zeichnet sind. Wer nun in diesen Hallen auf und nieder wandelt, liest unwillkührlich was, wohin er sich auch wenden mag, die Tafeln ihm vorhalten; im Soldaten erweckt es Ehrgeiz, in Bürger Nationalstolz; wer unter jenen Armeen diente, findet sich schmeichelhaft belohnt, wer jetzt darunter dient, genießt den Vorschmack des Lohns, der seiner wartet. Doch das Letztere wohl nie mehr, als wenn er das
Hotel der Jnvaliden
besucht. Daß schon das Aeußere dieses herrlichen Pala- stes an Pracht keinem Andern nachstehe, ist längst be- kannt, und ich halte mich dabei nicht auf. Aber von einer sonderbaren, fast möcht' ich sagen fröhlichen Wehmuth wird man ergriffen, wenn man so durch den großen Garten fährt, der vor dem Hotel sich ausdehnt, und die schöne freundliche Aussicht auf die Seine ge- währt; wenn man alle Augenblicke einem Krippel begeg- net, der froh und wohlgenährt aussieht, bequem auf ei- ner Bank frische Luft schöpft, oder müßig in den Gän- gen lustwandelt. Jch war da gerade zur Mittagszeit; als die Trommel das Zeichen zum Speisen gab, sam- melte sich Alt und Jung, kriechend und hinkend, in gro- ßen Sälen, wo sie sich an kleinen runden Tischen zusam- men setzten, und eßlustig in die Schüsseln langten, die mit guter Hausmannskost gefüllt standen. Sie sind aber auch gar nicht gezwungen in den Speisesälen zu essen, denn die dankbare Nation will ihnen nicht bloß Nahrung, sondern auch Bequemlichkeit im Alter geben; daher sah ich Viele, die sich ihre Portion holten, und sie auf ihr Zimmer trugen. Ein Jeder hat seine Karafine Wein da- bei, um sein Herz zu erfreuen. -- Aber wenn sie nun
zeichnet sind. Wer nun in diesen Hallen auf und nieder wandelt, liest unwillkuͤhrlich was, wohin er sich auch wenden mag, die Tafeln ihm vorhalten; im Soldaten erweckt es Ehrgeiz, in Buͤrger Nationalstolz; wer unter jenen Armeen diente, findet sich schmeichelhaft belohnt, wer jetzt darunter dient, genießt den Vorschmack des Lohns, der seiner wartet. Doch das Letztere wohl nie mehr, als wenn er das
Hotel der Jnvaliden
besucht. Daß schon das Aeußere dieses herrlichen Pala- stes an Pracht keinem Andern nachstehe, ist laͤngst be- kannt, und ich halte mich dabei nicht auf. Aber von einer sonderbaren, fast moͤcht' ich sagen froͤhlichen Wehmuth wird man ergriffen, wenn man so durch den großen Garten faͤhrt, der vor dem Hotel sich ausdehnt, und die schoͤne freundliche Aussicht auf die Seine ge- waͤhrt; wenn man alle Augenblicke einem Krippel begeg- net, der froh und wohlgenaͤhrt aussieht, bequem auf ei- ner Bank frische Luft schoͤpft, oder muͤßig in den Gaͤn- gen lustwandelt. Jch war da gerade zur Mittagszeit; als die Trommel das Zeichen zum Speisen gab, sam- melte sich Alt und Jung, kriechend und hinkend, in gro- ßen Saͤlen, wo sie sich an kleinen runden Tischen zusam- men setzten, und eßlustig in die Schuͤsseln langten, die mit guter Hausmannskost gefuͤllt standen. Sie sind aber auch gar nicht gezwungen in den Speisesaͤlen zu essen, denn die dankbare Nation will ihnen nicht bloß Nahrung, sondern auch Bequemlichkeit im Alter geben; daher sah ich Viele, die sich ihre Portion holten, und sie auf ihr Zimmer trugen. Ein Jeder hat seine Karafine Wein da- bei, um sein Herz zu erfreuen. — Aber wenn sie nun
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zeichnet sind. Wer nun in diesen Hallen auf und nieder
wandelt, liest unwillkuͤhrlich was, wohin er sich auch
wenden mag, die Tafeln ihm vorhalten; im Soldaten
erweckt es Ehrgeiz, in Buͤrger Nationalstolz; wer unter
jenen Armeen diente, findet sich schmeichelhaft belohnt,
wer jetzt darunter dient, genießt den Vorschmack des
Lohns, der seiner wartet. Doch das Letztere wohl nie
mehr, als wenn er das
Hotel der Jnvaliden
besucht. Daß schon das Aeußere dieses herrlichen Pala-
stes an Pracht keinem Andern nachstehe, ist laͤngst be-
kannt, und ich halte mich dabei nicht auf. Aber von
einer sonderbaren, fast moͤcht' ich sagen froͤhlichen
Wehmuth wird man ergriffen, wenn man so durch den
großen Garten faͤhrt, der vor dem Hotel sich ausdehnt,
und die schoͤne freundliche Aussicht auf die Seine ge-
waͤhrt; wenn man alle Augenblicke einem Krippel begeg-
net, der froh und wohlgenaͤhrt aussieht, bequem auf ei-
ner Bank frische Luft schoͤpft, oder muͤßig in den Gaͤn-
gen lustwandelt. Jch war da gerade zur Mittagszeit;
als die Trommel das Zeichen zum Speisen gab, sam-
melte sich Alt und Jung, kriechend und hinkend, in gro-
ßen Saͤlen, wo sie sich an kleinen runden Tischen zusam-
men setzten, und eßlustig in die Schuͤsseln langten, die
mit guter Hausmannskost gefuͤllt standen. Sie sind aber
auch gar nicht gezwungen in den Speisesaͤlen zu essen,
denn die dankbare Nation will ihnen nicht bloß Nahrung,
sondern auch Bequemlichkeit im Alter geben; daher sah
ich Viele, die sich ihre Portion holten, und sie auf ihr
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bei, um sein Herz zu erfreuen. — Aber wenn sie nun
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/80>, abgerufen am 31.07.2024.
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