zur Bestätigung, dass es sich hier nicht um zufällige, sondern um principielle Unterschiede von tieferer psychologischer Begründung handelt. Die Möglichkeit von Uebergängen soll dadurch nicht ausge- schlossen werden, wird vielmehr gerade durch das Verhalten von K., vielleicht auch dasjenige von He. und Ha. nahegelegt. Aber es hat doch den Anschein, als wenn den Extremen O. und De. einerseits, M. und Da. andererseits, eine gewisse typische Bedeutung zukäme, deren Grundlage, wie früher ausgeführt, wol am wahrscheinlichsten in einer Verschiedenheit der Lernmethode zu suchen wäre. Je nach- dem die motorische Sprachvorstellung oder das Schrift- resp. Klangbild, also der sinnliche Eindruck, ausschliesslich oder vorwiegend zur Fixirung des Lernmaterials benutzt wird, müssen wir ja die gestellte Aufgabe entweder durch häufige Wiederholung des sprachlichen Innervations- actes oder durch möglichst aufmerksame und darum langsame Ein- prägung der wirklichen oder associirten Sinnesvorstellung zu lösen suchen.
Dass in dieser Beziehung thatsächlich bedeutende Verschieden- heiten vorkommen, scheinen mir mannigfaltige Erfahrungen darzuthun. Es giebt zahlreiche Menschen -- und ich selbst gehöre zu diesen -- welche bei Weitem am besten auswendig lernen, wenn sie das vor- liegende Material laut recitiren und dadurch die motorischen Inner- vationen zu möglichster Intensität steigern. Das Hören des Ge- sprochenen kommt dabei nicht in Betracht, stört vielleicht sogar, denn ich lerne mit verschlossenen Ohren eher noch leichter. Andererseits sind mir die Geheimnisse der Mnemotechnik, mit Hülfe deren zahllose Daten untereinander in ein associatives System gebracht werden, stets ein Buch mit sieben Siegeln geblieben. Es ist mir subjectiv schlechter- dings unverständlich, inwiefern diese Lernmethode eine Erleichterung bedeuten kann. Ich möchte endlich noch darauf hinweisen, dass ich bei der schriftlichen Wiedergabe von Gedanken einen Unterschied bemerkt habe, der mir mit den hier besprochenen Verhältnissen in Beziehung zu stehen scheint. Ueberall, wo mir die geistige Ver- arbeitung des Stoffes Schwierigkeiten bereitet, arbeite ich leichter, wenn ich selbst am Schreibtisch sitze. Handelt es sich aber darum, einfach für gewohnte Gedankengänge eine möglichst elegante und schwungvolle Form zu finden, so gelingt das besser beim Dictiren und namentlich im Herumgehen. Im ersteren Falle richtet sich die Aufmerksamkeit vorzugsweise auf den begrifflichen Inhalt der Gedanken, im letzteren dagegen auf die motorischen Sprachvorstellungen. Dort suche ich jede Ablenkung auf das motorische Gebiet nach Möglich-
zur Bestätigung, dass es sich hier nicht um zufällige, sondern um principielle Unterschiede von tieferer psychologischer Begründung handelt. Die Möglichkeit von Uebergängen soll dadurch nicht ausge- schlossen werden, wird vielmehr gerade durch das Verhalten von K., vielleicht auch dasjenige von He. und Ha. nahegelegt. Aber es hat doch den Anschein, als wenn den Extremen O. und De. einerseits, M. und Da. andererseits, eine gewisse typische Bedeutung zukäme, deren Grundlage, wie früher ausgeführt, wol am wahrscheinlichsten in einer Verschiedenheit der Lernmethode zu suchen wäre. Je nach- dem die motorische Sprachvorstellung oder das Schrift- resp. Klangbild, also der sinnliche Eindruck, ausschliesslich oder vorwiegend zur Fixirung des Lernmaterials benutzt wird, müssen wir ja die gestellte Aufgabe entweder durch häufige Wiederholung des sprachlichen Innervations- actes oder durch möglichst aufmerksame und darum langsame Ein- prägung der wirklichen oder associirten Sinnesvorstellung zu lösen suchen.
