Die Neubegier trieb mich in das Palais de justice, um dem gerichtlichen Verhör eines Delinquenten beizuwohnen. Jm Hintergrunde eines großes Saales erblickte ich drei Richter in langen schwarzen Amtskleidern, mit Baretten auf den Köpfen, sitzend an einer Tafel. Hinter ihnen an der Wand las ich die mit großen goldenen Buchsta- ben eingegrabenen Gesetze, welche den Richtern einschärf- ten, daß sie nie ungehört verdammen, nie eine härtere Strafe auflegen sollten, als das Gesetz vorschreibe u. s. w. Den Richtern zur Rechten, auf erhöhten Bänken, saßen die Geschwornen in gewöhnlichen Kleidern. Zur Linken, den Geschwornen gerade gegenüber, und noch erhöhter, befand sich der Angeklagte zwischen zwei Soldaten. Zu den Füßen des Angeklagten saßen zwei Rechtsgelehrte, seine Vertheidiger. Vor der Tafel der Richter, und mit dem Rücken gegen dieselben gekehrt, schrieb ein Protokollist; links und rechts, wo die erhabenen Sitze aufhörten, befanden sich abermals zwei Schreiber, hinter welchen die Huissiers standen, die, so oft es nöthig war, laut, Silence! riefen. Den Richtern gerade gegenüber waren niedrige Schranken, die sie vom Volke schied, und an derer innern Seite eine Bank herlief, welche für die Zeugen bestimmt war. Hinter diesen Schranken befand sich abermals ein ein- geschlossener Raum, welcher drei oder vier Bänke faßte, theils um die Zeugen nach abgelegtem Zeugnisse aufzu-
Kriminal-Justiz.
Die Neubegier trieb mich in das Palais de justice, um dem gerichtlichen Verhoͤr eines Delinquenten beizuwohnen. Jm Hintergrunde eines großes Saales erblickte ich drei Richter in langen schwarzen Amtskleidern, mit Baretten auf den Koͤpfen, sitzend an einer Tafel. Hinter ihnen an der Wand las ich die mit großen goldenen Buchsta- ben eingegrabenen Gesetze, welche den Richtern einschaͤrf- ten, daß sie nie ungehoͤrt verdammen, nie eine haͤrtere Strafe auflegen sollten, als das Gesetz vorschreibe u. s. w. Den Richtern zur Rechten, auf erhoͤhten Baͤnken, saßen die Geschwornen in gewoͤhnlichen Kleidern. Zur Linken, den Geschwornen gerade gegenuͤber, und noch erhoͤhter, befand sich der Angeklagte zwischen zwei Soldaten. Zu den Fuͤßen des Angeklagten saßen zwei Rechtsgelehrte, seine Vertheidiger. Vor der Tafel der Richter, und mit dem Ruͤcken gegen dieselben gekehrt, schrieb ein Protokollist; links und rechts, wo die erhabenen Sitze aufhoͤrten, befanden sich abermals zwei Schreiber, hinter welchen die Huissiers standen, die, so oft es noͤthig war, laut, Silence! riefen. Den Richtern gerade gegenuͤber waren niedrige Schranken, die sie vom Volke schied, und an derer innern Seite eine Bank herlief, welche fuͤr die Zeugen bestimmt war. Hinter diesen Schranken befand sich abermals ein ein- geschlossener Raum, welcher drei oder vier Baͤnke faßte, theils um die Zeugen nach abgelegtem Zeugnisse aufzu-
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[[23]/0023]
Kriminal-Justiz.
Die Neubegier trieb mich in das Palais de justice, um
dem gerichtlichen Verhoͤr eines Delinquenten beizuwohnen.
Jm Hintergrunde eines großes Saales erblickte ich drei
Richter in langen schwarzen Amtskleidern, mit Baretten
auf den Koͤpfen, sitzend an einer Tafel. Hinter ihnen
an der Wand las ich die mit großen goldenen Buchsta-
ben eingegrabenen Gesetze, welche den Richtern einschaͤrf-
ten, daß sie nie ungehoͤrt verdammen, nie eine haͤrtere
Strafe auflegen sollten, als das Gesetz vorschreibe u. s. w.
Den Richtern zur Rechten, auf erhoͤhten Baͤnken,
saßen die Geschwornen in gewoͤhnlichen Kleidern.
Zur Linken, den Geschwornen gerade gegenuͤber, und
noch erhoͤhter, befand sich der Angeklagte zwischen
zwei Soldaten. Zu den Fuͤßen des Angeklagten saßen
zwei Rechtsgelehrte, seine Vertheidiger. Vor der
Tafel der Richter, und mit dem Ruͤcken gegen dieselben
gekehrt, schrieb ein Protokollist; links und rechts,
wo die erhabenen Sitze aufhoͤrten, befanden sich abermals
zwei Schreiber, hinter welchen die Huissiers standen,
die, so oft es noͤthig war, laut, Silence! riefen. Den
Richtern gerade gegenuͤber waren niedrige Schranken, die
sie vom Volke schied, und an derer innern Seite eine
Bank herlief, welche fuͤr die Zeugen bestimmt war.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. [23]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/23>, abgerufen am 16.02.2025.
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