tesson, Roquelaure, Angouleme, Tallenrand, Puysegur, Boufflers, Laharpe, u. s. w. Einige glauben ihm, An- dere nicht; Einige geben ihm den Namen Blondel und neuer Joab. Man bedient sich der Ziffersprache; man macht sogar das Projekt, den Dauphin mit einer weit- läuftigen jungen Verwandtinn des königlichen Hauses zu vermählen. Hervagault weigert sich anfangs beizustim- men, denn er hat, (wie wir hernach hören werden,) der liebenswürdigen Schwester der Königinn von Portugall Treue geschworen, er giebt aber endlich aus Staats- gründen nach, und es wird beschlossen, für ihn zu werben.
Ehe aber alle diese Unterhandlungen recht in Gang kamen, wurde der Prozeß vor dem Kriminalgerichte zu Rheims noch einmal öffentlich untersucht, und zwar in Gegenwart eines zahlreichen Volks, welches sich offenbar auf die Seite des Beklagten neigte, laut gegen den Fis- kal des Gouvernements murrte, hingegen Hervagault's Vertheidiger mit Enthusiasmus beklatschte. Die Richter ließen sich aber nicht irre machen, sondern bestättigten das erste Urtheil. Während sie in einem andern Zimmer noch deliberirten, sah man die bangste Erwartung auf allen Gesichtern. Hervagault hörte sein Urtheil mit ei- nem spöttischen Lächeln kaltblütig an, und seine Anhän- ger, statt von den Gründen der Richter überzeugt zu werden, blieben nur noch halsstarriger auf ihrer Meinung. Man fuhr fort im Gefängniß ihn königlich zu bedienen. Er hatte unter andern einen silbernen Becher mit den Buchstaben L. C. (Louis Charles) und der alten fran- zösischen Krone geschmückt; er sagte dem Kerkermeister, das sey sein Chiffre. Keiner seiner Anhänger wurde abtrinnig, im Gegentheil ihr Eifer verdoppelte sich, und
tesson, Roquelaure, Angouleme, Tallenrand, Puysegur, Boufflers, Laharpe, u. s. w. Einige glauben ihm, An- dere nicht; Einige geben ihm den Namen Blondel und neuer Joab. Man bedient sich der Ziffersprache; man macht sogar das Projekt, den Dauphin mit einer weit- laͤuftigen jungen Verwandtinn des koͤniglichen Hauses zu vermaͤhlen. Hervagault weigert sich anfangs beizustim- men, denn er hat, (wie wir hernach hoͤren werden,) der liebenswuͤrdigen Schwester der Koͤniginn von Portugall Treue geschworen, er giebt aber endlich aus Staats- gruͤnden nach, und es wird beschlossen, fuͤr ihn zu werben.
Ehe aber alle diese Unterhandlungen recht in Gang kamen, wurde der Prozeß vor dem Kriminalgerichte zu Rheims noch einmal oͤffentlich untersucht, und zwar in Gegenwart eines zahlreichen Volks, welches sich offenbar auf die Seite des Beklagten neigte, laut gegen den Fis- kal des Gouvernements murrte, hingegen Hervagault's Vertheidiger mit Enthusiasmus beklatschte. Die Richter ließen sich aber nicht irre machen, sondern bestaͤttigten das erste Urtheil. Waͤhrend sie in einem andern Zimmer noch deliberirten, sah man die bangste Erwartung auf allen Gesichtern. Hervagault hoͤrte sein Urtheil mit ei- nem spoͤttischen Laͤcheln kaltbluͤtig an, und seine Anhaͤn- ger, statt von den Gruͤnden der Richter uͤberzeugt zu werden, blieben nur noch halsstarriger auf ihrer Meinung. Man fuhr fort im Gefaͤngniß ihn koͤniglich zu bedienen. Er hatte unter andern einen silbernen Becher mit den Buchstaben L. C. (Louis Charles) und der alten fran- zoͤsischen Krone geschmuͤckt; er sagte dem Kerkermeister, das sey sein Chiffre. Keiner seiner Anhaͤnger wurde abtrinnig, im Gegentheil ihr Eifer verdoppelte sich, und
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tesson, Roquelaure, Angouleme, Tallenrand, Puysegur,
Boufflers, Laharpe, u. s. w. Einige glauben ihm, An-
dere nicht; Einige geben ihm den Namen Blondel und
neuer Joab. Man bedient sich der Ziffersprache; man
macht sogar das Projekt, den Dauphin mit einer weit-
laͤuftigen jungen Verwandtinn des koͤniglichen Hauses zu
vermaͤhlen. Hervagault weigert sich anfangs beizustim-
men, denn er hat, (wie wir hernach hoͤren werden,)
der liebenswuͤrdigen Schwester der Koͤniginn von Portugall
Treue geschworen, er giebt aber endlich aus Staats-
gruͤnden nach, und es wird beschlossen, fuͤr ihn zu
werben.
Ehe aber alle diese Unterhandlungen recht in Gang
kamen, wurde der Prozeß vor dem Kriminalgerichte zu
Rheims noch einmal oͤffentlich untersucht, und zwar in
Gegenwart eines zahlreichen Volks, welches sich offenbar
auf die Seite des Beklagten neigte, laut gegen den Fis-
kal des Gouvernements murrte, hingegen Hervagault's
Vertheidiger mit Enthusiasmus beklatschte. Die Richter
ließen sich aber nicht irre machen, sondern bestaͤttigten
das erste Urtheil. Waͤhrend sie in einem andern Zimmer
noch deliberirten, sah man die bangste Erwartung auf
allen Gesichtern. Hervagault hoͤrte sein Urtheil mit ei-
nem spoͤttischen Laͤcheln kaltbluͤtig an, und seine Anhaͤn-
ger, statt von den Gruͤnden der Richter uͤberzeugt zu
werden, blieben nur noch halsstarriger auf ihrer Meinung.
Man fuhr fort im Gefaͤngniß ihn koͤniglich zu bedienen.
Er hatte unter andern einen silbernen Becher mit den
Buchstaben L. C. (Louis Charles) und der alten fran-
zoͤsischen Krone geschmuͤckt; er sagte dem Kerkermeister,
das sey sein Chiffre. Keiner seiner Anhaͤnger wurde
abtrinnig, im Gegentheil ihr Eifer verdoppelte sich, und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/99>, abgerufen am 08.07.2024.
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