Dass in dieser Beziehung thatsächlich bedeutende Verschieden- heiten vorkommen, scheinen mir mannigfaltige Erfahrungen darzuthun. Es giebt zahlreiche Menschen — und ich selbst gehöre zu diesen — welche bei Weitem am besten auswendig lernen, wenn sie das vor- liegende Material laut recitiren und dadurch die motorischen Inner- vationen zu möglichster Intensität steigern. Das Hören des Ge- sprochenen kommt dabei nicht in Betracht, stört vielleicht sogar, denn ich lerne mit verschlossenen Ohren eher noch leichter. Andererseits sind mir die Geheimnisse der Mnemotechnik, mit Hülfe deren zahllose Daten untereinander in ein associatives System gebracht werden, stets ein Buch mit sieben Siegeln geblieben. Es ist mir subjectiv schlechter- dings unverständlich, inwiefern diese Lernmethode eine Erleichterung bedeuten kann. Ich möchte endlich noch darauf hinweisen, dass ich bei der schriftlichen Wiedergabe von Gedanken einen Unterschied bemerkt habe, der mir mit den hier besprochenen Verhältnissen in Beziehung zu stehen scheint. Ueberall, wo mir die geistige Ver- arbeitung des Stoffes Schwierigkeiten bereitet, arbeite ich leichter, wenn ich selbst am Schreibtisch sitze. Handelt es sich aber darum, einfach für gewohnte Gedankengänge eine möglichst elegante und schwungvolle Form zu finden, so gelingt das besser beim Dictiren und namentlich im Herumgehen. Im ersteren Falle richtet sich die Aufmerksamkeit vorzugsweise auf den begrifflichen Inhalt der Gedanken, im letzteren dagegen auf die motorischen Sprachvorstellungen. Dort suche ich jede Ablenkung auf das motorische Gebiet nach Möglich-
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[135/0151]
zur Bestätigung, dass es sich hier nicht um zufällige, sondern um
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handelt. Die Möglichkeit von Uebergängen soll dadurch nicht ausge-
schlossen werden, wird vielmehr gerade durch das Verhalten von K.,
vielleicht auch dasjenige von He. und Ha. nahegelegt. Aber es hat
doch den Anschein, als wenn den Extremen O. und De. einerseits, M.
und Da. andererseits, eine gewisse typische Bedeutung zukäme, deren
Grundlage, wie früher ausgeführt, wol am wahrscheinlichsten in einer
Verschiedenheit der Lernmethode zu suchen wäre. Je nach-
dem die motorische Sprachvorstellung oder das Schrift- resp. Klangbild,
also der sinnliche Eindruck, ausschliesslich oder vorwiegend zur Fixirung
des Lernmaterials benutzt wird, müssen wir ja die gestellte Aufgabe
entweder durch häufige Wiederholung des sprachlichen Innervations-
actes oder durch möglichst aufmerksame und darum langsame Ein-
prägung der wirklichen oder associirten Sinnesvorstellung zu lösen
suchen.
Dass in dieser Beziehung thatsächlich bedeutende Verschieden-
heiten vorkommen, scheinen mir mannigfaltige Erfahrungen darzuthun.
Es giebt zahlreiche Menschen — und ich selbst gehöre zu diesen —
welche bei Weitem am besten auswendig lernen, wenn sie das vor-
liegende Material laut recitiren und dadurch die motorischen Inner-
vationen zu möglichster Intensität steigern. Das Hören des Ge-
sprochenen kommt dabei nicht in Betracht, stört vielleicht sogar, denn
ich lerne mit verschlossenen Ohren eher noch leichter. Andererseits
sind mir die Geheimnisse der Mnemotechnik, mit Hülfe deren zahllose
Daten untereinander in ein associatives System gebracht werden, stets
ein Buch mit sieben Siegeln geblieben. Es ist mir subjectiv schlechter-
dings unverständlich, inwiefern diese Lernmethode eine Erleichterung
bedeuten kann. Ich möchte endlich noch darauf hinweisen, dass ich
bei der schriftlichen Wiedergabe von Gedanken einen Unterschied
bemerkt habe, der mir mit den hier besprochenen Verhältnissen in
Beziehung zu stehen scheint. Ueberall, wo mir die geistige Ver-
arbeitung des Stoffes Schwierigkeiten bereitet, arbeite ich leichter,
wenn ich selbst am Schreibtisch sitze. Handelt es sich aber darum,
einfach für gewohnte Gedankengänge eine möglichst elegante und
schwungvolle Form zu finden, so gelingt das besser beim Dictiren
und namentlich im Herumgehen. Im ersteren Falle richtet sich die
Aufmerksamkeit vorzugsweise auf den begrifflichen Inhalt der Gedanken,
im letzteren dagegen auf die motorischen Sprachvorstellungen. Dort
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Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraepelin_arzneimittel_1892/151>, abgerufen am 16.07.2024.
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