Zahl der Wiederholungen dagegen auf Begünstigung der sensorischen Seite des Lernvorganges zu beziehen sein. Dabei wäre es aber natürlich denkbar, dass im einzelnen Falle diese Alternative nicht schroff entschieden, sondern von beiden Hülfsmitteln der Fixirung gleichzeitig Gebrauch gemacht würde. Immerhin würden wir erwarten dürfen, dass im Allgemeinen die schnell wiederholenden Versuchs- personen bei den Lernversuchen eine anfängliche Erleichterung dar- bieten, während den Uebrigen der Alkohol die Lösung der Aufgabe in der von ihnen bevorzugten Fassung erschweren müsste. Leider hat sich diese Erwartung, wie schon früher erörtert, nicht völlig be- stätigt. Zwar ist bei den langsam wiederholenden Ha. und M. die Erschwerung der Arbeitsleistung wirklich eingetreten, und Da. mit seiner bis zum Schlusse fortschreitenden Steigerung der Lernfähigkeit kann als Ausnahme nicht wol herangezogen werden, da es sich dabei schwerlich um eine Alkoholwirkung handelt. Umgekehrt finden wir gerade bei den schnell wiederholenden K. und De., sowie bei dem sich ihnen nähernden He. wenigstens für kleinere Gaben die anfäng- liche Beschleunigung. O. dagegen, bei dem wir ebenfalls eine solche voraussetzen sollten, versagt hier in dieser Beziehung, obgleich er beim Lesen trotz der grösseren Alkoholdosis sehr deutlich mit einer Zu- nahme der Geschwindigkeit reagirt.
Wie mir scheint, wird man sich auf einem Versuchsgebiete, welches so vielen unberechenbaren Schwankungen ausgesetzt ist, unge- achtet dieser Ausnahme doch dem Eindrucke nicht verschliessen können, dass die hier von mir angedeuteten Beziehungen thatsächlich bestehen, wenn sie vielleicht auch gelegentlich von andersartigen Momenten durchkreuzt werden. Weiteren Aufschluss über diese Verhältnisse würden Versuche gewähren können, welche die verschiedenen Arten des Gedächtnisses gesondert in Angriff nehmen würden, die sensorische Einprägung, die motorische Einübung und endlich die höchste, aber leider dem Experimente am schwersten zugängliche Form, das apper- ceptive oder combinatorische Gedächtniss, welches nicht das mechanische, sondern das begriffliche Festhalten des Erfahrungsmaterials ermöglicht.
Die Dauer der initialen Erleichterung psychischer Vorgänge übersteigt dort, wo sie überhaupt nachweisbar ist, im Allgemeinen nicht 20--30 Minuten. Da wir indessen gesehen haben, dass die erleichternde Wirkung sich auf andere Seiten unseres Seelenlebens erstreckt, als die erschwerende, so liegt die Möglichkeit nahe, dass der Gang der Arbeitsleistung uns nur die Resultante entgegengesetzter Vorgänge wiedergiebt, dass in Wirklichkeit beide Wirkungen in ver-
Zahl der Wiederholungen dagegen auf Begünstigung der sensorischen Seite des Lernvorganges zu beziehen sein. Dabei wäre es aber natürlich denkbar, dass im einzelnen Falle diese Alternative nicht schroff entschieden, sondern von beiden Hülfsmitteln der Fixirung gleichzeitig Gebrauch gemacht würde. Immerhin würden wir erwarten dürfen, dass im Allgemeinen die schnell wiederholenden Versuchs- personen bei den Lernversuchen eine anfängliche Erleichterung dar- bieten, während den Uebrigen der Alkohol die Lösung der Aufgabe in der von ihnen bevorzugten Fassung erschweren müsste. Leider hat sich diese Erwartung, wie schon früher erörtert, nicht völlig be- stätigt. Zwar ist bei den langsam wiederholenden Ha. und M. die Erschwerung der Arbeitsleistung wirklich eingetreten, und Da. mit seiner bis zum Schlusse fortschreitenden Steigerung der Lernfähigkeit kann als Ausnahme nicht wol herangezogen werden, da es sich dabei schwerlich um eine Alkoholwirkung handelt. Umgekehrt finden wir gerade bei den schnell wiederholenden K. und De., sowie bei dem sich ihnen nähernden He. wenigstens für kleinere Gaben die anfäng- liche Beschleunigung. O. dagegen, bei dem wir ebenfalls eine solche voraussetzen sollten, versagt hier in dieser Beziehung, obgleich er beim Lesen trotz der grösseren Alkoholdosis sehr deutlich mit einer Zu- nahme der Geschwindigkeit reagirt.
