storischen Glaubwürdigkeit übel aus. Ein angesehener Schriftsteller versicherte mich, er habe sich oft vergebens alle ersinnliche Mühe gegeben, Widersprüche zu heben. -- Das Bonmotisiren, wenn man zur Guillotine geführt wurde, war, wie in Frankreich Alles, zur Mo- de geworden; ein ehrlicher Mann konnte sich gar nicht mehr dadurch auszeichnen: denn sogar die Chauffeurs wurden witzig auf dem Schaffot. -- Danton's Bonmot ist gräßlich. Einer seiner Gefährten im Tode wollte ihn vor der Hinrichtung umarmen. "Laß gut seyn," sagte Danton, "unsere Köpfe kommen ja doch gleich im Sa- "cke zusammen." (Die Köpfe wurden nämlich alle in einen Sack gesteckt.)
Bei einer fröhlichen Mahlzeit, bei welcher auch Tal- ma gegenwärtig war, kam man nach Tische auf den Ein- fall, Guillotine zu spielen. Man bediente sich da- zu eines Kaminschirms, den man auf- und niederfallen lassen konnte, und unter welchen man den Kopf legte, und nachher den Schirm auf den Nacken fallen ließ. Die Gesellschaft bestand zufällig größtentheils aus Giron- disten, die zwei Tage nachher wirklich guillotinirt wurden.
Madam Roland war zwar am Tage ihrer Hin- richtung bekanntlich sehr standhaft, aber den Abend zu- vor in einer außerordentlichen Bewegung. Madame Talma, die mit ihr eingesperrt war, erzählte mir, die Unglückliche habe die ganze Nacht auf dem Klavier ge- spielt, aber auf eine so fremde, schauerliche, fürchterliche Weise, daß sie den Klang nie verges- sen werde. -- Der kleine Platz, auf welchem die könig- liche Familie hingerichtet ward, (place de Louis XV.)
storischen Glaubwuͤrdigkeit uͤbel aus. Ein angesehener Schriftsteller versicherte mich, er habe sich oft vergebens alle ersinnliche Muͤhe gegeben, Widerspruͤche zu heben. — Das Bonmotisiren, wenn man zur Guillotine gefuͤhrt wurde, war, wie in Frankreich Alles, zur Mo- de geworden; ein ehrlicher Mann konnte sich gar nicht mehr dadurch auszeichnen: denn sogar die Chauffeurs wurden witzig auf dem Schaffot. — Danton's Bonmot ist graͤßlich. Einer seiner Gefaͤhrten im Tode wollte ihn vor der Hinrichtung umarmen. „Laß gut seyn,“ sagte Danton, „unsere Koͤpfe kommen ja doch gleich im Sa- „cke zusammen.“ (Die Koͤpfe wurden naͤmlich alle in einen Sack gesteckt.)
Bei einer froͤhlichen Mahlzeit, bei welcher auch Tal- ma gegenwaͤrtig war, kam man nach Tische auf den Ein- fall, Guillotine zu spielen. Man bediente sich da- zu eines Kaminschirms, den man auf- und niederfallen lassen konnte, und unter welchen man den Kopf legte, und nachher den Schirm auf den Nacken fallen ließ. Die Gesellschaft bestand zufaͤllig groͤßtentheils aus Giron- disten, die zwei Tage nachher wirklich guillotinirt wurden.
Madam Roland war zwar am Tage ihrer Hin- richtung bekanntlich sehr standhaft, aber den Abend zu- vor in einer außerordentlichen Bewegung. Madame Talma, die mit ihr eingesperrt war, erzaͤhlte mir, die Ungluͤckliche habe die ganze Nacht auf dem Klavier ge- spielt, aber auf eine so fremde, schauerliche, fuͤrchterliche Weise, daß sie den Klang nie verges- sen werde. — Der kleine Platz, auf welchem die koͤnig- liche Familie hingerichtet ward, (place de Louis XV.)
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storischen Glaubwuͤrdigkeit uͤbel aus. Ein angesehener
Schriftsteller versicherte mich, er habe sich oft vergebens
alle ersinnliche Muͤhe gegeben, Widerspruͤche zu heben.
— Das Bonmotisiren, wenn man zur Guillotine
gefuͤhrt wurde, war, wie in Frankreich Alles, zur Mo-
de geworden; ein ehrlicher Mann konnte sich gar nicht
mehr dadurch auszeichnen: denn sogar die Chauffeurs
wurden witzig auf dem Schaffot. — Danton's Bonmot
ist graͤßlich. Einer seiner Gefaͤhrten im Tode wollte ihn
vor der Hinrichtung umarmen. „Laß gut seyn,“ sagte
Danton, „unsere Koͤpfe kommen ja doch gleich im Sa-
„cke zusammen.“ (Die Koͤpfe wurden naͤmlich alle in
einen Sack gesteckt.)
Bei einer froͤhlichen Mahlzeit, bei welcher auch Tal-
ma gegenwaͤrtig war, kam man nach Tische auf den Ein-
fall, Guillotine zu spielen. Man bediente sich da-
zu eines Kaminschirms, den man auf- und niederfallen
lassen konnte, und unter welchen man den Kopf legte,
und nachher den Schirm auf den Nacken fallen ließ. Die
Gesellschaft bestand zufaͤllig groͤßtentheils aus Giron-
disten, die zwei Tage nachher wirklich guillotinirt
wurden.
Madam Roland war zwar am Tage ihrer Hin-
richtung bekanntlich sehr standhaft, aber den Abend zu-
vor in einer außerordentlichen Bewegung. Madame
Talma, die mit ihr eingesperrt war, erzaͤhlte mir, die
Ungluͤckliche habe die ganze Nacht auf dem Klavier ge-
spielt, aber auf eine so fremde, schauerliche,
fuͤrchterliche Weise, daß sie den Klang nie verges-
sen werde. — Der kleine Platz, auf welchem die koͤnig-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/169>, abgerufen am 31.07.2024.
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