barres, und da sich immer eine Menge Damen als Zu- schauerinnen einfinden, so kann man leicht denken, daß die Eitelkeit auch hier den Vorsitz führt.
Die öffentlichen Bälle, die stets mit vielem Pomp angekündigt werden, bedeuten gar Nichts. -- Da ist ein Casino Venitien, eine Salle de Terpsichore u. s. w. Da wird ein grand Orchestre verkündet; da wird eine mise decente (schickliche Kleidung) zur unnachläßlichen Bedingung des Eintrittes gemacht; und wenn nun der Fremde, den großen Worten vertrauend, wohlgeputzt daher kommt, so findet er einen Haufen ungezogener Leute in Stiefeln, mit runden Hüten auf den Köpfen, und das grand Orchestre besteht aus fünf Personen, derer Einer ein Mohr ist, welcher eine längliche Trommel mit der einen Hand schlägt, und mit der andern auf ei- ner Pfeife spielt. Zwischen den Tänzen werden Fanfa- ren geschmettert. Weder Natur noch Kunst leihen dem Frauenzimmer hier Reize, und Verschämtheit hab' ich nirgend angetroffen. -- Ein seltsames Raffinement ist mir in mehrern dieser Tanzsäle aufgefallen. Es hat nämlich in einem Winkel ein Silhouetteur seine Bude aufgeschlagen, und silhouettirt auf der Stelle für einen mäßigen Preis. Ein Geliebter, der etwa selten Gelegen- heit hat, seine Geliebte zu sehen, kann es wohl veran- stalten, daß sie einen Augenblick in diese Bude schleicht, und ihm wenigstens ihren Schatten zurückläßt.
Vormals war die Erziehung in Frankreich heil- sam streng, jetzt nennt man das pedantisch. Vormals wurde man an Arbeit gewöhnt, man trieb ernsthafte Studien, man lernete Mathematik, alte Sprachen, und
barres, und da sich immer eine Menge Damen als Zu- schauerinnen einfinden, so kann man leicht denken, daß die Eitelkeit auch hier den Vorsitz fuͤhrt.
Die oͤffentlichen Baͤlle, die stets mit vielem Pomp angekuͤndigt werden, bedeuten gar Nichts. — Da ist ein Casino Venitien, eine Salle de Terpsichore u. s. w. Da wird ein grand Orchestre verkuͤndet; da wird eine mise decente (schickliche Kleidung) zur unnachlaͤßlichen Bedingung des Eintrittes gemacht; und wenn nun der Fremde, den großen Worten vertrauend, wohlgeputzt daher kommt, so findet er einen Haufen ungezogener Leute in Stiefeln, mit runden Huͤten auf den Koͤpfen, und das grand Orchestre besteht aus fuͤnf Personen, derer Einer ein Mohr ist, welcher eine laͤngliche Trommel mit der einen Hand schlaͤgt, und mit der andern auf ei- ner Pfeife spielt. Zwischen den Taͤnzen werden Fanfa- ren geschmettert. Weder Natur noch Kunst leihen dem Frauenzimmer hier Reize, und Verschaͤmtheit hab' ich nirgend angetroffen. — Ein seltsames Raffinement ist mir in mehrern dieser Tanzsaͤle aufgefallen. Es hat naͤmlich in einem Winkel ein Silhouetteur seine Bude aufgeschlagen, und silhouettirt auf der Stelle fuͤr einen maͤßigen Preis. Ein Geliebter, der etwa selten Gelegen- heit hat, seine Geliebte zu sehen, kann es wohl veran- stalten, daß sie einen Augenblick in diese Bude schleicht, und ihm wenigstens ihren Schatten zuruͤcklaͤßt.
