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Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.

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nebenher schöne Künste und Wissenschaften. Freilich
konnte dann ein junger Mensch, der eben aus der Schule
kam, nicht gleich in Gesellschaften glänzen; die Damen
mußten erst nach und nach ihn abschleifen. Jetzt wird
das gute Kind vor allen Dingen nicht durch Studiren
ermüdet, alte Sprachen sind überflüßig, schöne Künste
die Hauptsache. Die vormals gewöhnlichen Klassen
sind abgeschafft, es giebt nur Cours publiques, wo auch
Damen und Fremde sich zahlreich versammeln und die
ersten Plätze einnehmen; die eigentlichen Zöglinge müssen
hinten sitzen, wie die Kanaille bei der gerichtlichen Cere-
monie in Figaro's Hochzeit. Durch das süße Geschwätz
und das Liebäugeln der Damen werden die Kinder auf
die Stunde vorbereitet. Endlich erscheint der galante
Professor, nicht mehr ein schwerfälliger Pedant, wie vor-
mals; er ist in allen Gesellschaften bekannt, Mitglied
aller Lyzeen, artig, gewandt, kurz deliziös. Man
empfängt ihn mit frohem Gemurmel, und er zieht den
Weihrauch, indem er gebückt durch den Saal geht, be-
scheiden in die Nase. Damit nun die Zöglinge lesen
lernen, liest der Professor; und was? Eine Satyre
von Boileau, oder einen Gesang von Gressets Vert-
vert, dann auch wohl ein paar Worte über einen alten
Autor. Er will unterhalten, nicht unterrichten gleitet
also über alles Ernsthafte hinweg, und schließt endlich
mit einer Vorlesung seiner eigenen Verse, unter
gewaltigem Händeklatschen der Zuhörer. -- So verfließt
das Jahr und die Preise werden ausgetheilt. Das ge-
schah vormals mit feierlichem Pomp, jetzt in einer
der niedlichsten Gesellschaften. An die Preise wird
wenig gedacht. Die Damen finden sich ein, weil es
Konzert und Ball giebt. Auf dem letztern glänzen auch

nebenher schoͤne Kuͤnste und Wissenschaften. Freilich
konnte dann ein junger Mensch, der eben aus der Schule
kam, nicht gleich in Gesellschaften glaͤnzen; die Damen
mußten erst nach und nach ihn abschleifen. Jetzt wird
das gute Kind vor allen Dingen nicht durch Studiren
ermuͤdet, alte Sprachen sind uͤberfluͤßig, schoͤne Kuͤnste
die Hauptsache. Die vormals gewoͤhnlichen Klassen
sind abgeschafft, es giebt nur Cours publiques, wo auch
Damen und Fremde sich zahlreich versammeln und die
ersten Plaͤtze einnehmen; die eigentlichen Zoͤglinge muͤssen
hinten sitzen, wie die Kanaille bei der gerichtlichen Cere-
monie in Figaro's Hochzeit. Durch das suͤße Geschwaͤtz
und das Liebaͤugeln der Damen werden die Kinder auf
die Stunde vorbereitet. Endlich erscheint der galante
Professor, nicht mehr ein schwerfaͤlliger Pedant, wie vor-
mals; er ist in allen Gesellschaften bekannt, Mitglied
aller Lyzeen, artig, gewandt, kurz delizioͤs. Man
empfaͤngt ihn mit frohem Gemurmel, und er zieht den
Weihrauch, indem er gebuͤckt durch den Saal geht, be-
scheiden in die Nase. Damit nun die Zoͤglinge lesen
lernen, liest der Professor; und was? Eine Satyre
von Boileau, oder einen Gesang von Gressets Vert-
vert, dann auch wohl ein paar Worte uͤber einen alten
Autor. Er will unterhalten, nicht unterrichten gleitet
also uͤber alles Ernsthafte hinweg, und schließt endlich
mit einer Vorlesung seiner eigenen Verse, unter
gewaltigem Haͤndeklatschen der Zuhoͤrer. — So verfließt
das Jahr und die Preise werden ausgetheilt. Das ge-
schah vormals mit feierlichem Pomp, jetzt in einer
der niedlichsten Gesellschaften. An die Preise wird
wenig gedacht. Die Damen finden sich ein, weil es
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[180/0180] nebenher schoͤne Kuͤnste und Wissenschaften. Freilich konnte dann ein junger Mensch, der eben aus der Schule kam, nicht gleich in Gesellschaften glaͤnzen; die Damen mußten erst nach und nach ihn abschleifen. Jetzt wird das gute Kind vor allen Dingen nicht durch Studiren ermuͤdet, alte Sprachen sind uͤberfluͤßig, schoͤne Kuͤnste die Hauptsache. Die vormals gewoͤhnlichen Klassen sind abgeschafft, es giebt nur Cours publiques, wo auch Damen und Fremde sich zahlreich versammeln und die ersten Plaͤtze einnehmen; die eigentlichen Zoͤglinge muͤssen hinten sitzen, wie die Kanaille bei der gerichtlichen Cere- monie in Figaro's Hochzeit. Durch das suͤße Geschwaͤtz und das Liebaͤugeln der Damen werden die Kinder auf die Stunde vorbereitet. Endlich erscheint der galante Professor, nicht mehr ein schwerfaͤlliger Pedant, wie vor- mals; er ist in allen Gesellschaften bekannt, Mitglied aller Lyzeen, artig, gewandt, kurz delizioͤs. Man empfaͤngt ihn mit frohem Gemurmel, und er zieht den Weihrauch, indem er gebuͤckt durch den Saal geht, be- scheiden in die Nase. Damit nun die Zoͤglinge lesen lernen, liest der Professor; und was? Eine Satyre von Boileau, oder einen Gesang von Gressets Vert- vert, dann auch wohl ein paar Worte uͤber einen alten Autor. Er will unterhalten, nicht unterrichten gleitet also uͤber alles Ernsthafte hinweg, und schließt endlich mit einer Vorlesung seiner eigenen Verse, unter gewaltigem Haͤndeklatschen der Zuhoͤrer. — So verfließt das Jahr und die Preise werden ausgetheilt. Das ge- schah vormals mit feierlichem Pomp, jetzt in einer der niedlichsten Gesellschaften. An die Preise wird wenig gedacht. Die Damen finden sich ein, weil es Konzert und Ball giebt. Auf dem letztern glaͤnzen auch

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/180>, abgerufen am 21.11.2024.