muss, könnte dort die Wahrnehmung des Reizes vielfach erst nachträglich erfolgen; die Verkürzung der ganzen Reactionsdauer könnte also auch dann sehr viel deutlicher hervortreten, wenn an sich der Wahrneh- mungsvorgang in derselben einen erheblichen Raum einnähme und durch den Alkohol noch dazu verlangsamt würde. Freilich handelte es sich dann nicht mehr um wirkliche Reactionen, aber wir besitzen kein Mittel, um rudimentäre vorzeitige Reactionen mit Sicherheit als solche zu erkennen.
In einem gewissen Widerspruche zu den hier angestellten Ueber- legungen scheinen auf den ersten Blick die Ergebnisse der Dynamo- meterversuche zu stehen. Man sollte erwarten, dass hier, wo es sich gar nicht um die Wahrnehmung eines äusseren Eindruckes, sondern nur um die Auslösung eines Willensimpulses handelt, die Erleichterung dieses letzteren Vorganges sich in besonders deutlicher Weise geltend machen müsse. Statt dessen liefert uns das Dynamometer nur bei einer Versuchsperson eine sehr mässige anfängliche Steigerung der Druckwerthe, während bei dem gegen Alkohol empfindlicheren De. eine solche überhaupt nicht nachzuweisen ist. Wir müssen indessen dabei berücksichtigen, dass in diesen Versuchen etwas ganz Anderes gemessen wird, als in den bisher besprochenen. Dort handelte es sich um die Geschwindigkeit, mit welcher Impulse ausgelöst werden und Bewegungen ablaufen, hier dagegen um die Kraft, welche die Muskeln entwickeln. Es ist sehr wol möglich und sogar von vorn- herein einigermassen wahrscheinlich, dass diese beiden Seiten des mo- torischen Actes nicht in gleichem Masse durch den Alkohol beeinflusst werden. Aus unseren Versuchen würde sich ergeben, dass zwar die Schnelligkeit, mit welcher der gesammte Bewegungsvorgang sich ab- spielt, deutlich gesteigert ist, dass aber die Kraftleistung nur ganz vorübergehend, bei kleineren Gaben und bei geringer Empfindlichkeit gegen das Mittel eine Zunahme erfährt, die sehr bald einer erheb- lichen Herabsetzung Platz macht.
Eine Bestätigung findet die bisher gewonnene Auffassung in dem Verhalten der Wiederholungen beim Auswendiglernen. Wir haben früher gesehen, dass die Geschwindigkeit derselben, wenigstens bei kleineren Alkoholdosen (20 gr), in der Regel zunimmt. Diese Erfah- rung steht in vollem Einklange mit dem Ergebnisse der Leseversuche. In der That handelt es sich ja auch in beiden Fällen um den gleichen Vorgang, da wir überall die Zahl der Silben messen, welche in einer bestimmten Zeit ausgesprochen wurden. Es ist also hier wiederum ein motorischer Vorgang, dessen Ablaufsgeschwindigkeit wir messen
muss, könnte dort die Wahrnehmung des Reizes vielfach erst nachträglich erfolgen; die Verkürzung der ganzen Reactionsdauer könnte also auch dann sehr viel deutlicher hervortreten, wenn an sich der Wahrneh- mungsvorgang in derselben einen erheblichen Raum einnähme und durch den Alkohol noch dazu verlangsamt würde. Freilich handelte es sich dann nicht mehr um wirkliche Reactionen, aber wir besitzen kein Mittel, um rudimentäre vorzeitige Reactionen mit Sicherheit als solche zu erkennen.
In einem gewissen Widerspruche zu den hier angestellten Ueber- legungen scheinen auf den ersten Blick die Ergebnisse der Dynamo- meterversuche zu stehen. Man sollte erwarten, dass hier, wo es sich gar nicht um die Wahrnehmung eines äusseren Eindruckes, sondern nur um die Auslösung eines Willensimpulses handelt, die Erleichterung dieses letzteren Vorganges sich in besonders deutlicher Weise geltend machen müsse. Statt dessen liefert uns das Dynamometer nur bei einer Versuchsperson eine sehr mässige anfängliche Steigerung der Druckwerthe, während bei dem gegen Alkohol empfindlicheren De. eine solche überhaupt nicht nachzuweisen ist. Wir müssen indessen dabei berücksichtigen, dass in diesen Versuchen etwas ganz Anderes gemessen wird, als in den bisher besprochenen. Dort handelte es sich um die Geschwindigkeit, mit welcher Impulse ausgelöst werden und Bewegungen ablaufen, hier dagegen um die Kraft, welche die Muskeln entwickeln. Es ist sehr wol möglich und sogar von vorn- herein einigermassen wahrscheinlich, dass diese beiden Seiten des mo- torischen Actes nicht in gleichem Masse durch den Alkohol beeinflusst werden. Aus unseren Versuchen würde sich ergeben, dass zwar die Schnelligkeit, mit welcher der gesammte Bewegungsvorgang sich ab- spielt, deutlich gesteigert ist, dass aber die Kraftleistung nur ganz vorübergehend, bei kleineren Gaben und bei geringer Empfindlichkeit gegen das Mittel eine Zunahme erfährt, die sehr bald einer erheb- lichen Herabsetzung Platz macht.
