Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.höchst appetitlich für das Auge zubereitet, überall lo- hoͤchst appetitlich fuͤr das Auge zubereitet, uͤberall lo- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0072" n="72"/> hoͤchst appetitlich fuͤr das Auge zubereitet, uͤberall lo-<lb/> cken. — Jst er satt, so kann er, eine Treppe hoch, in<lb/> schoͤn geschmuͤckten Saͤlen, mit allen moͤglichen Hazard-<lb/> spielen sich die Zeit vertreiben, und den Beutel fegen;<lb/> oder er kann dem Gesange einer Syrene folgen, der aus<lb/> den Fenstern des Entreesols ihm herabtoͤnt; oder er kann<lb/> in ein <hi rendition="#g">Lesekabinet</hi> gehen, welches ein gewißer Jor-<lb/> re haͤlt, wo man stets zwei warme Zimmer findet, und,<lb/> fuͤr sechs Livres monatlich, von Morgens bis Abends<lb/> einige 40 Zeitungen und Journale lesen kann. Jst er<lb/> auch das uͤberdruͤßig, so mag er — (man merke wohl,<lb/><hi rendition="#g">immer unter denselben</hi> Arkaden,) — ins <hi rendition="#g">Thea-<lb/> ter Montansier</hi> gehen, oder die <hi rendition="#g">Chinesischen<lb/> Schatten</hi> des Monsieur Seraphin besuchen, (wo noch<lb/> immer, wie vor dreizehn Jahren, die Russinn, die durch-<lb/> aus von ihrem Manne gepruͤgelt seyn will, um dessen<lb/> Liebe zu erkennen, den Parisern großen Spaß macht)<lb/> oder eine <hi rendition="#g">Kinder-</hi> und <hi rendition="#g">Puppen-Komoͤdie,</hi> oder<lb/> ein <hi rendition="#g">Gesellschaftstheater</hi> unten im Keller. Zu<lb/> meiner Zeit waren auch Pyramus und Thisbe in Wachs<lb/> zu schauen, und der guten Thisbe, die sich, vermuthlich<lb/> von Pyramus, in gesegneten Leibesumstaͤnden befand,<lb/> konnte der Leib aufgethan, und die Lage deß Kindes ge-<lb/> zeigt werden. Vor der Thuͤre stand ein Ausrufer, den<lb/> man schon von ferne den ganzen Tag schreien hoͤrte:<lb/> Messieurs voyez en passant le chef d'oeuvre de l'art,<lb/> curieux et intéressant, le professeur va commencer<lb/> l'explication dans l'instant. Entrez! entrez! Diese<lb/> Einladung wurde gleichsam nach einer Art von Melodie<lb/> abgesungen, und unaufhoͤrlich wiederholt, daß man end-<lb/> lich von dieser Melodie, wie von einem Gespenst, verfolgt<lb/> wurde, und sie noch immer zu hoͤren glaubte, wenn<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [72/0072]
hoͤchst appetitlich fuͤr das Auge zubereitet, uͤberall lo-
cken. — Jst er satt, so kann er, eine Treppe hoch, in
schoͤn geschmuͤckten Saͤlen, mit allen moͤglichen Hazard-
spielen sich die Zeit vertreiben, und den Beutel fegen;
oder er kann dem Gesange einer Syrene folgen, der aus
den Fenstern des Entreesols ihm herabtoͤnt; oder er kann
in ein Lesekabinet gehen, welches ein gewißer Jor-
re haͤlt, wo man stets zwei warme Zimmer findet, und,
fuͤr sechs Livres monatlich, von Morgens bis Abends
einige 40 Zeitungen und Journale lesen kann. Jst er
auch das uͤberdruͤßig, so mag er — (man merke wohl,
immer unter denselben Arkaden,) — ins Thea-
ter Montansier gehen, oder die Chinesischen
Schatten des Monsieur Seraphin besuchen, (wo noch
immer, wie vor dreizehn Jahren, die Russinn, die durch-
aus von ihrem Manne gepruͤgelt seyn will, um dessen
Liebe zu erkennen, den Parisern großen Spaß macht)
oder eine Kinder- und Puppen-Komoͤdie, oder
ein Gesellschaftstheater unten im Keller. Zu
meiner Zeit waren auch Pyramus und Thisbe in Wachs
zu schauen, und der guten Thisbe, die sich, vermuthlich
von Pyramus, in gesegneten Leibesumstaͤnden befand,
konnte der Leib aufgethan, und die Lage deß Kindes ge-
zeigt werden. Vor der Thuͤre stand ein Ausrufer, den
man schon von ferne den ganzen Tag schreien hoͤrte:
Messieurs voyez en passant le chef d'oeuvre de l'art,
curieux et intéressant, le professeur va commencer
l'explication dans l'instant. Entrez! entrez! Diese
Einladung wurde gleichsam nach einer Art von Melodie
abgesungen, und unaufhoͤrlich wiederholt, daß man end-
lich von dieser Melodie, wie von einem Gespenst, verfolgt
wurde, und sie noch immer zu hoͤren glaubte, wenn
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