nicht ausser Acht lassen, dass beim Wiederholen die eigentliche Auf- gabe nach einer ganz anderen Richtung hin gelegen war und somit diese letzteren Versuche nicht ohne Weiteres mit den Lesever- suchen in quantitativer Beziehung verglichen werden dürfen.
Nicht geringe Schwierigkeiten setzen für die erste Betrachtung die Lernversuche einer Einordnung in die bisher gewonnenen Anschauungen entgegen, wenn wir die Menge der geleisteten Lernarbeit in's Auge fassen. Wie wir gesehen haben, ist der Ausfall jener Versuche in diesem Punkte ein sehr verschiedener. Bei einer Gabe von 20 gr zeigten K., He., De. und Da. eine anfängliche Zunahme der Lern- geschwindigkeit, O., Ha. und M. dagegen eine Abnahme; bei 30 gr liess nur noch K. eine vorübergehende Erleichterung des Auswendig- lernens erkennen. Zunächst spielt hier also wieder die Dosis und damit die individuelle Empfindlichkeit gegen Alkohol ein gewisse Rolle; es muss aber fraglich erscheinen, ob dieser Umstand allein ausreicht, um die Unterschiede im Ausfalle der Versuche zu erklären. Ich habe schon früher eingehender dargelegt, dass wol noch andere Verhältnisse hier mit hineinspielen. Auch beim Lernen verknüpft sich wiederum die Auffassung eines äusseren Eindruckes mit der Auslösung einer Sprachbewegung. Ueberall wenigstens, wo es sich nicht nur um die Einprägung des geistigen Inhaltes eines gegebenen Lernstoffes, sondern um die wörtliche Einübung desselben, um das "mechanische" Aus- wendiglernen handelt, schliesst sich naturgemäss an den sinnlichen Eindruck der coordinatorische Impuls an, welcher die Wiedergabe des Aufgefassten vermittelt.
Die häufige Wiederholung dieses ganzen Actes wird im Allgemeinen zweierlei Folgen nach sich ziehen. Einerseits wird sich uns in dem Falle, mit dem wir es hier zu thun haben, die Zahlenreihe, die wir lernen sollen, derart einprägen, dass wir sie wiedererkennen, andererseits aber werden wir sie mit Hülfe unserer Sprachmusculatur wiedergeben können. Diese beiden Seiten des Gesammtvorganges sind an sich von einander unabhängig, und es giebt Fälle, in denen nur die eine oder die andere Wirkung von uns angestrebt und erreicht wird. Ein Bild, eine Gegend, ein Gesicht erkennen wir wieder, ohne dass sich daran irgend welche Sprachvorstellungen zu knüpfen brauchen, es seien denn Benennungen, die an sich in gar keiner inhaltlichen Be- ziehung zu dem bezeichneten Gegenstande stehen. Andererseits ver- mögen wir uns musculäre Fertigkeiten und Kunstgriffe einzuüben, deren Handhabung von sinnlichen Eindrücken gänzlich unabhängig ist. Bei der vorliegenden Aufgabe jedoch, wo es sich darum handelt,
nicht ausser Acht lassen, dass beim Wiederholen die eigentliche Auf- gabe nach einer ganz anderen Richtung hin gelegen war und somit diese letzteren Versuche nicht ohne Weiteres mit den Lesever- suchen in quantitativer Beziehung verglichen werden dürfen.
Nicht geringe Schwierigkeiten setzen für die erste Betrachtung die Lernversuche einer Einordnung in die bisher gewonnenen Anschauungen entgegen, wenn wir die Menge der geleisteten Lernarbeit in’s Auge fassen. Wie wir gesehen haben, ist der Ausfall jener Versuche in diesem Punkte ein sehr verschiedener. Bei einer Gabe von 20 gr zeigten K., He., De. und Da. eine anfängliche Zunahme der Lern- geschwindigkeit, O., Ha. und M. dagegen eine Abnahme; bei 30 gr liess nur noch K. eine vorübergehende Erleichterung des Auswendig- lernens erkennen. Zunächst spielt hier also wieder die Dosis und damit die individuelle Empfindlichkeit gegen Alkohol ein gewisse Rolle; es muss aber fraglich erscheinen, ob dieser Umstand allein ausreicht, um die Unterschiede im Ausfalle der Versuche zu erklären. Ich habe schon früher eingehender dargelegt, dass wol noch andere Verhältnisse hier mit hineinspielen. Auch beim Lernen verknüpft sich wiederum die Auffassung eines äusseren Eindruckes mit der Auslösung einer Sprachbewegung. Ueberall wenigstens, wo es sich nicht nur um die Einprägung des geistigen Inhaltes eines gegebenen Lernstoffes, sondern um die wörtliche Einübung desselben, um das „mechanische“ Aus- wendiglernen handelt, schliesst sich naturgemäss an den sinnlichen Eindruck der coordinatorische Impuls an, welcher die Wiedergabe des Aufgefassten vermittelt.
