Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.
teln nöthigt. Sie haben aber gewöhnlich eine Art Speiset man unter Mannspersonen an einer großen
teln noͤthigt. Sie haben aber gewoͤhnlich eine Art Speiset man unter Mannspersonen an einer großen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0159" n="159"/> teln</hi> noͤthigt. Sie haben aber gewoͤhnlich eine <hi rendition="#g">Art</hi><lb/> zu betteln, die nicht zu ihrem Vortheil einnimmt. Sie<lb/> lassen sich ansagen, ein bekannter, beruͤhmter Name<lb/> oͤffnet ihnen sogleich die Thuͤre, sie treten herein, affek-<lb/> tiren die volle Dreistigkeit ihres vormaligen Standes,<lb/> lassen sich ohne Umstaͤnde am Kamin nieder, sagen dem<lb/> Fremden die unverschaͤmtesten Schmeicheleien, und schwa-<lb/> tzen von tausend Dingen wohl eine halbe Stunde lang,<lb/> ohne mit einer Silbe ihrer Noth zu gedenken. Sie ha-<lb/> ben bloß das Gluͤck haben wollen, den Fremden kennen<lb/> zu lernen, u. s. w. Endlich ruͤcken sie heraus, anfangs<lb/> verbluͤmt, dann deutlicher, haben auch wohl ein Buch<lb/> geschrieben, auf welches sie praͤnumerieren lassen, und<lb/> den Praͤnumerationsschein gleich bei der Hand haben,<lb/> den sie nachlaͤßig auf den Tisch werfen, indessen sie von<lb/> etwas Anderm sprechen. — Mir ist dergleichen oͤfter<lb/> widerfahren, und ich koͤnnte Namen nennen, die den<lb/> Leser in Erstaunen setzen wuͤrden. Manche wagen es doch<lb/> nicht, eine solche Rolle in Person zu spielen, sondern<lb/> schreiben Briefe, die wenigstens bescheiden <hi rendition="#g">klingen.</hi><lb/> Jch kann mir indessen wohl vorstellen, daß Menschen,<lb/> die <hi rendition="#g">so</hi> erzogen wurden, und <hi rendition="#g">so</hi> zu leben gewohnt wa-<lb/> ren, wenn sie nun einmal zum Betteln gezwungen sind,<lb/> auf keine andere Art betteln <hi rendition="#g">koͤnnen.</hi></p><lb/> <p>Speiset man unter Mannspersonen an einer großen<lb/> Tafel, so kann man darauf wetten, daß unter Zwanzi-<lb/> gen nicht Zwei seyn werden, die nicht Feldzuͤge mitge-<lb/> macht haͤtten, wenn man sich gleich unter lauter Dich-<lb/> tern, Kuͤnstlern und Schauspielern befindet. Jn der<lb/> Schreckenszeit war es ein <hi rendition="#g">Gluͤck,</hi> wenn man Paris<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [159/0159]
teln noͤthigt. Sie haben aber gewoͤhnlich eine Art
zu betteln, die nicht zu ihrem Vortheil einnimmt. Sie
lassen sich ansagen, ein bekannter, beruͤhmter Name
oͤffnet ihnen sogleich die Thuͤre, sie treten herein, affek-
tiren die volle Dreistigkeit ihres vormaligen Standes,
lassen sich ohne Umstaͤnde am Kamin nieder, sagen dem
Fremden die unverschaͤmtesten Schmeicheleien, und schwa-
tzen von tausend Dingen wohl eine halbe Stunde lang,
ohne mit einer Silbe ihrer Noth zu gedenken. Sie ha-
ben bloß das Gluͤck haben wollen, den Fremden kennen
zu lernen, u. s. w. Endlich ruͤcken sie heraus, anfangs
verbluͤmt, dann deutlicher, haben auch wohl ein Buch
geschrieben, auf welches sie praͤnumerieren lassen, und
den Praͤnumerationsschein gleich bei der Hand haben,
den sie nachlaͤßig auf den Tisch werfen, indessen sie von
etwas Anderm sprechen. — Mir ist dergleichen oͤfter
widerfahren, und ich koͤnnte Namen nennen, die den
Leser in Erstaunen setzen wuͤrden. Manche wagen es doch
nicht, eine solche Rolle in Person zu spielen, sondern
schreiben Briefe, die wenigstens bescheiden klingen.
Jch kann mir indessen wohl vorstellen, daß Menschen,
die so erzogen wurden, und so zu leben gewohnt wa-
ren, wenn sie nun einmal zum Betteln gezwungen sind,
auf keine andere Art betteln koͤnnen.
Speiset man unter Mannspersonen an einer großen
Tafel, so kann man darauf wetten, daß unter Zwanzi-
gen nicht Zwei seyn werden, die nicht Feldzuͤge mitge-
macht haͤtten, wenn man sich gleich unter lauter Dich-
tern, Kuͤnstlern und Schauspielern befindet. Jn der
Schreckenszeit war es ein Gluͤck, wenn man Paris
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