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Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.

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gen es nicht blos in Paris, sondern in ganz Frank-
reich
von jeder Bühne; nicht blos so lange das
Stück noch Manuskript, sondern auch, wenn es schon
längst gedruckt ist: denn kein Direktor einer Bühne
darf sich unterstehen, es ohne Erlaubniß des Verfassers
aufführen zu lassen. Auch vor dem schwer verpönten
Nachdruck ist er ganz sicher. -- Man könnte einwenden,
der Autor könne doch oft hintergangen werden, da es ihm
ja unmöglich sey, zu wissen, oder zu erfahren, welche
Stücke man in ganz Frankreich spiele? und wie oft und
wie groß die Einnahme gewesen? daß es höchst beschwer-
lich und kostbar seyn müsse, dergleichen Nachrichten ein-
zuziehen u. s. w.

Für alles Das ist gesorgt. Es existirt nämlich in
Paris ein Büreau, ausdrücklich zu diesem Zwecke errich-
tet. Hier meldet sich der Verfasser eines Schauspiels,
zeigt sein Werk an, und läßt nun das Büreau für alles
Uebrige sorgen. Dieses hat seine Korrespondenten und
Kassierer im ganzen Lande, und berechnet dem Schrift-
steller, gegen den mäßigen Abzug von zwei Prozent, sei-
nen Antheil gewissenhaft. Da nun in Frankreich weit
über hundert Schaubühnen angetroffen werden, (wenn
gleich viele nur klein und unbedeutend sind) so wird es
begreiflich, daß der Verfasser eines beliebten Stückes,
in den ersten paar Jahren nach dessen Erscheinen, auf
eine Einnahme von vierzigtausend Livres rechnen
kann. Nachher nimmt es zwar ab, aber die Repertoirs
der Franzosen sind weit weniger dem Wechsel unterwor-
fen als die unsrigen, und daher bleibt dem Schriftsteller
eine sichere jährliche Reuenüe, die auf der allergerechte-
sten Basis ruht: denn ihre größere oder mindere Bedeut-
samkeit hängt einzig und allein von der Güte seines Wer-

gen es nicht blos in Paris, sondern in ganz Frank-
reich
von jeder Buͤhne; nicht blos so lange das
Stuͤck noch Manuskript, sondern auch, wenn es schon
laͤngst gedruckt ist: denn kein Direktor einer Buͤhne
darf sich unterstehen, es ohne Erlaubniß des Verfassers
auffuͤhren zu lassen. Auch vor dem schwer verpoͤnten
Nachdruck ist er ganz sicher. — Man koͤnnte einwenden,
der Autor koͤnne doch oft hintergangen werden, da es ihm
ja unmoͤglich sey, zu wissen, oder zu erfahren, welche
Stuͤcke man in ganz Frankreich spiele? und wie oft und
wie groß die Einnahme gewesen? daß es hoͤchst beschwer-
lich und kostbar seyn muͤsse, dergleichen Nachrichten ein-
zuziehen u. s. w.

Fuͤr alles Das ist gesorgt. Es existirt naͤmlich in
Paris ein Buͤreau, ausdruͤcklich zu diesem Zwecke errich-
tet. Hier meldet sich der Verfasser eines Schauspiels,
zeigt sein Werk an, und laͤßt nun das Buͤreau fuͤr alles
Uebrige sorgen. Dieses hat seine Korrespondenten und
Kassierer im ganzen Lande, und berechnet dem Schrift-
steller, gegen den maͤßigen Abzug von zwei Prozent, sei-
nen Antheil gewissenhaft. Da nun in Frankreich weit
uͤber hundert Schaubuͤhnen angetroffen werden, (wenn
gleich viele nur klein und unbedeutend sind) so wird es
begreiflich, daß der Verfasser eines beliebten Stuͤckes,
in den ersten paar Jahren nach dessen Erscheinen, auf
eine Einnahme von vierzigtausend Livres rechnen
kann. Nachher nimmt es zwar ab, aber die Repertoirs
der Franzosen sind weit weniger dem Wechsel unterwor-
fen als die unsrigen, und daher bleibt dem Schriftsteller
eine sichere jaͤhrliche Reuenuͤe, die auf der allergerechte-
sten Basis ruht: denn ihre groͤßere oder mindere Bedeut-
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[162/0162] gen es nicht blos in Paris, sondern in ganz Frank- reich von jeder Buͤhne; nicht blos so lange das Stuͤck noch Manuskript, sondern auch, wenn es schon laͤngst gedruckt ist: denn kein Direktor einer Buͤhne darf sich unterstehen, es ohne Erlaubniß des Verfassers auffuͤhren zu lassen. Auch vor dem schwer verpoͤnten Nachdruck ist er ganz sicher. — Man koͤnnte einwenden, der Autor koͤnne doch oft hintergangen werden, da es ihm ja unmoͤglich sey, zu wissen, oder zu erfahren, welche Stuͤcke man in ganz Frankreich spiele? und wie oft und wie groß die Einnahme gewesen? daß es hoͤchst beschwer- lich und kostbar seyn muͤsse, dergleichen Nachrichten ein- zuziehen u. s. w. Fuͤr alles Das ist gesorgt. Es existirt naͤmlich in Paris ein Buͤreau, ausdruͤcklich zu diesem Zwecke errich- tet. Hier meldet sich der Verfasser eines Schauspiels, zeigt sein Werk an, und laͤßt nun das Buͤreau fuͤr alles Uebrige sorgen. Dieses hat seine Korrespondenten und Kassierer im ganzen Lande, und berechnet dem Schrift- steller, gegen den maͤßigen Abzug von zwei Prozent, sei- nen Antheil gewissenhaft. Da nun in Frankreich weit uͤber hundert Schaubuͤhnen angetroffen werden, (wenn gleich viele nur klein und unbedeutend sind) so wird es begreiflich, daß der Verfasser eines beliebten Stuͤckes, in den ersten paar Jahren nach dessen Erscheinen, auf eine Einnahme von vierzigtausend Livres rechnen kann. Nachher nimmt es zwar ab, aber die Repertoirs der Franzosen sind weit weniger dem Wechsel unterwor- fen als die unsrigen, und daher bleibt dem Schriftsteller eine sichere jaͤhrliche Reuenuͤe, die auf der allergerechte- sten Basis ruht: denn ihre groͤßere oder mindere Bedeut- samkeit haͤngt einzig und allein von der Guͤte seines Wer-

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/162>, abgerufen am 21.11.2024.