Wie mir scheint, wird man sich auf einem Versuchsgebiete, welches so vielen unberechenbaren Schwankungen ausgesetzt ist, unge- achtet dieser Ausnahme doch dem Eindrucke nicht verschliessen können, dass die hier von mir angedeuteten Beziehungen thatsächlich bestehen, wenn sie vielleicht auch gelegentlich von andersartigen Momenten durchkreuzt werden. Weiteren Aufschluss über diese Verhältnisse würden Versuche gewähren können, welche die verschiedenen Arten des Gedächtnisses gesondert in Angriff nehmen würden, die sensorische Einprägung, die motorische Einübung und endlich die höchste, aber leider dem Experimente am schwersten zugängliche Form, das apper- ceptive oder combinatorische Gedächtniss, welches nicht das mechanische, sondern das begriffliche Festhalten des Erfahrungsmaterials ermöglicht.
Die Dauer der initialen Erleichterung psychischer Vorgänge übersteigt dort, wo sie überhaupt nachweisbar ist, im Allgemeinen nicht 20—30 Minuten. Da wir indessen gesehen haben, dass die erleichternde Wirkung sich auf andere Seiten unseres Seelenlebens erstreckt, als die erschwerende, so liegt die Möglichkeit nahe, dass der Gang der Arbeitsleistung uns nur die Resultante entgegengesetzter Vorgänge wiedergiebt, dass in Wirklichkeit beide Wirkungen in ver-
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[187/0203]
Zahl der Wiederholungen dagegen auf Begünstigung der sensorischen
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natürlich denkbar, dass im einzelnen Falle diese Alternative nicht
schroff entschieden, sondern von beiden Hülfsmitteln der Fixirung
gleichzeitig Gebrauch gemacht würde. Immerhin würden wir erwarten
dürfen, dass im Allgemeinen die schnell wiederholenden Versuchs-
personen bei den Lernversuchen eine anfängliche Erleichterung dar-
bieten, während den Uebrigen der Alkohol die Lösung der Aufgabe
in der von ihnen bevorzugten Fassung erschweren müsste. Leider
hat sich diese Erwartung, wie schon früher erörtert, nicht völlig be-
stätigt. Zwar ist bei den langsam wiederholenden Ha. und M. die
Erschwerung der Arbeitsleistung wirklich eingetreten, und Da. mit
seiner bis zum Schlusse fortschreitenden Steigerung der Lernfähigkeit
kann als Ausnahme nicht wol herangezogen werden, da es sich dabei
schwerlich um eine Alkoholwirkung handelt. Umgekehrt finden wir
gerade bei den schnell wiederholenden K. und De., sowie bei dem
sich ihnen nähernden He. wenigstens für kleinere Gaben die anfäng-
liche Beschleunigung. O. dagegen, bei dem wir ebenfalls eine solche
voraussetzen sollten, versagt hier in dieser Beziehung, obgleich er beim
Lesen trotz der grösseren Alkoholdosis sehr deutlich mit einer Zu-
nahme der Geschwindigkeit reagirt.
Wie mir scheint, wird man sich auf einem Versuchsgebiete,
welches so vielen unberechenbaren Schwankungen ausgesetzt ist, unge-
achtet dieser Ausnahme doch dem Eindrucke nicht verschliessen können,
dass die hier von mir angedeuteten Beziehungen thatsächlich bestehen,
wenn sie vielleicht auch gelegentlich von andersartigen Momenten
durchkreuzt werden. Weiteren Aufschluss über diese Verhältnisse
würden Versuche gewähren können, welche die verschiedenen Arten
des Gedächtnisses gesondert in Angriff nehmen würden, die sensorische
Einprägung, die motorische Einübung und endlich die höchste, aber
leider dem Experimente am schwersten zugängliche Form, das apper-
ceptive oder combinatorische Gedächtniss, welches nicht das mechanische,
sondern das begriffliche Festhalten des Erfahrungsmaterials ermöglicht.
Die Dauer der initialen Erleichterung psychischer Vorgänge
übersteigt dort, wo sie überhaupt nachweisbar ist, im Allgemeinen
nicht 20—30 Minuten. Da wir indessen gesehen haben, dass die
erleichternde Wirkung sich auf andere Seiten unseres Seelenlebens
erstreckt, als die erschwerende, so liegt die Möglichkeit nahe, dass
der Gang der Arbeitsleistung uns nur die Resultante entgegengesetzter
Vorgänge wiedergiebt, dass in Wirklichkeit beide Wirkungen in ver-
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Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraepelin_arzneimittel_1892/203>, abgerufen am 16.07.2024.
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