Die häufige Wiederholung dieses ganzen Actes wird im Allgemeinen zweierlei Folgen nach sich ziehen. Einerseits wird sich uns in dem Falle, mit dem wir es hier zu thun haben, die Zahlenreihe, die wir lernen sollen, derart einprägen, dass wir sie wiedererkennen, andererseits aber werden wir sie mit Hülfe unserer Sprachmusculatur wiedergeben können. Diese beiden Seiten des Gesammtvorganges sind an sich von einander unabhängig, und es giebt Fälle, in denen nur die eine oder die andere Wirkung von uns angestrebt und erreicht wird. Ein Bild, eine Gegend, ein Gesicht erkennen wir wieder, ohne dass sich daran irgend welche Sprachvorstellungen zu knüpfen brauchen, es seien denn Benennungen, die an sich in gar keiner inhaltlichen Be- ziehung zu dem bezeichneten Gegenstande stehen. Andererseits ver- mögen wir uns musculäre Fertigkeiten und Kunstgriffe einzuüben, deren Handhabung von sinnlichen Eindrücken gänzlich unabhängig ist. Bei der vorliegenden Aufgabe jedoch, wo es sich darum handelt,
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[185/0201]
nicht ausser Acht lassen, dass beim Wiederholen die eigentliche Auf-
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diese letzteren Versuche nicht ohne Weiteres mit den Lesever-
suchen in quantitativer Beziehung verglichen werden dürfen.
Nicht geringe Schwierigkeiten setzen für die erste Betrachtung die
Lernversuche einer Einordnung in die bisher gewonnenen Anschauungen
entgegen, wenn wir die Menge der geleisteten Lernarbeit in’s Auge
fassen. Wie wir gesehen haben, ist der Ausfall jener Versuche in
diesem Punkte ein sehr verschiedener. Bei einer Gabe von 20 gr
zeigten K., He., De. und Da. eine anfängliche Zunahme der Lern-
geschwindigkeit, O., Ha. und M. dagegen eine Abnahme; bei 30 gr
liess nur noch K. eine vorübergehende Erleichterung des Auswendig-
lernens erkennen. Zunächst spielt hier also wieder die Dosis und damit
die individuelle Empfindlichkeit gegen Alkohol ein gewisse Rolle; es
muss aber fraglich erscheinen, ob dieser Umstand allein ausreicht, um
die Unterschiede im Ausfalle der Versuche zu erklären. Ich habe
schon früher eingehender dargelegt, dass wol noch andere Verhältnisse
hier mit hineinspielen. Auch beim Lernen verknüpft sich wiederum
die Auffassung eines äusseren Eindruckes mit der Auslösung einer
Sprachbewegung. Ueberall wenigstens, wo es sich nicht nur um die
Einprägung des geistigen Inhaltes eines gegebenen Lernstoffes, sondern
um die wörtliche Einübung desselben, um das „mechanische“ Aus-
wendiglernen handelt, schliesst sich naturgemäss an den sinnlichen
Eindruck der coordinatorische Impuls an, welcher die Wiedergabe des
Aufgefassten vermittelt.
Die häufige Wiederholung dieses ganzen Actes wird im Allgemeinen
zweierlei Folgen nach sich ziehen. Einerseits wird sich uns in dem
Falle, mit dem wir es hier zu thun haben, die Zahlenreihe, die wir
lernen sollen, derart einprägen, dass wir sie wiedererkennen,
andererseits aber werden wir sie mit Hülfe unserer Sprachmusculatur
wiedergeben können. Diese beiden Seiten des Gesammtvorganges
sind an sich von einander unabhängig, und es giebt Fälle, in denen
nur die eine oder die andere Wirkung von uns angestrebt und erreicht
wird. Ein Bild, eine Gegend, ein Gesicht erkennen wir wieder, ohne
dass sich daran irgend welche Sprachvorstellungen zu knüpfen brauchen,
es seien denn Benennungen, die an sich in gar keiner inhaltlichen Be-
ziehung zu dem bezeichneten Gegenstande stehen. Andererseits ver-
mögen wir uns musculäre Fertigkeiten und Kunstgriffe einzuüben,
deren Handhabung von sinnlichen Eindrücken gänzlich unabhängig
ist. Bei der vorliegenden Aufgabe jedoch, wo es sich darum handelt,
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Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraepelin_arzneimittel_1892/201>, abgerufen am 16.07.2024.
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