ganze Menge solcher Späßchen. Heute war z. B. une heure de Jocrisse; da sollte er Jemanden einen Vogel zum Geschenke bringen, brachte ihm aber blos den lee- ren Käfig, weil der Vogel auf der Straße durch seine Ungeschicklichkeit davon geflogen war, und freute sich, als er höte, daß der Vogel in den Brief geflogen sey, den er dabei überreichte. Er will einen Theetopf reini- gen, kann mit der Hand nicht hinein kommen, schwenkt ihn aus, schlägt ihn gegen den Tisch entzwei, und ist nur froh, daß nicht er, sondern der Tisch ihn zerbrochen hat. Ein Kleid bürstet er aus, fällt darmit auf den durch das Reinmachen des Theetopfes nassen Boden, beschmiert eineu Aermel, schneidet ihn geschwind heraus, um ihn zu einem Manne zu tragen, der Flecken ausmacht, und läßt sich von diesem unterdessen einen andern Aermel lei- hen, der natürlich nicht zum Kleide paßt. -- Von ähn- lichem Gehalte sind Cricri dans son menage, und Vade dans son grenier etc. etc. Es ist Alles gar zu gemein. Zwar ist Brünet's komisches Talent in der That groß, aber die Späßchen sind, besonders für Fremde, viel zu lokal, und mit Calembourgs so durchwebt, daß man sehr darauf geübt seyn muß, um Alles zu verstehen. -- Von Fremden gehen auch meistens nur junge Leute in dieß Theater, wegen der schmiegsamen Jung- frauen, von welchen es wimmelt. -- Auf solchen Bühnen ist Alles erlaubt, und die derbsten Zoten werden beklatscht. So hörte ich zum Beispiele im Huissier de- gourdi unter großem Beifalle sagen: Une femme ne re- doute jamais une prise de corps; und die schüchterne, schamhafte Geliebte erklärte: Qu'on peut exiger d'un epoux, qu'il lui reste au moins une jambe.
8) Theatre des jeunes artistes. Jch habe da
ganze Menge solcher Spaͤßchen. Heute war z. B. une heure de Jocrisse; da sollte er Jemanden einen Vogel zum Geschenke bringen, brachte ihm aber blos den lee- ren Kaͤfig, weil der Vogel auf der Straße durch seine Ungeschicklichkeit davon geflogen war, und freute sich, als er hoͤte, daß der Vogel in den Brief geflogen sey, den er dabei uͤberreichte. Er will einen Theetopf reini- gen, kann mit der Hand nicht hinein kommen, schwenkt ihn aus, schlaͤgt ihn gegen den Tisch entzwei, und ist nur froh, daß nicht er, sondern der Tisch ihn zerbrochen hat. Ein Kleid buͤrstet er aus, faͤllt darmit auf den durch das Reinmachen des Theetopfes nassen Boden, beschmiert eineu Aermel, schneidet ihn geschwind heraus, um ihn zu einem Manne zu tragen, der Flecken ausmacht, und laͤßt sich von diesem unterdessen einen andern Aermel lei- hen, der natuͤrlich nicht zum Kleide paßt. — Von aͤhn- lichem Gehalte sind Cricri dans son menage, und Vadé dans son grénier etc. etc. Es ist Alles gar zu gemein. Zwar ist Bruͤnet's komisches Talent in der That groß, aber die Spaͤßchen sind, besonders fuͤr Fremde, viel zu lokal, und mit Calembourgs so durchwebt, daß man sehr darauf geuͤbt seyn muß, um Alles zu verstehen. — Von Fremden gehen auch meistens nur junge Leute in dieß Theater, wegen der schmiegsamen Jung- frauen, von welchen es wimmelt. — Auf solchen Buͤhnen ist Alles erlaubt, und die derbsten Zoten werden beklatscht. So hoͤrte ich zum Beispiele im Huissier dé- gourdi unter großem Beifalle sagen: Une femme ne re- doute jamais une prise de corps; und die schuͤchterne, schamhafte Geliebte erklaͤrte: Qu'on peut exiger d'un époux, qu'il lui reste au moins une jambe.
8) Theatre des jeunes artistes. Jch habe da
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ganze Menge solcher Spaͤßchen. Heute war z. B. une
heure de Jocrisse; da sollte er Jemanden einen Vogel
zum Geschenke bringen, brachte ihm aber blos den lee-
ren Kaͤfig, weil der Vogel auf der Straße durch seine
Ungeschicklichkeit davon geflogen war, und freute sich,
als er hoͤte, daß der Vogel in den Brief geflogen sey,
den er dabei uͤberreichte. Er will einen Theetopf reini-
gen, kann mit der Hand nicht hinein kommen, schwenkt
ihn aus, schlaͤgt ihn gegen den Tisch entzwei, und ist
nur froh, daß nicht er, sondern der Tisch ihn zerbrochen
hat. Ein Kleid buͤrstet er aus, faͤllt darmit auf den durch
das Reinmachen des Theetopfes nassen Boden, beschmiert
eineu Aermel, schneidet ihn geschwind heraus, um ihn
zu einem Manne zu tragen, der Flecken ausmacht, und
laͤßt sich von diesem unterdessen einen andern Aermel lei-
hen, der natuͤrlich nicht zum Kleide paßt. — Von aͤhn-
lichem Gehalte sind Cricri dans son menage, und Vadé
dans son grénier etc. etc. Es ist Alles gar zu gemein.
Zwar ist Bruͤnet's komisches Talent in der That groß,
aber die Spaͤßchen sind, besonders fuͤr Fremde, viel zu
lokal, und mit Calembourgs so durchwebt, daß man
sehr darauf geuͤbt seyn muß, um Alles zu verstehen. —
Von Fremden gehen auch meistens nur junge Leute in
dieß Theater, wegen der schmiegsamen Jung-
frauen, von welchen es wimmelt. — Auf solchen
Buͤhnen ist Alles erlaubt, und die derbsten Zoten werden
beklatscht. So hoͤrte ich zum Beispiele im Huissier dé-
gourdi unter großem Beifalle sagen: Une femme ne re-
doute jamais une prise de corps; und die schuͤchterne,
schamhafte Geliebte erklaͤrte: Qu'on peut exiger d'un
époux, qu'il lui reste au moins une jambe.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/142>, abgerufen am 17.02.2025.
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