Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790.Zweyter Auftritt. Eulalia. Der Major. Eulal. (tritt mit einer sehr anständigen Verbeugung in das Zimmer.) Der Major. (erwidert sie ein wenig verwirrt, für sich) Nein, alt ist sie nicht. (Er wirft noch einen Blick auf sie.) Beym Henker, nein! und häßlich auch nicht. Eulal. Ich freue mich, gnädiger Herr, in Ih- nen den Bruder meiner Wohlthäterin kennen zu lernen. Der Major. Madam -- jeder Titel ist kostbar, wenn er Anspruch auf ihre Bekanntschaft giebt. Eulal. (ohne das Kompliment weder durch Blick noch durch Stellung zu erwidern) Die schöne Jahreszeit hat den Herrn Grafen vermuthlich aus der Stadt gelockt? Der Major. Das wohl eben nicht. Sie kennen ihn. Ihm gilt es gleichviel, ob wir Regen oder Son- nenschein, Frühling oder Winter haben, wenn nur in seinem eignen Hause ein ewiger Sommer herrscht. Das heißt nehmlich: eine freundliche Frau, eine gut besetzte Tafel und ein paar lachende Freunde. Eulal. Der Graf ist ein liebenswürdiger Epi- kuräer; immer gleichlaunigt, immer genießend jede C 5
Zweyter Auftritt. Eulalia. Der Major. Eulal. (tritt mit einer ſehr anſtändigen Verbeugung in das Zimmer.) Der Major. (erwidert ſie ein wenig verwirrt, für ſich) Nein, alt iſt ſie nicht. (Er wirft noch einen Blick auf ſie.) Beym Henker, nein! und haͤßlich auch nicht. Eulal. Ich freue mich, gnaͤdiger Herr, in Ih- nen den Bruder meiner Wohlthaͤterin kennen zu lernen. Der Major. Madam — jeder Titel iſt koſtbar, wenn er Anſpruch auf ihre Bekanntſchaft giebt. Eulal. (ohne das Kompliment weder durch Blick noch durch Stellung zu erwidern) Die ſchoͤne Jahreszeit hat den Herrn Grafen vermuthlich aus der Stadt gelockt? Der Major. Das wohl eben nicht. Sie kennen ihn. Ihm gilt es gleichviel, ob wir Regen oder Son- nenſchein, Fruͤhling oder Winter haben, wenn nur in ſeinem eignen Hauſe ein ewiger Sommer herrſcht. Das heißt nehmlich: eine freundliche Frau, eine gut beſetzte Tafel und ein paar lachende Freunde. Eulal. Der Graf iſt ein liebenswuͤrdiger Epi- kuraͤer; immer gleichlaunigt, immer genießend jede C 5
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Zweyter Auftritt.
Eulalia. Der Major.
Eulal. (tritt mit einer ſehr anſtändigen Verbeugung in
das Zimmer.)
Der Major. (erwidert ſie ein wenig verwirrt, für ſich)
Nein, alt iſt ſie nicht. (Er wirft noch einen Blick auf ſie.)
Beym Henker, nein! und haͤßlich auch nicht.
Eulal. Ich freue mich, gnaͤdiger Herr, in Ih-
nen den Bruder meiner Wohlthaͤterin kennen zu
lernen.
Der Major. Madam — jeder Titel iſt koſtbar,
wenn er Anſpruch auf ihre Bekanntſchaft giebt.
Eulal. (ohne das Kompliment weder durch Blick noch durch
Stellung zu erwidern) Die ſchoͤne Jahreszeit hat den
Herrn Grafen vermuthlich aus der Stadt gelockt?
Der Major. Das wohl eben nicht. Sie kennen
ihn. Ihm gilt es gleichviel, ob wir Regen oder Son-
nenſchein, Fruͤhling oder Winter haben, wenn nur
in ſeinem eignen Hauſe ein ewiger Sommer herrſcht.
Das heißt nehmlich: eine freundliche Frau, eine
gut beſetzte Tafel und ein paar lachende Freunde.
Eulal. Der Graf iſt ein liebenswuͤrdiger Epi-
kuraͤer; immer gleichlaunigt, immer genießend jede
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Zitationshilfe: | Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/49>, abgerufen am 16.07.2024. |