Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790.
aber diesem Dank so geflissentlich ausweichen, daß die Wohlthat dem andern zur Last wird, ist Affec- tation. Unbek. Gilt das mir? Major. Ich will gern glauben, daß es nicht dein Fall ist; denn ich kenne dich besser: aber ich bitte dich, was sollen die Meinigen von dir den- ken? Es giebt schöne Dinge in der Welt, die man nicht zu weit treiben darf; Dinge, die anfänglich Bewunderung erregen, hinterdrein Verdruß, und am Ende eine Art von bittrer Gleichgültigkeit. Unbek. Bruder, es giebt auch Dinge in der Welt, die sich besser predigen, als befolgen lassen. Wenn du wüßtest, wie mich jedes fremde Men- schengesicht anekelt, wie ich lieber auf Millionen Nadeln sitzen möchte, als auf einem gepolsterten Stuhle in euren eleganten Zirkeln; wie mir das auf den ganzen Tag meine beste Laune verderbt, wenn ich nur von ferne einen Menschen auf mich zu- kommen sehe, dem ich nicht mehr ausweichen kann, und vor dem ich also meinen Hut ziehen muß. -- O laß mich! laß mich in Ruhe! -- Jeder Mensch sucht um sich her sich einen eigenen Zirkel zu bil- den, dessen Mittelpunkt er selbst ist; so ich den
aber dieſem Dank ſo gefliſſentlich ausweichen, daß die Wohlthat dem andern zur Laſt wird, iſt Affec- tation. Unbek. Gilt das mir? Major. Ich will gern glauben, daß es nicht dein Fall iſt; denn ich kenne dich beſſer: aber ich bitte dich, was ſollen die Meinigen von dir den- ken? Es giebt ſchoͤne Dinge in der Welt, die man nicht zu weit treiben darf; Dinge, die anfaͤnglich Bewunderung erregen, hinterdrein Verdruß, und am Ende eine Art von bittrer Gleichguͤltigkeit. Unbek. Bruder, es giebt auch Dinge in der Welt, die ſich beſſer predigen, als befolgen laſſen. Wenn du wuͤßteſt, wie mich jedes fremde Men- ſchengeſicht anekelt, wie ich lieber auf Millionen Nadeln ſitzen moͤchte, als auf einem gepolſterten Stuhle in euren eleganten Zirkeln; wie mir das auf den ganzen Tag meine beſte Laune verderbt, wenn ich nur von ferne einen Menſchen auf mich zu- kommen ſehe, dem ich nicht mehr ausweichen kann, und vor dem ich alſo meinen Hut ziehen muß. — O laß mich! laß mich in Ruhe! — Jeder Menſch ſucht um ſich her ſich einen eigenen Zirkel zu bil- den, deſſen Mittelpunkt er ſelbſt iſt; ſo ich den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#MAJ"> <p><pb facs="#f0126" n="118"/> aber dieſem Dank ſo gefliſſentlich ausweichen, daß<lb/> die Wohlthat dem andern zur Laſt wird, iſt Affec-<lb/> tation.</p> </sp><lb/> <sp who="#UNBE"> <speaker> <hi rendition="#fr">Unbek.</hi> </speaker> <p>Gilt das mir?</p> </sp><lb/> <sp who="#MAJ"> <speaker> <hi rendition="#fr">Major.</hi> </speaker> <p>Ich will gern glauben, daß es nicht<lb/> dein Fall iſt; denn ich kenne dich beſſer: aber ich<lb/> bitte dich, was ſollen die Meinigen von dir den-<lb/> ken? Es giebt ſchoͤne Dinge in der Welt, die man<lb/> nicht zu weit treiben darf; Dinge, die anfaͤnglich<lb/> Bewunderung erregen, hinterdrein Verdruß, und<lb/> am Ende eine Art von bittrer Gleichguͤltigkeit.</p> </sp><lb/> <sp who="#UNBE"> <speaker> <hi rendition="#fr">Unbek.</hi> </speaker> <p>Bruder, es giebt auch Dinge in der<lb/> Welt, die ſich beſſer predigen, als befolgen laſſen.<lb/> Wenn du wuͤßteſt, wie mich jedes fremde Men-<lb/> ſchengeſicht anekelt, wie ich lieber auf Millionen<lb/> Nadeln ſitzen moͤchte, als auf einem gepolſterten<lb/> Stuhle in euren eleganten Zirkeln; wie mir das<lb/> auf den ganzen Tag meine beſte Laune verderbt,<lb/> wenn ich nur von ferne einen Menſchen auf mich zu-<lb/> kommen ſehe, dem ich nicht mehr ausweichen kann,<lb/> und vor dem ich alſo meinen Hut ziehen muß. —<lb/> O laß mich! laß mich in Ruhe! — Jeder Menſch<lb/> ſucht um ſich her ſich einen eigenen Zirkel zu bil-<lb/> den, deſſen Mittelpunkt er ſelbſt iſt; ſo ich den<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [118/0126]
aber dieſem Dank ſo gefliſſentlich ausweichen, daß
die Wohlthat dem andern zur Laſt wird, iſt Affec-
tation.
Unbek. Gilt das mir?
Major. Ich will gern glauben, daß es nicht
dein Fall iſt; denn ich kenne dich beſſer: aber ich
bitte dich, was ſollen die Meinigen von dir den-
ken? Es giebt ſchoͤne Dinge in der Welt, die man
nicht zu weit treiben darf; Dinge, die anfaͤnglich
Bewunderung erregen, hinterdrein Verdruß, und
am Ende eine Art von bittrer Gleichguͤltigkeit.
Unbek. Bruder, es giebt auch Dinge in der
Welt, die ſich beſſer predigen, als befolgen laſſen.
Wenn du wuͤßteſt, wie mich jedes fremde Men-
ſchengeſicht anekelt, wie ich lieber auf Millionen
Nadeln ſitzen moͤchte, als auf einem gepolſterten
Stuhle in euren eleganten Zirkeln; wie mir das
auf den ganzen Tag meine beſte Laune verderbt,
wenn ich nur von ferne einen Menſchen auf mich zu-
kommen ſehe, dem ich nicht mehr ausweichen kann,
und vor dem ich alſo meinen Hut ziehen muß. —
O laß mich! laß mich in Ruhe! — Jeder Menſch
ſucht um ſich her ſich einen eigenen Zirkel zu bil-
den, deſſen Mittelpunkt er ſelbſt iſt; ſo ich den
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