Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790. Eulal. Ich bitte Sie -- es giebt Saiten im menschlichen Herzen, deren Berührung zuweilen einen so traurigen Mißton hervorbringt -- ich bitte Sie -- Der Major. Ich verstehe. (er schweigt ehrerbietig) Eulal. (nach einer Pause ihre vorige Laune wieder er- künstelnd) Wahrhaftig, ich werde anfangen, dem Herrn Bittermann seine Kunstgriffe abzulernen. Nichts Neues aus der Residenz, Herr Major? Der Major. Nichts von Bedeutung. Doch -- ich kann nicht wissen, was Sie dort interessirt, welche Bekanntschaften Sie haben. Eulal. Ich? nicht eine einzige. Der Major. Also wohl gar nicht einmal in unserm Lande gebohren? Eulal. Weder gebohren, noch erzogen. Der Major. Darf ich fragen, welcher Him- melsstrich -- Eulal. So glücklich gewesen, meine Wenig- keit hervorzubringen? Ich bin eine Deutsche; das heilige römische Reich ist mein Vaterland. Der Major. Wirklich, Sie wissen alles in einen geheimnißvollen Schleier zu hüllen; nur Ihre Vorzüge nicht. Eulal. Ich bitte Sie — es giebt Saiten im menſchlichen Herzen, deren Beruͤhrung zuweilen einen ſo traurigen Mißton hervorbringt — ich bitte Sie — Der Major. Ich verſtehe. (er ſchweigt ehrerbietig) Eulal. (nach einer Pauſe ihre vorige Laune wieder er- künſtelnd) Wahrhaftig, ich werde anfangen, dem Herrn Bittermann ſeine Kunſtgriffe abzulernen. Nichts Neues aus der Reſidenz, Herr Major? Der Major. Nichts von Bedeutung. Doch — ich kann nicht wiſſen, was Sie dort intereſſirt, welche Bekanntſchaften Sie haben. Eulal. Ich? nicht eine einzige. Der Major. Alſo wohl gar nicht einmal in unſerm Lande gebohren? Eulal. Weder gebohren, noch erzogen. Der Major. Darf ich fragen, welcher Him- melsſtrich — Eulal. So gluͤcklich geweſen, meine Wenig- keit hervorzubringen? Ich bin eine Deutſche; das heilige roͤmiſche Reich iſt mein Vaterland. Der Major. Wirklich, Sie wiſſen alles in einen geheimnißvollen Schleier zu huͤllen; nur Ihre Vorzuͤge nicht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0060" n="52"/> <sp who="#EUL"> <speaker> <hi rendition="#fr">Eulal.</hi> </speaker> <p>Ich bitte Sie — es giebt Saiten im<lb/> menſchlichen Herzen, deren Beruͤhrung zuweilen<lb/> einen ſo traurigen Mißton hervorbringt — ich<lb/> bitte Sie —</p> </sp><lb/> <sp who="#MAJ"> <speaker> <hi rendition="#fr">Der Major.</hi> </speaker> <p>Ich verſtehe.</p> <stage>(er ſchweigt ehrerbietig)</stage> </sp><lb/> <sp who="#EUL"> <speaker> <hi rendition="#fr">Eulal.</hi> </speaker> <stage>(nach einer Pauſe ihre vorige Laune wieder er-<lb/> künſtelnd)</stage> <p>Wahrhaftig, ich werde anfangen, dem<lb/> Herrn Bittermann ſeine Kunſtgriffe abzulernen.<lb/> Nichts Neues aus der Reſidenz, Herr Major?</p> </sp><lb/> <sp who="#MAJ"> <speaker> <hi rendition="#fr">Der Major.</hi> </speaker> <p>Nichts von Bedeutung. Doch —<lb/> ich kann nicht wiſſen, was Sie dort intereſſirt,<lb/> welche Bekanntſchaften Sie haben.</p> </sp><lb/> <sp who="#EUL"> <speaker> <hi rendition="#fr">Eulal.</hi> </speaker> <p>Ich? nicht eine einzige.</p> </sp><lb/> <sp who="#MAJ"> <speaker> <hi rendition="#fr">Der Major.</hi> </speaker> <p>Alſo wohl gar nicht einmal in<lb/> unſerm Lande gebohren?</p> </sp><lb/> <sp who="#EUL"> <speaker> <hi rendition="#fr">Eulal.</hi> </speaker> <p>Weder gebohren, noch erzogen.</p> </sp><lb/> <sp who="#MAJ"> <speaker> <hi rendition="#fr">Der Major.</hi> </speaker> <p>Darf ich fragen, welcher Him-<lb/> melsſtrich —</p> </sp><lb/> <sp who="#EUL"> <speaker> <hi rendition="#fr">Eulal.</hi> </speaker> <p>So gluͤcklich geweſen, meine Wenig-<lb/> keit hervorzubringen? Ich bin eine Deutſche; das<lb/> heilige roͤmiſche Reich iſt mein Vaterland.</p> </sp><lb/> <sp who="#MAJ"> <speaker> <hi rendition="#fr">Der Major.</hi> </speaker> <p>Wirklich, Sie wiſſen alles in<lb/> einen geheimnißvollen Schleier zu huͤllen; nur<lb/> Ihre Vorzuͤge nicht.</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [52/0060]
Eulal. Ich bitte Sie — es giebt Saiten im
menſchlichen Herzen, deren Beruͤhrung zuweilen
einen ſo traurigen Mißton hervorbringt — ich
bitte Sie —
Der Major. Ich verſtehe. (er ſchweigt ehrerbietig)
Eulal. (nach einer Pauſe ihre vorige Laune wieder er-
künſtelnd) Wahrhaftig, ich werde anfangen, dem
Herrn Bittermann ſeine Kunſtgriffe abzulernen.
Nichts Neues aus der Reſidenz, Herr Major?
Der Major. Nichts von Bedeutung. Doch —
ich kann nicht wiſſen, was Sie dort intereſſirt,
welche Bekanntſchaften Sie haben.
Eulal. Ich? nicht eine einzige.
Der Major. Alſo wohl gar nicht einmal in
unſerm Lande gebohren?
Eulal. Weder gebohren, noch erzogen.
Der Major. Darf ich fragen, welcher Him-
melsſtrich —
Eulal. So gluͤcklich geweſen, meine Wenig-
keit hervorzubringen? Ich bin eine Deutſche; das
heilige roͤmiſche Reich iſt mein Vaterland.
Der Major. Wirklich, Sie wiſſen alles in
einen geheimnißvollen Schleier zu huͤllen; nur
Ihre Vorzuͤge nicht.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/60 |
Zitationshilfe: | Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/60>, abgerufen am 16.07.2024. |