaben Alkohol eine Steigerung ihrer
Lernfähigkeit erfahren, unter dem Einflusse des Thees eine Herab-
minderung derselben eintritt, die sich nach 30—60 Minuten allmählich
wieder ausgleicht. Am stärksten ist diese Wirkung bei den am
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Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraepelin_arzneimittel_1892/237>, abgerufen am 17.02.2025.
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