mit Fremden zusammen, denen man im Vaterlande zu begegnen nicht das Glück hatte, und ich entsinne mich unter andern mit großem Vergnügen, bei dem amerika- nischen Gesandten, Herrn Livingston, den Grafen Rumford gefunden zu haben, den mein Herz schon längst verehrte. Die Gegenwart dieses achtungswerthen Menschenfreundes und die der höchstliebenswürdigen Schwiegertochter des Gesandten (einer jüngern Schwe- ster der Venus pudique) hätten schon hingereicht, jede Erwartung des Fremdlings zu befriedigen.
Noch habe ich eines Hauses nicht erwähnt, wo An- stand, Fröhlichkeit und geistreiche Unterhaltung zwanglos vereiniget sind; ich meine das Haus des preußischen Mi- nisters, Marquis von Luchesini, dessen Geist sich nie erschöpft, wie seine Gefälligkeit nie ermüdet. Die in der großen Welt erforderlichen Talente, die er alle in ei- nem ausgezeichneten Grade besitzt, haben einen leichten Firniß über die Eigenschaften seines Herzens gezogen, der aber so durchsichtig ist, wie der Firniß auf einem köstlichen Gemälde, und folglich nur dient, ihm Glanz zu leihen. Sein Geschmack ist so geläutert, und seine Kenntnisse sind so mannichfaltig, daß er mit der größten Leichtigkeit hier einen Politiker, dort einen Philosophen hier einen Dichter, dort einen Künstler, Jeden in seinem Fache unterhält, und in jedes Fach zu gehören scheint. Dabei leuchtet unverkennbar eine gewiße Gutmüthigkeit hervor, die seinem Gaste Behaglichkeit und Zutrauen ein- flößt. Alle die Annehmlichkeiten, welche sein Haus ihm verdankt, weis seine geistreiche Gemahlinn noch zu erhö- hen, und es wird wohl kein Fremder, der das Glück ge- habt hat, ihm näher anzugehören, Paris ohne eine blei- bende dankbare Erinnerung verlassen.
mit Fremden zusammen, denen man im Vaterlande zu begegnen nicht das Gluͤck hatte, und ich entsinne mich unter andern mit großem Vergnuͤgen, bei dem amerika- nischen Gesandten, Herrn Livingston, den Grafen Rumford gefunden zu haben, den mein Herz schon laͤngst verehrte. Die Gegenwart dieses achtungswerthen Menschenfreundes und die der hoͤchstliebenswuͤrdigen Schwiegertochter des Gesandten (einer juͤngern Schwe- ster der Venus pudique) haͤtten schon hingereicht, jede Erwartung des Fremdlings zu befriedigen.
Noch habe ich eines Hauses nicht erwaͤhnt, wo An- stand, Froͤhlichkeit und geistreiche Unterhaltung zwanglos vereiniget sind; ich meine das Haus des preußischen Mi- nisters, Marquis von Luchesini, dessen Geist sich nie erschoͤpft, wie seine Gefaͤlligkeit nie ermuͤdet. Die in der großen Welt erforderlichen Talente, die er alle in ei- nem ausgezeichneten Grade besitzt, haben einen leichten Firniß uͤber die Eigenschaften seines Herzens gezogen, der aber so durchsichtig ist, wie der Firniß auf einem koͤstlichen Gemaͤlde, und folglich nur dient, ihm Glanz zu leihen. Sein Geschmack ist so gelaͤutert, und seine Kenntnisse sind so mannichfaltig, daß er mit der groͤßten Leichtigkeit hier einen Politiker, dort einen Philosophen hier einen Dichter, dort einen Kuͤnstler, Jeden in seinem Fache unterhaͤlt, und in jedes Fach zu gehoͤren scheint. Dabei leuchtet unverkennbar eine gewiße Gutmuͤthigkeit hervor, die seinem Gaste Behaglichkeit und Zutrauen ein- floͤßt. Alle die Annehmlichkeiten, welche sein Haus ihm verdankt, weis seine geistreiche Gemahlinn noch zu erhoͤ- hen, und es wird wohl kein Fremder, der das Gluͤck ge- habt hat, ihm naͤher anzugehoͤren, Paris ohne eine blei- bende dankbare Erinnerung verlassen.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0042"n="42"/>
mit Fremden zusammen, denen man im Vaterlande zu<lb/>
begegnen nicht das Gluͤck hatte, und ich entsinne mich<lb/>
unter andern mit großem Vergnuͤgen, bei dem amerika-<lb/>
