dides Gastmahl veranstaltet. Man bittet um seine Be- freiung und will Bürgschaft für ihn stellen, aber verge- bens. Man kann also Nichts weiter thun, als ihm seine Ge- fangenschaft auf alle mögliche Weise erleichtern. Er wurde stets auf das köstlichste servirt, und war schon so daran verwöhnt, daß, als man ihm einst zum Abendessen ein Huhn, eine Taube, Salat und ein Creme brach- te, er das nicht hinreichend fand, sondern es auf die Erde warf. Der Notarius Adnet nannte ihn selbst im Gefängniß Monseigneur, und wurde dafür gnädig be- lohnt, durch die Benennung mon petit page, mon petit valet de chambre d'amitie.
So spielt er seine Rolle kaltblütig und mit Würde fort. Geht er zu Messe, so trägt ihm ein Bedienter Kissen und Gebethbuch nach. Er ernennt sich ei- nen Sekretair, der in seinem Namen Louis Charles un- terzeichnen muß. Wenn man einen großen Namen trägt, äußert er gegen die Richter, so ist man der Verfolgung ausgesetzt. -- Der Maire von Vitry sah sich endlich genöthigt, um des großen Zulaufs willen, ihn enger ein- zuschränken, auch den ungeheuern Lieferungen von Wein und Speisen vernünftige Gränzen zu setzen. Die noth- wendigsten Personen ausgenommen, mußte man einen Erlaubnißschein haben, um ihn zu besuchen.
Sein Verbrechen wurde indessen noch immer aus keinem politischen Gesichtspunkte betrachtet, sondern bloß der Polizeybehörde (police correctionelle) zur Unter- suchung und Bestrafung übergeben. Auch Madame Saignes wurde, als seine Mitschuldige, eingezogen, da man ihr aber Nichts beweisen konnte, wieder auf freien Fuß gestellt. Hervagault hingegen wurde zu Ende des Jahre 1802 wegen Escroquerie und Misbrauch der Leicht-
dides Gastmahl veranstaltet. Man bittet um seine Be- freiung und will Buͤrgschaft fuͤr ihn stellen, aber verge- bens. Man kann also Nichts weiter thun, als ihm seine Ge- fangenschaft auf alle moͤgliche Weise erleichtern. Er wurde stets auf das koͤstlichste servirt, und war schon so daran verwoͤhnt, daß, als man ihm einst zum Abendessen ein Huhn, eine Taube, Salat und ein Crême brach- te, er das nicht hinreichend fand, sondern es auf die Erde warf. Der Notarius Adnet nannte ihn selbst im Gefaͤngniß Monseigneur, und wurde dafuͤr gnaͤdig be- lohnt, durch die Benennung mon petit page, mon petit valet de chambre d'amitié.
So spielt er seine Rolle kaltbluͤtig und mit Wuͤrde fort. Geht er zu Messe, so traͤgt ihm ein Bedienter Kissen und Gebethbuch nach. Er ernennt sich ei- nen Sekretair, der in seinem Namen Louis Charles un- terzeichnen muß. Wenn man einen großen Namen traͤgt, aͤußert er gegen die Richter, so ist man der Verfolgung ausgesetzt. — Der Maire von Vitry sah sich endlich genoͤthigt, um des großen Zulaufs willen, ihn enger ein- zuschraͤnken, auch den ungeheuern Lieferungen von Wein und Speisen vernuͤnftige Graͤnzen zu setzen. Die noth- wendigsten Personen ausgenommen, mußte man einen Erlaubnißschein haben, um ihn zu besuchen.
Sein Verbrechen wurde indessen noch immer aus keinem politischen Gesichtspunkte betrachtet, sondern bloß der Polizeybehoͤrde (police correctionelle) zur Unter- suchung und Bestrafung uͤbergeben. Auch Madame Saignes wurde, als seine Mitschuldige, eingezogen, da man ihr aber Nichts beweisen konnte, wieder auf freien Fuß gestellt. Hervagault hingegen wurde zu Ende des Jahre 1802 wegen Escroquerie und Misbrauch der Leicht-
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dides Gastmahl veranstaltet. Man bittet um seine Be-
freiung und will Buͤrgschaft fuͤr ihn stellen, aber verge-
bens. Man kann also Nichts weiter thun, als ihm seine Ge-
fangenschaft auf alle moͤgliche Weise erleichtern. Er wurde
stets auf das koͤstlichste servirt, und war schon so daran
verwoͤhnt, daß, als man ihm einst zum Abendessen ein
Huhn, eine Taube, Salat und ein Crême brach-
te, er das nicht hinreichend fand, sondern es auf die
Erde warf. Der Notarius Adnet nannte ihn selbst im
Gefaͤngniß Monseigneur, und wurde dafuͤr gnaͤdig be-
lohnt, durch die Benennung mon petit page, mon
petit valet de chambre d'amitié.
So spielt er seine Rolle kaltbluͤtig und mit Wuͤrde
fort. Geht er zu Messe, so traͤgt ihm ein Bedienter
Kissen und Gebethbuch nach. Er ernennt sich ei-
nen Sekretair, der in seinem Namen Louis Charles un-
terzeichnen muß. Wenn man einen großen Namen traͤgt,
aͤußert er gegen die Richter, so ist man der Verfolgung
ausgesetzt. — Der Maire von Vitry sah sich endlich
genoͤthigt, um des großen Zulaufs willen, ihn enger ein-
zuschraͤnken, auch den ungeheuern Lieferungen von Wein
und Speisen vernuͤnftige Graͤnzen zu setzen. Die noth-
wendigsten Personen ausgenommen, mußte man einen
Erlaubnißschein haben, um ihn zu besuchen.
Sein Verbrechen wurde indessen noch immer aus
keinem politischen Gesichtspunkte betrachtet, sondern bloß
der Polizeybehoͤrde (police correctionelle) zur Unter-
suchung und Bestrafung uͤbergeben. Auch Madame
Saignes wurde, als seine Mitschuldige, eingezogen, da
man ihr aber Nichts beweisen konnte, wieder auf freien
Fuß gestellt. Hervagault hingegen wurde zu Ende des
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/97>, abgerufen am 08.07.2024.
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