Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

er solchen Bitten widerstehen können? -- Man ver-
sichert mich, daß ähnliche Szenen an vielen Orten vor-
gefallen sind.

Den Schluß der in meiner Schreibtafel gezeichne-
ten Bemerkungen macht eine gerechte Rüge. Jn den letz-
ten Tagen meines Pariser Aufenthalts erschien ein Werk
von Pigault le Brun, in zwei Bänden, le Citateur ge-
nannt, welches sehr viel Aehnlichkeit mit Voltaire's Bible
enfin expliquee hat, auch vielleicht ganz daraus geschöpft
worden ist; folglich enthält es die abscheulichsten Schmä-
hungen gegen Religion und Bibel. Dazu hat sich der
Verfasser ohne Bedenken genannt, der Buchhändler Bar-
ba hat es ohne Bedenken verlegt, die Zensur hat es oh-
ne Bedenken drucken lassen, und die Polizei erlaubt oh-
ne Bedenken, daß es öffentlich im Palais royal verkauft
werde. Die gröbsten Lästerungen gegen Christus sind
also in Paris erlaubt; aber es unterstehe sich Einer, auch
nur eine Zeile gegen -- zu schreiben, wenn er nicht et-
wa neugierig ist, die Ufer von Cayenne zu sehen.

er solchen Bitten widerstehen koͤnnen? — Man ver-
sichert mich, daß aͤhnliche Szenen an vielen Orten vor-
gefallen sind.

Den Schluß der in meiner Schreibtafel gezeichne-
ten Bemerkungen macht eine gerechte Ruͤge. Jn den letz-
ten Tagen meines Pariser Aufenthalts erschien ein Werk
von Pigault le Brun, in zwei Baͤnden, le Citateur ge-
nannt, welches sehr viel Aehnlichkeit mit Voltaire's Bible
enfin expliquée hat, auch vielleicht ganz daraus geschoͤpft
worden ist; folglich enthaͤlt es die abscheulichsten Schmaͤ-
hungen gegen Religion und Bibel. Dazu hat sich der
Verfasser ohne Bedenken genannt, der Buchhaͤndler Bar-
ba hat es ohne Bedenken verlegt, die Zensur hat es oh-
ne Bedenken drucken lassen, und die Polizei erlaubt oh-
ne Bedenken, daß es oͤffentlich im Palais royal verkauft
werde. Die groͤbsten Laͤsterungen gegen Christus sind
also in Paris erlaubt; aber es unterstehe sich Einer, auch
nur eine Zeile gegen — zu schreiben, wenn er nicht et-
wa neugierig ist, die Ufer von Cayenne zu sehen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0198" n="198"/>
er <hi rendition="#g">solchen</hi> Bitten widerstehen ko&#x0364;nnen? &#x2014; Man ver-<lb/>
sichert mich, daß a&#x0364;hnliche Szenen an vielen Orten vor-<lb/>
gefallen sind.</p><lb/>
        <p>Den Schluß der in meiner Schreibtafel gezeichne-<lb/>
ten Bemerkungen macht eine gerechte Ru&#x0364;ge. Jn den letz-<lb/>
ten Tagen meines Pariser Aufenthalts erschien ein Werk<lb/>
von Pigault le Brun, in zwei Ba&#x0364;nden, le Citateur ge-<lb/>
nannt, welches sehr viel Aehnlichkeit mit Voltaire's Bible<lb/>
enfin expliquée hat, auch vielleicht ganz daraus gescho&#x0364;pft<lb/>
worden ist; folglich entha&#x0364;lt es die abscheulichsten Schma&#x0364;-<lb/>
hungen gegen Religion und Bibel. Dazu hat sich der<lb/>
Verfasser ohne Bedenken genannt, der Buchha&#x0364;ndler Bar-<lb/>
ba hat es ohne Bedenken verlegt, die Zensur hat es oh-<lb/>
ne Bedenken drucken lassen, und die Polizei erlaubt oh-<lb/>
ne Bedenken, daß es o&#x0364;ffentlich im Palais royal verkauft<lb/>
werde. Die gro&#x0364;bsten La&#x0364;sterungen gegen <hi rendition="#g">Christus</hi> sind<lb/>
also in Paris erlaubt; aber es unterstehe sich Einer, auch<lb/>
nur eine Zeile gegen &#x2014; zu schreiben, wenn er nicht et-<lb/>
wa neugierig ist, die Ufer von Cayenne zu sehen.</p>
      </div><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[198/0198] er solchen Bitten widerstehen koͤnnen? — Man ver- sichert mich, daß aͤhnliche Szenen an vielen Orten vor- gefallen sind. Den Schluß der in meiner Schreibtafel gezeichne- ten Bemerkungen macht eine gerechte Ruͤge. Jn den letz- ten Tagen meines Pariser Aufenthalts erschien ein Werk von Pigault le Brun, in zwei Baͤnden, le Citateur ge- nannt, welches sehr viel Aehnlichkeit mit Voltaire's Bible enfin expliquée hat, auch vielleicht ganz daraus geschoͤpft worden ist; folglich enthaͤlt es die abscheulichsten Schmaͤ- hungen gegen Religion und Bibel. Dazu hat sich der Verfasser ohne Bedenken genannt, der Buchhaͤndler Bar- ba hat es ohne Bedenken verlegt, die Zensur hat es oh- ne Bedenken drucken lassen, und die Polizei erlaubt oh- ne Bedenken, daß es oͤffentlich im Palais royal verkauft werde. Die groͤbsten Laͤsterungen gegen Christus sind also in Paris erlaubt; aber es unterstehe sich Einer, auch nur eine Zeile gegen — zu schreiben, wenn er nicht et- wa neugierig ist, die Ufer von Cayenne zu sehen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/198
Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/198>, abgerufen am 24.11.2024.