Vormals war die Erziehung in Frankreich heil- sam streng, jetzt nennt man das pedantisch. Vormals wurde man an Arbeit gewoͤhnt, man trieb ernsthafte Studien, man lernete Mathematik, alte Sprachen, und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0179"n="179"/>
barres, und da sich immer eine Menge Damen als Zu-<lb/>
schauerinnen einfinden, so kann man leicht denken, daß<lb/>
die Eitelkeit auch hier den Vorsitz fuͤhrt.</p><lb/><p>Die oͤffentlichen Baͤlle, die stets mit vielem Pomp<lb/>
angekuͤndigt werden, bedeuten gar Nichts. — Da ist ein<lb/>
Casino Venitien, eine Salle de Terpsichore u. s. w.<lb/>
Da wird ein grand Orchestre verkuͤndet; da wird eine<lb/>
mise decente (schickliche Kleidung) zur unnachlaͤßlichen<lb/>
Bedingung des Eintrittes gemacht; und wenn nun der<lb/>
Fremde, den großen Worten vertrauend, wohlgeputzt<lb/>
daher kommt, so findet er einen Haufen ungezogener Leute<lb/>
in <hirendition="#g">Stiefeln,</hi> mit runden Huͤten auf den Koͤpfen, und<lb/>
das grand Orchestre besteht aus fuͤnf Personen, derer<lb/>
Einer ein <hirendition="#g">Mohr</hi> ist, welcher eine laͤngliche Trommel<lb/>
mit der einen Hand schlaͤgt, und mit der andern auf ei-<lb/>
ner Pfeife spielt. Zwischen den Taͤnzen werden Fanfa-<lb/>
ren geschmettert. Weder Natur noch Kunst leihen dem<lb/>
Frauenzimmer hier Reize, und <hirendition="#g">Verschaͤmtheit</hi> hab'<lb/>
ich nirgend angetroffen. — Ein seltsames Raffinement<lb/>
ist mir in mehrern dieser Tanzsaͤle aufgefallen. Es hat<lb/>
naͤmlich in einem Winkel ein Silhouetteur seine Bude<lb/>
aufgeschlagen, und silhouettirt auf der Stelle fuͤr einen<lb/>
maͤßigen Preis. Ein Geliebter, der etwa selten Gelegen-<lb/>
heit hat, seine Geliebte zu sehen, kann es wohl veran-<lb/>
stalten, daß sie einen Augenblick in diese Bude schleicht,<lb/>
und ihm wenigstens ihren Schatten zuruͤcklaͤßt.</p><lb/><p>Vormals war die <hirendition="#g">Erziehung</hi> in Frankreich heil-<lb/>
sam streng, jetzt nennt man das pedantisch. Vormals<lb/>
wurde man an Arbeit gewoͤhnt, man trieb ernsthafte<lb/>
Studien, man lernete Mathematik, alte Sprachen, und<lb/></p></div></body></text></TEI>
[179/0179]
barres, und da sich immer eine Menge Damen als Zu-
schauerinnen einfinden, so kann man leicht denken, daß
die Eitelkeit auch hier den Vorsitz fuͤhrt.
Die oͤffentlichen Baͤlle, die stets mit vielem Pomp
angekuͤndigt werden, bedeuten gar Nichts. — Da ist ein
Casino Venitien, eine Salle de Terpsichore u. s. w.
Da wird ein grand Orchestre verkuͤndet; da wird eine
mise decente (schickliche Kleidung) zur unnachlaͤßlichen
Bedingung des Eintrittes gemacht; und wenn nun der
Fremde, den großen Worten vertrauend, wohlgeputzt
daher kommt, so findet er einen Haufen ungezogener Leute
in Stiefeln, mit runden Huͤten auf den Koͤpfen, und
das grand Orchestre besteht aus fuͤnf Personen, derer
Einer ein Mohr ist, welcher eine laͤngliche Trommel
mit der einen Hand schlaͤgt, und mit der andern auf ei-
ner Pfeife spielt. Zwischen den Taͤnzen werden Fanfa-
ren geschmettert. Weder Natur noch Kunst leihen dem
Frauenzimmer hier Reize, und Verschaͤmtheit hab'
ich nirgend angetroffen. — Ein seltsames Raffinement
ist mir in mehrern dieser Tanzsaͤle aufgefallen. Es hat
naͤmlich in einem Winkel ein Silhouetteur seine Bude
aufgeschlagen, und silhouettirt auf der Stelle fuͤr einen
maͤßigen Preis. Ein Geliebter, der etwa selten Gelegen-
heit hat, seine Geliebte zu sehen, kann es wohl veran-
stalten, daß sie einen Augenblick in diese Bude schleicht,
und ihm wenigstens ihren Schatten zuruͤcklaͤßt.
Vormals war die Erziehung in Frankreich heil-
sam streng, jetzt nennt man das pedantisch. Vormals
wurde man an Arbeit gewoͤhnt, man trieb ernsthafte
Studien, man lernete Mathematik, alte Sprachen, und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/179>, abgerufen am 31.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.