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Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790.

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Major. Lerne deine Frau besser kennen! Ja,
ich bin ein Abgeordneter von ihr; doch ohne alle
Vollmacht, Frieden zu stiften. Sie, die dich un-
aussprechlich liebt, die ohne dich nie glücklich seyn
kann und wird, sie entsagt deiner Verzeihung,
weil -- so drückt sie sich aus -- deine Ehre mit
einer solchen Schwachheit nicht vereinbar sey.
Unbek. Possen! mich fängt man nicht.
Major. Meinau, besinne dich wohl! Sie ist
ein herrliches Weib.
Unbek. Soll ich dir sagen, Bruder, wie das
alles zusammenhängt? Seit vier Monaten wohne
ich hier; das wußte Eulalia --
Major. Das wußte sie? Sie sah dich heute
zum ersten Male.
Unbek. Das mag sie einem Narren weiß machen.
Höre nur weiter! Sie wußte ferner recht gut, daß
ich kein ganz gewöhnlicher Schlag von Menschen
bin, daß auf der großen Heerstraße meinem Herzen
nicht beyzukommen ist. Deshalb legte sie einen
feinen, tief versteckten Plan an. Sie spielte die
Wohlthätige; doch so, daß ich es jedesmal erfah-
ren mußte. Sie spielte die Fromme, die Sitt-
same, die Eingezogene, um meine Neugier rege
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Major. Lerne deine Frau beſſer kennen! Ja,
ich bin ein Abgeordneter von ihr; doch ohne alle
Vollmacht, Frieden zu ſtiften. Sie, die dich un-
ausſprechlich liebt, die ohne dich nie gluͤcklich ſeyn
kann und wird, ſie entſagt deiner Verzeihung,
weil — ſo druͤckt ſie ſich aus — deine Ehre mit
einer ſolchen Schwachheit nicht vereinbar ſey.
Unbek. Poſſen! mich faͤngt man nicht.
Major. Meinau, beſinne dich wohl! Sie iſt
ein herrliches Weib.
Unbek. Soll ich dir ſagen, Bruder, wie das
alles zuſammenhaͤngt? Seit vier Monaten wohne
ich hier; das wußte Eulalia —
Major. Das wußte ſie? Sie ſah dich heute
zum erſten Male.
Unbek. Das mag ſie einem Narren weiß machen.
Hoͤre nur weiter! Sie wußte ferner recht gut, daß
ich kein ganz gewoͤhnlicher Schlag von Menſchen
bin, daß auf der großen Heerſtraße meinem Herzen
nicht beyzukommen iſt. Deshalb legte ſie einen
feinen, tief verſteckten Plan an. Sie ſpielte die
Wohlthaͤtige; doch ſo, daß ich es jedesmal erfah-
ren mußte. Sie ſpielte die Fromme, die Sitt-
ſame, die Eingezogene, um meine Neugier rege
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[153/0161] Major. Lerne deine Frau beſſer kennen! Ja, ich bin ein Abgeordneter von ihr; doch ohne alle Vollmacht, Frieden zu ſtiften. Sie, die dich un- ausſprechlich liebt, die ohne dich nie gluͤcklich ſeyn kann und wird, ſie entſagt deiner Verzeihung, weil — ſo druͤckt ſie ſich aus — deine Ehre mit einer ſolchen Schwachheit nicht vereinbar ſey. Unbek. Poſſen! mich faͤngt man nicht. Major. Meinau, beſinne dich wohl! Sie iſt ein herrliches Weib. Unbek. Soll ich dir ſagen, Bruder, wie das alles zuſammenhaͤngt? Seit vier Monaten wohne ich hier; das wußte Eulalia — Major. Das wußte ſie? Sie ſah dich heute zum erſten Male. Unbek. Das mag ſie einem Narren weiß machen. Hoͤre nur weiter! Sie wußte ferner recht gut, daß ich kein ganz gewoͤhnlicher Schlag von Menſchen bin, daß auf der großen Heerſtraße meinem Herzen nicht beyzukommen iſt. Deshalb legte ſie einen feinen, tief verſteckten Plan an. Sie ſpielte die Wohlthaͤtige; doch ſo, daß ich es jedesmal erfah- ren mußte. Sie ſpielte die Fromme, die Sitt- ſame, die Eingezogene, um meine Neugier rege K 5

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/161>, abgerufen am 27.11.2024.