Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.barres, und da sich immer eine Menge Damen als Zu- Die öffentlichen Bälle, die stets mit vielem Pomp Vormals war die Erziehung in Frankreich heil- barres, und da sich immer eine Menge Damen als Zu- Die oͤffentlichen Baͤlle, die stets mit vielem Pomp Vormals war die Erziehung in Frankreich heil- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0179" n="179"/> barres, und da sich immer eine Menge Damen als Zu-<lb/> schauerinnen einfinden, so kann man leicht denken, daß<lb/> die Eitelkeit auch hier den Vorsitz fuͤhrt.</p><lb/> <p>Die oͤffentlichen Baͤlle, die stets mit vielem Pomp<lb/> angekuͤndigt werden, bedeuten gar Nichts. — Da ist ein<lb/> Casino Venitien, eine Salle de Terpsichore u. s. w.<lb/> Da wird ein grand Orchestre verkuͤndet; da wird eine<lb/> mise decente (schickliche Kleidung) zur unnachlaͤßlichen<lb/> Bedingung des Eintrittes gemacht; und wenn nun der<lb/> Fremde, den großen Worten vertrauend, wohlgeputzt<lb/> daher kommt, so findet er einen Haufen ungezogener Leute<lb/> in <hi rendition="#g">Stiefeln,</hi> mit runden Huͤten auf den Koͤpfen, und<lb/> das grand Orchestre besteht aus fuͤnf Personen, derer<lb/> Einer ein <hi rendition="#g">Mohr</hi> ist, welcher eine laͤngliche Trommel<lb/> mit der einen Hand schlaͤgt, und mit der andern auf ei-<lb/> ner Pfeife spielt. Zwischen den Taͤnzen werden Fanfa-<lb/> ren geschmettert. Weder Natur noch Kunst leihen dem<lb/> Frauenzimmer hier Reize, und <hi rendition="#g">Verschaͤmtheit</hi> hab'<lb/> ich nirgend angetroffen. — Ein seltsames Raffinement<lb/> ist mir in mehrern dieser Tanzsaͤle aufgefallen. Es hat<lb/> naͤmlich in einem Winkel ein Silhouetteur seine Bude<lb/> aufgeschlagen, und silhouettirt auf der Stelle fuͤr einen<lb/> maͤßigen Preis. Ein Geliebter, der etwa selten Gelegen-<lb/> heit hat, seine Geliebte zu sehen, kann es wohl veran-<lb/> stalten, daß sie einen Augenblick in diese Bude schleicht,<lb/> und ihm wenigstens ihren Schatten zuruͤcklaͤßt.</p><lb/> <p>Vormals war die <hi rendition="#g">Erziehung</hi> in Frankreich heil-<lb/> sam streng, jetzt nennt man das pedantisch. Vormals<lb/> wurde man an Arbeit gewoͤhnt, man trieb ernsthafte<lb/> Studien, man lernete Mathematik, alte Sprachen, und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [179/0179]
barres, und da sich immer eine Menge Damen als Zu-
schauerinnen einfinden, so kann man leicht denken, daß
die Eitelkeit auch hier den Vorsitz fuͤhrt.
Die oͤffentlichen Baͤlle, die stets mit vielem Pomp
angekuͤndigt werden, bedeuten gar Nichts. — Da ist ein
Casino Venitien, eine Salle de Terpsichore u. s. w.
Da wird ein grand Orchestre verkuͤndet; da wird eine
mise decente (schickliche Kleidung) zur unnachlaͤßlichen
Bedingung des Eintrittes gemacht; und wenn nun der
Fremde, den großen Worten vertrauend, wohlgeputzt
daher kommt, so findet er einen Haufen ungezogener Leute
in Stiefeln, mit runden Huͤten auf den Koͤpfen, und
das grand Orchestre besteht aus fuͤnf Personen, derer
Einer ein Mohr ist, welcher eine laͤngliche Trommel
mit der einen Hand schlaͤgt, und mit der andern auf ei-
ner Pfeife spielt. Zwischen den Taͤnzen werden Fanfa-
ren geschmettert. Weder Natur noch Kunst leihen dem
Frauenzimmer hier Reize, und Verschaͤmtheit hab'
ich nirgend angetroffen. — Ein seltsames Raffinement
ist mir in mehrern dieser Tanzsaͤle aufgefallen. Es hat
naͤmlich in einem Winkel ein Silhouetteur seine Bude
aufgeschlagen, und silhouettirt auf der Stelle fuͤr einen
maͤßigen Preis. Ein Geliebter, der etwa selten Gelegen-
heit hat, seine Geliebte zu sehen, kann es wohl veran-
stalten, daß sie einen Augenblick in diese Bude schleicht,
und ihm wenigstens ihren Schatten zuruͤcklaͤßt.
Vormals war die Erziehung in Frankreich heil-
sam streng, jetzt nennt man das pedantisch. Vormals
wurde man an Arbeit gewoͤhnt, man trieb ernsthafte
Studien, man lernete Mathematik, alte Sprachen, und
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