Eine Bestätigung findet die bisher gewonnene Auffassung in dem Verhalten der Wiederholungen beim Auswendiglernen. Wir haben früher gesehen, dass die Geschwindigkeit derselben, wenigstens bei kleineren Alkoholdosen (20 gr), in der Regel zunimmt. Diese Erfah- rung steht in vollem Einklange mit dem Ergebnisse der Leseversuche. In der That handelt es sich ja auch in beiden Fällen um den gleichen Vorgang, da wir überall die Zahl der Silben messen, welche in einer bestimmten Zeit ausgesprochen wurden. Es ist also hier wiederum ein motorischer Vorgang, dessen Ablaufsgeschwindigkeit wir messen
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[183/0199]
muss, könnte dort die Wahrnehmung des Reizes vielfach erst nachträglich
erfolgen; die Verkürzung der ganzen Reactionsdauer könnte also auch
dann sehr viel deutlicher hervortreten, wenn an sich der Wahrneh-
mungsvorgang in derselben einen erheblichen Raum einnähme und
durch den Alkohol noch dazu verlangsamt würde. Freilich handelte
es sich dann nicht mehr um wirkliche Reactionen, aber wir besitzen
kein Mittel, um rudimentäre vorzeitige Reactionen mit Sicherheit als
solche zu erkennen.
In einem gewissen Widerspruche zu den hier angestellten Ueber-
legungen scheinen auf den ersten Blick die Ergebnisse der Dynamo-
meterversuche zu stehen. Man sollte erwarten, dass hier, wo es sich
gar nicht um die Wahrnehmung eines äusseren Eindruckes, sondern
nur um die Auslösung eines Willensimpulses handelt, die Erleichterung
dieses letzteren Vorganges sich in besonders deutlicher Weise geltend
machen müsse. Statt dessen liefert uns das Dynamometer nur bei
einer Versuchsperson eine sehr mässige anfängliche Steigerung der
Druckwerthe, während bei dem gegen Alkohol empfindlicheren De.
eine solche überhaupt nicht nachzuweisen ist. Wir müssen indessen
dabei berücksichtigen, dass in diesen Versuchen etwas ganz Anderes
gemessen wird, als in den bisher besprochenen. Dort handelte es sich
um die Geschwindigkeit, mit welcher Impulse ausgelöst werden
und Bewegungen ablaufen, hier dagegen um die Kraft, welche die
Muskeln entwickeln. Es ist sehr wol möglich und sogar von vorn-
herein einigermassen wahrscheinlich, dass diese beiden Seiten des mo-
torischen Actes nicht in gleichem Masse durch den Alkohol beeinflusst
werden. Aus unseren Versuchen würde sich ergeben, dass zwar die
Schnelligkeit, mit welcher der gesammte Bewegungsvorgang sich ab-
spielt, deutlich gesteigert ist, dass aber die Kraftleistung nur ganz
vorübergehend, bei kleineren Gaben und bei geringer Empfindlichkeit
gegen das Mittel eine Zunahme erfährt, die sehr bald einer erheb-
lichen Herabsetzung Platz macht.
Eine Bestätigung findet die bisher gewonnene Auffassung in dem
Verhalten der Wiederholungen beim Auswendiglernen. Wir haben
früher gesehen, dass die Geschwindigkeit derselben, wenigstens bei
kleineren Alkoholdosen (20 gr), in der Regel zunimmt. Diese Erfah-
rung steht in vollem Einklange mit dem Ergebnisse der Leseversuche.
In der That handelt es sich ja auch in beiden Fällen um den gleichen
Vorgang, da wir überall die Zahl der Silben messen, welche in einer
bestimmten Zeit ausgesprochen wurden. Es ist also hier wiederum
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Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraepelin_arzneimittel_1892/199>, abgerufen am 16.02.2025.
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