Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804."Man klagt täglich über Sittenverderbniß in den Ehen; Jch möchte wohl wissen, was sich mit Fug und Das nämliche Blatt enthält auch eine artige Fabel, Die meisten cidevants sind nicht bloß arm, sondern „Man klagt taͤglich uͤber Sittenverderbniß in den Ehen; Jch moͤchte wohl wissen, was sich mit Fug und Das naͤmliche Blatt enthaͤlt auch eine artige Fabel, Die meisten cidevants sind nicht bloß arm, sondern <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0158" n="158"/> „Man klagt taͤglich uͤber Sittenverderbniß in den Ehen;<lb/> „gewiß sie entspringt oͤfter aus der Gleichgiltigkeit der<lb/> „<hi rendition="#g">Maͤnner,</hi> als aus dem Leichtsinne der <hi rendition="#g">Weiber.</hi> Das<lb/> „Land, wo <hi rendition="#g">Meinau</hi> fuͤr einen Narren passirt, bringt<lb/> „schwerlich sehr gefaͤllige Ehemaͤnner hervor. — Aber,<lb/> „tadelt man ferner, das Suͤjet ist fehlerhaft, es lehrt<lb/> „junge Leute, was sie nicht wissen sollen. Wenn eine<lb/> „Tochter ihren Vater fragt, <hi rendition="#g">warum</hi> Meinau eigentlich<lb/> „so traurig sey? Was kann er ihr antworten? — Der<lb/> „Einwurf ist schwach. Ein Vater, der seine Tochter ins<lb/> „Schauspiel fuͤhrt, muß das Stuͤck zuvor kennen; und<lb/> „dann sind unsere Toͤchter auch gerade keine solche <hi rendition="#g">Ag-<lb/> „nesen.</hi> Ueberdieß moͤchte das schreckliche Gemaͤlde der<lb/> „<hi rendition="#g">Folgen eines Fehltrittes</hi> leicht moralischer seyn,<lb/> „als die <hi rendition="#g">Liebeslektionen,</hi> welche sie taͤglich hoͤren,<lb/> „um Vaͤter und Muͤtter zu betruͤgen. Stuͤcke wie Heu-<lb/> „reusement, la Gageure, Figaro, u. s. w. sind bei<lb/> „weitem gefaͤhrlicher, aber man zieht sie dennoch vor,<lb/> „denn unsere Ehemaͤnner sind artiger als Meinau.“</p><lb/> <p>Jch moͤchte wohl wissen, was sich mit Fug und<lb/> Recht auf diese Bemerkungen antworten ließe?</p><lb/> <p>Das naͤmliche Blatt enthaͤlt auch eine artige Fabel,<lb/> zu Nutz und Frommen manches teutschen Kritikus. Ein<lb/> Papagey entfloh aus seinem Kaͤfige in den Wald, und<lb/> meisterte dort den Gesang der Voͤgel. Endlich bittet<lb/> man ihn, da er es so gut versteht, doch auch einmal<lb/> zu singen. Da kratzte er sich im Kopfe und sagte:<lb/><hi rendition="#g">Meine Herren, ich pfeife wohl, aber ich<lb/> singe nicht.</hi></p><lb/> <p>Die meisten cidevants sind nicht bloß arm, sondern<lb/> leiden wirklich druͤckenden Mangel, der sie sogar zu <hi rendition="#g">bet-<lb/></hi></p> </div> </body> </text> </TEI> [158/0158]
„Man klagt taͤglich uͤber Sittenverderbniß in den Ehen;
„gewiß sie entspringt oͤfter aus der Gleichgiltigkeit der
„Maͤnner, als aus dem Leichtsinne der Weiber. Das
„Land, wo Meinau fuͤr einen Narren passirt, bringt
„schwerlich sehr gefaͤllige Ehemaͤnner hervor. — Aber,
„tadelt man ferner, das Suͤjet ist fehlerhaft, es lehrt
„junge Leute, was sie nicht wissen sollen. Wenn eine
„Tochter ihren Vater fragt, warum Meinau eigentlich
„so traurig sey? Was kann er ihr antworten? — Der
„Einwurf ist schwach. Ein Vater, der seine Tochter ins
„Schauspiel fuͤhrt, muß das Stuͤck zuvor kennen; und
„dann sind unsere Toͤchter auch gerade keine solche Ag-
„nesen. Ueberdieß moͤchte das schreckliche Gemaͤlde der
„Folgen eines Fehltrittes leicht moralischer seyn,
„als die Liebeslektionen, welche sie taͤglich hoͤren,
„um Vaͤter und Muͤtter zu betruͤgen. Stuͤcke wie Heu-
„reusement, la Gageure, Figaro, u. s. w. sind bei
„weitem gefaͤhrlicher, aber man zieht sie dennoch vor,
„denn unsere Ehemaͤnner sind artiger als Meinau.“
Jch moͤchte wohl wissen, was sich mit Fug und
Recht auf diese Bemerkungen antworten ließe?
Das naͤmliche Blatt enthaͤlt auch eine artige Fabel,
zu Nutz und Frommen manches teutschen Kritikus. Ein
Papagey entfloh aus seinem Kaͤfige in den Wald, und
meisterte dort den Gesang der Voͤgel. Endlich bittet
man ihn, da er es so gut versteht, doch auch einmal
zu singen. Da kratzte er sich im Kopfe und sagte:
Meine Herren, ich pfeife wohl, aber ich
singe nicht.
Die meisten cidevants sind nicht bloß arm, sondern
leiden wirklich druͤckenden Mangel, der sie sogar zu bet-
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