Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790. Major. Aufrichtig, Meinau, du liebst sie noch. Unbek. Leider ja! Major. Ihre ungeheuchelte Reue hat ihre Schuld längst getilgt. Was hält dich ab, wieder so glück- lich zu seyn, als du einst warst? Unbek. Ein Weib, das fähig war, einmal die eheliche Treue zu verletzen, ist es auch zum zweyten Male. Major. Nicht so Eulalia. Vergieb mir, Bru- der, wenn ich den größten Theil ihrer Schuld auf dich selbst zurück schiebe. Unbek. Auf mich? Major. Auf dich. Wer hieß dich, ein junges, unerzogenes Mädchen heurathen? Von einem Manne von fünf und zwanzig Jahren fodert man kaum feste Grundsätze; und du suchtest dergleichen bey einem weiblichen Geschöpf von vierzehn Jah- ren? Doch das bey Seite. Sie hat gefehlt, sie hat gebüßt, und in einer Zeit von drey Jahren sich so untadelich betragen, daß auch die schwärzeste Verleumdung durch ihr vergrößerndes Sehrohr in dieser Sonne keinen Flecken entdecken würde. Unbek. Und wenn ich auch das alles glaube -- denn ich gestehe dir, ich glaube es gern -- so kann Major. Aufrichtig, Meinau, du liebſt ſie noch. Unbek. Leider ja! Major. Ihre ungeheuchelte Reue hat ihre Schuld laͤngſt getilgt. Was haͤlt dich ab, wieder ſo gluͤck- lich zu ſeyn, als du einſt warſt? Unbek. Ein Weib, das faͤhig war, einmal die eheliche Treue zu verletzen, iſt es auch zum zweyten Male. Major. Nicht ſo Eulalia. Vergieb mir, Bru- der, wenn ich den groͤßten Theil ihrer Schuld auf dich ſelbſt zuruͤck ſchiebe. Unbek. Auf mich? Major. Auf dich. Wer hieß dich, ein junges, unerzogenes Maͤdchen heurathen? Von einem Manne von fuͤnf und zwanzig Jahren fodert man kaum feſte Grundſaͤtze; und du ſuchteſt dergleichen bey einem weiblichen Geſchoͤpf von vierzehn Jah- ren? Doch das bey Seite. Sie hat gefehlt, ſie hat gebuͤßt, und in einer Zeit von drey Jahren ſich ſo untadelich betragen, daß auch die ſchwaͤrzeſte Verleumdung durch ihr vergroͤßerndes Sehrohr in dieſer Sonne keinen Flecken entdecken wuͤrde. Unbek. Und wenn ich auch das alles glaube — denn ich geſtehe dir, ich glaube es gern — ſo kann <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0163" n="155"/> <sp who="#MAJ"> <speaker> <hi rendition="#fr">Major.</hi> </speaker> <p>Aufrichtig, Meinau, du liebſt ſie noch.</p> </sp><lb/> <sp who="#UNBE"> <speaker> <hi rendition="#fr">Unbek.</hi> </speaker> <p>Leider ja!</p> </sp><lb/> <sp who="#MAJ"> <speaker> <hi rendition="#fr">Major.</hi> </speaker> <p>Ihre ungeheuchelte Reue hat ihre Schuld<lb/> laͤngſt getilgt. Was haͤlt dich ab, wieder ſo gluͤck-<lb/> lich zu ſeyn, als du einſt warſt?</p> </sp><lb/> <sp who="#UNBE"> <speaker> <hi rendition="#fr">Unbek.</hi> </speaker> <p>Ein Weib, das faͤhig war, <hi rendition="#g">einmal</hi><lb/> die eheliche Treue zu verletzen, iſt es auch zum<lb/> zweyten Male.</p> </sp><lb/> <sp who="#MAJ"> <speaker> <hi rendition="#fr">Major.</hi> </speaker> <p>Nicht ſo Eulalia. Vergieb mir, Bru-<lb/> der, wenn ich den groͤßten Theil ihrer Schuld auf<lb/> dich ſelbſt zuruͤck ſchiebe.</p> </sp><lb/> <sp who="#UNBE"> <speaker> <hi rendition="#fr">Unbek.</hi> </speaker> <p>Auf mich?</p> </sp><lb/> <sp who="#MAJ"> <speaker> <hi rendition="#fr">Major.</hi> </speaker> <p>Auf dich. Wer hieß dich, ein junges,<lb/> unerzogenes Maͤdchen heurathen? Von einem<lb/> Manne von fuͤnf und zwanzig Jahren fodert man<lb/> kaum feſte Grundſaͤtze; und du ſuchteſt dergleichen<lb/> bey einem weiblichen Geſchoͤpf von vierzehn Jah-<lb/> ren? Doch das bey Seite. Sie hat gefehlt, ſie<lb/> hat gebuͤßt, und in einer Zeit von drey Jahren ſich<lb/> ſo untadelich betragen, daß auch die ſchwaͤrzeſte<lb/> Verleumdung durch ihr vergroͤßerndes Sehrohr in<lb/> dieſer Sonne keinen Flecken entdecken wuͤrde.</p> </sp><lb/> <sp who="#UNBE"> <speaker> <hi rendition="#fr">Unbek.</hi> </speaker> <p>Und wenn ich auch das alles glaube —<lb/> denn ich geſtehe dir, ich glaube es gern — ſo kann<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [155/0163]
Major. Aufrichtig, Meinau, du liebſt ſie noch.
Unbek. Leider ja!
Major. Ihre ungeheuchelte Reue hat ihre Schuld
laͤngſt getilgt. Was haͤlt dich ab, wieder ſo gluͤck-
lich zu ſeyn, als du einſt warſt?
Unbek. Ein Weib, das faͤhig war, einmal
die eheliche Treue zu verletzen, iſt es auch zum
zweyten Male.
Major. Nicht ſo Eulalia. Vergieb mir, Bru-
der, wenn ich den groͤßten Theil ihrer Schuld auf
dich ſelbſt zuruͤck ſchiebe.
Unbek. Auf mich?
Major. Auf dich. Wer hieß dich, ein junges,
unerzogenes Maͤdchen heurathen? Von einem
Manne von fuͤnf und zwanzig Jahren fodert man
kaum feſte Grundſaͤtze; und du ſuchteſt dergleichen
bey einem weiblichen Geſchoͤpf von vierzehn Jah-
ren? Doch das bey Seite. Sie hat gefehlt, ſie
hat gebuͤßt, und in einer Zeit von drey Jahren ſich
ſo untadelich betragen, daß auch die ſchwaͤrzeſte
Verleumdung durch ihr vergroͤßerndes Sehrohr in
dieſer Sonne keinen Flecken entdecken wuͤrde.
Unbek. Und wenn ich auch das alles glaube —
denn ich geſtehe dir, ich glaube es gern — ſo kann
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/163 |
Zitationshilfe: | Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/163>, abgerufen am 16.07.2024. |