mit jungen Künstlern besetzt, die kopiren oder betrach- ten. Die Kupferstiche sind in großen Portefeuille's gleich Büchern aufgestellt, und in Länder abgetheilt. Je- des Land hat dann wieder seine Unterabtheilungen. Die merkwürdigen Portaits sind unzählig, und da sie aber- mals in viele Klassen (als Fürsten, Gelehrte, Künstler u. s. w.) eingetheilt sind, so kann man ein einzelnes Portrait, das man eben gerne sehen möchte, leicht auf- finden. Z. B. ich wünschte Dr. Luthers Portrait, so suche ich zuerst die Seite der Wand, an welcher Deutsch- land aufgestellt ist, dann unter den verschiedenen Ru- briken die Portraits, dann unter den Portraits die Geistlichen, diesen Band lasse ich mir herausgeben, und befriedige meinen Wunsch in wenigen Minuten. -- Einst ließ ich mir zur Unterhaltung die deutschen Künst- ler reichen, und fand, zu meinem Erstauen, in dem nämlichen Portefeuille auch die deutschen Misgebur- ten und Narren, unter den letztern viele, die wir undankbare Deutsche ganz vergessen haben, doch auch manche alte Bekannte, z. B. Eulenspiegel, Hans- wurst, kurz, eine Menge Narren, denen man auf den ersten Blick ansah, daß sie recht gescheide Leute gewe- sen waren.
Die Kirche St. Sulpice
ein sehr imposantes Gebäude, dessen Aeußeres, nach mei- ner Empfindung, einen erhabenern Eindruck hervor- bringt, als das der Kirche Notre Dame. Jnwendig macht die Kuppel im Hintergrunde des Tempels eine fast magische Wirkung. Durch eine große Oeffnung näm- lich hinter dem Hochaltar scheinen die lichten Wolken hereinzuquillen und auf ihnen die heilige Jungfrau mit
mit jungen Kuͤnstlern besetzt, die kopiren oder betrach- ten. Die Kupferstiche sind in großen Portefeuille's gleich Buͤchern aufgestellt, und in Laͤnder abgetheilt. Je- des Land hat dann wieder seine Unterabtheilungen. Die merkwuͤrdigen Portaits sind unzaͤhlig, und da sie aber- mals in viele Klassen (als Fuͤrsten, Gelehrte, Kuͤnstler u. s. w.) eingetheilt sind, so kann man ein einzelnes Portrait, das man eben gerne sehen moͤchte, leicht auf- finden. Z. B. ich wuͤnschte Dr. Luthers Portrait, so suche ich zuerst die Seite der Wand, an welcher Deutsch- land aufgestellt ist, dann unter den verschiedenen Ru- briken die Portraits, dann unter den Portraits die Geistlichen, diesen Band lasse ich mir herausgeben, und befriedige meinen Wunsch in wenigen Minuten. — Einst ließ ich mir zur Unterhaltung die deutschen Kuͤnst- ler reichen, und fand, zu meinem Erstauen, in dem naͤmlichen Portefeuille auch die deutschen Misgebur- ten und Narren, unter den letztern viele, die wir undankbare Deutsche ganz vergessen haben, doch auch manche alte Bekannte, z. B. Eulenspiegel, Hans- wurst, kurz, eine Menge Narren, denen man auf den ersten Blick ansah, daß sie recht gescheide Leute gewe- sen waren.
Die Kirche St. Sulpice
ein sehr imposantes Gebaͤude, dessen Aeußeres, nach mei- ner Empfindung, einen erhabenern Eindruck hervor- bringt, als das der Kirche Notre Dame. Jnwendig macht die Kuppel im Hintergrunde des Tempels eine fast magische Wirkung. Durch eine große Oeffnung naͤm- lich hinter dem Hochaltar scheinen die lichten Wolken hereinzuquillen und auf ihnen die heilige Jungfrau mit
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Buͤchern aufgestellt, und in Laͤnder abgetheilt. Je-
des Land hat dann wieder seine Unterabtheilungen. Die
merkwuͤrdigen Portaits sind unzaͤhlig, und da sie aber-
mals in viele Klassen (als Fuͤrsten, Gelehrte, Kuͤnstler
u. s. w.) eingetheilt sind, so kann man ein einzelnes
Portrait, das man eben gerne sehen moͤchte, leicht auf-
finden. Z. B. ich wuͤnschte Dr. Luthers Portrait, so
suche ich zuerst die Seite der Wand, an welcher Deutsch-
land aufgestellt ist, dann unter den verschiedenen Ru-
briken die Portraits, dann unter den Portraits die
Geistlichen, diesen Band lasse ich mir herausgeben,
und befriedige meinen Wunsch in wenigen Minuten. —
Einst ließ ich mir zur Unterhaltung die deutschen Kuͤnst-
ler reichen, und fand, zu meinem Erstauen, in dem
naͤmlichen Portefeuille auch die deutschen Misgebur-
ten und Narren, unter den letztern viele, die wir
undankbare Deutsche ganz vergessen haben, doch auch
manche alte Bekannte, z. B. Eulenspiegel, Hans-
wurst, kurz, eine Menge Narren, denen man auf den
ersten Blick ansah, daß sie recht gescheide Leute gewe-
sen waren.
Die Kirche St. Sulpice
ein sehr imposantes Gebaͤude, dessen Aeußeres, nach mei-
ner Empfindung, einen erhabenern Eindruck hervor-
bringt, als das der Kirche Notre Dame. Jnwendig
macht die Kuppel im Hintergrunde des Tempels eine fast
magische Wirkung. Durch eine große Oeffnung naͤm-
lich hinter dem Hochaltar scheinen die lichten Wolken
hereinzuquillen und auf ihnen die heilige Jungfrau mit
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/70>, abgerufen am 31.07.2024.
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