nischen Gesandten, Herrn <hirendition="#g">Livingston,</hi> den Grafen<lb/><hirendition="#g">Rumford</hi> gefunden zu haben, den mein Herz schon<lb/>
laͤngst verehrte. Die Gegenwart dieses achtungswerthen<lb/>
Menschenfreundes und die der hoͤchstliebenswuͤrdigen<lb/>
Schwiegertochter des Gesandten (einer juͤngern Schwe-<lb/>
ster der Venus pudique) haͤtten schon hingereicht, jede<lb/>
Erwartung des Fremdlings zu befriedigen.</p><lb/><p>Noch habe ich eines Hauses nicht erwaͤhnt, wo An-<lb/>
stand, Froͤhlichkeit und geistreiche Unterhaltung zwanglos<lb/>
vereiniget sind; ich meine das Haus des preußischen Mi-<lb/>
nisters, Marquis von <hirendition="#g">Luchesini,</hi> dessen Geist sich nie<lb/>
erschoͤpft, wie seine Gefaͤlligkeit nie ermuͤdet. Die in der<lb/>
großen Welt erforderlichen Talente, die er <hirendition="#g">alle</hi> in ei-<lb/>
nem ausgezeichneten Grade besitzt, haben einen leichten<lb/>
Firniß uͤber die Eigenschaften seines Herzens gezogen,<lb/>
der aber so durchsichtig ist, wie der Firniß auf einem<lb/>
koͤstlichen Gemaͤlde, und folglich nur dient, ihm Glanz<lb/>
zu leihen. Sein Geschmack ist so gelaͤutert, und seine<lb/>
Kenntnisse sind so mannichfaltig, daß er mit der groͤßten<lb/>
Leichtigkeit hier einen Politiker, dort einen Philosophen<lb/>
hier einen Dichter, dort einen Kuͤnstler, Jeden in seinem<lb/>
Fache unterhaͤlt, und in jedes Fach zu gehoͤren scheint.<lb/>
Dabei leuchtet unverkennbar eine gewiße Gutmuͤthigkeit<lb/>
hervor, die seinem Gaste Behaglichkeit und Zutrauen ein-<lb/>
floͤßt. Alle die Annehmlichkeiten, welche sein Haus ihm<lb/>
verdankt, weis seine geistreiche Gemahlinn noch zu erhoͤ-<lb/>
hen, und es wird wohl kein Fremder, der das Gluͤck ge-<lb/>
habt hat, ihm naͤher anzugehoͤren, Paris ohne eine blei-<lb/>
bende dankbare Erinnerung verlassen.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[42/0042]
mit Fremden zusammen, denen man im Vaterlande zu
begegnen nicht das Gluͤck hatte, und ich entsinne mich
unter andern mit großem Vergnuͤgen, bei dem amerika-
nischen Gesandten, Herrn Livingston, den Grafen
Rumford gefunden zu haben, den mein Herz schon
laͤngst verehrte. Die Gegenwart dieses achtungswerthen
Menschenfreundes und die der hoͤchstliebenswuͤrdigen
Schwiegertochter des Gesandten (einer juͤngern Schwe-
ster der Venus pudique) haͤtten schon hingereicht, jede
Erwartung des Fremdlings zu befriedigen.
Noch habe ich eines Hauses nicht erwaͤhnt, wo An-
stand, Froͤhlichkeit und geistreiche Unterhaltung zwanglos
vereiniget sind; ich meine das Haus des preußischen Mi-
nisters, Marquis von Luchesini, dessen Geist sich nie
erschoͤpft, wie seine Gefaͤlligkeit nie ermuͤdet. Die in der
großen Welt erforderlichen Talente, die er alle in ei-
nem ausgezeichneten Grade besitzt, haben einen leichten
Firniß uͤber die Eigenschaften seines Herzens gezogen,
der aber so durchsichtig ist, wie der Firniß auf einem
koͤstlichen Gemaͤlde, und folglich nur dient, ihm Glanz
zu leihen. Sein Geschmack ist so gelaͤutert, und seine
Kenntnisse sind so mannichfaltig, daß er mit der groͤßten
Leichtigkeit hier einen Politiker, dort einen Philosophen
hier einen Dichter, dort einen Kuͤnstler, Jeden in seinem
Fache unterhaͤlt, und in jedes Fach zu gehoͤren scheint.
Dabei leuchtet unverkennbar eine gewiße Gutmuͤthigkeit
hervor, die seinem Gaste Behaglichkeit und Zutrauen ein-
floͤßt. Alle die Annehmlichkeiten, welche sein Haus ihm
verdankt, weis seine geistreiche Gemahlinn noch zu erhoͤ-
hen, und es wird wohl kein Fremder, der das Gluͤck ge-
habt hat, ihm naͤher anzugehoͤren, Paris ohne eine blei-
bende dankbare Erinnerung verlassen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/42>, abgerufen am 31.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.