Philinte von Moliere. Auch eine schöne Rolle von Fleury. Er trug heute sogar noch die alten Achselbän- der auf dem reichen Kleide. Wenn man das Moliersche Kostum allgemein beobachtete, so hätte ich Nichts dage- gen, da aber die Damen im neuesten Geschmacke a la Grecque erscheinen, so ist diese Mischung lächerlich und widerlich.
Didon. Hier erscheint Mamsell George in ihrer ganzen königlichen Schönheit. Das Tygerfell und der Köcher um Schultern und Nacken, den Bogen in ihrer Hand, machen sie zur reizendsten Diane, und tausend Ak- teurs würden, aller Gefahr trotzend, der Versuchung nicht wiederstehen, sie im Bade zu belauschen. Aber ihr Spiel war sehr mittelmäßig. Jch kann hier einen Zug des Publikums nicht mit Stillschweigen übergehen. Als man einmal ein wenig applaudirte, ließ sich plötz- lich im Parterre eine Pfeife hören. Das hatte sie nun wirklich nicht verdient. Das Publikum fühlte auch lebhaft die Ungerechtigkeit, und da vorher kaum Einige geklatscht hatten, klatschte jetzt das ganze Haus. Der Pfeifer ließ sich nicht irre machen; kaum war es wieder stille geworden, so ertönte sein Jnstrument von Neuem. Jetzt erhob sich, wie am Drath gezogen, das ganze Parterre, und schrie mehrere Minuten lang fürch- terlich: a la porte! (zur Thür hinaus!) Da nun aber der Pfeifer nicht auszumitteln war, und immer Einer auf den Andern zeigte, so entschloß sich das Parterre, von Einem Geiste beseelt, statt der lauten Unzufrieden- heit mit dem Pfeifer, die laute Zufriedenheit mit der Ausgepfiffenen kund werden zu lassen; es kehrte sich abermals, wie an einer Schnur gezogen, nach der Bühne, und schrie unter heftigem Klatschen bravo! bravo! daß
Philinte von Moliere. Auch eine schoͤne Rolle von Fleury. Er trug heute sogar noch die alten Achselbaͤn- der auf dem reichen Kleide. Wenn man das Moliersche Kostum allgemein beobachtete, so haͤtte ich Nichts dage- gen, da aber die Damen im neuesten Geschmacke à la Grecque erscheinen, so ist diese Mischung laͤcherlich und widerlich.
Didon. Hier erscheint Mamsell George in ihrer ganzen koͤniglichen Schoͤnheit. Das Tygerfell und der Koͤcher um Schultern und Nacken, den Bogen in ihrer Hand, machen sie zur reizendsten Diane, und tausend Ak- teurs wuͤrden, aller Gefahr trotzend, der Versuchung nicht wiederstehen, sie im Bade zu belauschen. Aber ihr Spiel war sehr mittelmaͤßig. Jch kann hier einen Zug des Publikums nicht mit Stillschweigen uͤbergehen. Als man einmal ein wenig applaudirte, ließ sich ploͤtz- lich im Parterre eine Pfeife hoͤren. Das hatte sie nun wirklich nicht verdient. Das Publikum fuͤhlte auch lebhaft die Ungerechtigkeit, und da vorher kaum Einige geklatscht hatten, klatschte jetzt das ganze Haus. Der Pfeifer ließ sich nicht irre machen; kaum war es wieder stille geworden, so ertoͤnte sein Jnstrument von Neuem. Jetzt erhob sich, wie am Drath gezogen, das ganze Parterre, und schrie mehrere Minuten lang fuͤrch- terlich: à la porte! (zur Thuͤr hinaus!) Da nun aber der Pfeifer nicht auszumitteln war, und immer Einer auf den Andern zeigte, so entschloß sich das Parterre, von Einem Geiste beseelt, statt der lauten Unzufrieden- heit mit dem Pfeifer, die laute Zufriedenheit mit der Ausgepfiffenen kund werden zu lassen; es kehrte sich abermals, wie an einer Schnur gezogen, nach der Buͤhne, und schrie unter heftigem Klatschen bravo! bravo! daß
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0127"n="127"/><p>Philinte von Moliere. Auch eine schoͤne Rolle von<lb/>
Fleury. Er trug heute sogar noch die alten Achselbaͤn-<lb/>
der auf dem reichen Kleide. Wenn man das Moliersche<lb/>
Kostum allgemein beobachtete, so haͤtte ich Nichts dage-<lb/>
gen, da aber die Damen im neuesten Geschmacke à la<lb/>
Grecque erscheinen, so ist diese Mischung laͤcherlich und<lb/>
widerlich.</p><lb/><p><hirendition="#g">Didon.</hi> Hier erscheint Mamsell George in ihrer<lb/>
ganzen koͤniglichen Schoͤnheit. Das Tygerfell und der<lb/>
Koͤcher um Schultern und Nacken, den Bogen in ihrer<lb/>
Hand, machen sie zur reizendsten Diane, und tausend Ak-<lb/>
teurs wuͤrden, aller Gefahr trotzend, der Versuchung<lb/>
nicht wiederstehen, sie im Bade zu belauschen. Aber<lb/>
ihr <hirendition="#g">Spiel</hi> war sehr mittelmaͤßig. Jch kann hier einen<lb/>
Zug des Publikums nicht mit Stillschweigen uͤbergehen.<lb/>
Als man einmal ein wenig applaudirte, ließ sich ploͤtz-<lb/>
lich im Parterre eine <hirendition="#g">Pfeife</hi> hoͤren. <hirendition="#g">Das</hi> hatte sie<lb/>
nun wirklich nicht verdient. Das Publikum fuͤhlte auch<lb/>
lebhaft die Ungerechtigkeit, und da vorher kaum <hirendition="#g">Einige</hi><lb/>
geklatscht hatten, klatschte jetzt <hirendition="#g">das ganze Haus.</hi><lb/>
Der Pfeifer ließ sich nicht irre machen; kaum war es<lb/>
wieder stille geworden, so ertoͤnte sein Jnstrument von<lb/>
Neuem. Jetzt erhob sich, wie am Drath gezogen, das<lb/>
ganze Parterre, und schrie mehrere Minuten lang fuͤrch-<lb/>
terlich: à la porte! (zur Thuͤr hinaus!) Da nun aber<lb/>
der Pfeifer nicht auszumitteln war, und immer Einer<lb/>
auf den Andern zeigte, so entschloß sich das Parterre,<lb/>
von <hirendition="#g">Einem</hi> Geiste beseelt, statt der lauten Unzufrieden-<lb/>
heit mit dem Pfeifer, die laute Zufriedenheit mit der<lb/>
Ausgepfiffenen kund werden zu lassen; es kehrte sich<lb/>
abermals, wie an einer Schnur gezogen, nach der Buͤhne,<lb/>
und schrie unter heftigem Klatschen bravo! bravo! daß<lb/></p></div></body></text></TEI>
[127/0127]
Philinte von Moliere. Auch eine schoͤne Rolle von
Fleury. Er trug heute sogar noch die alten Achselbaͤn-
der auf dem reichen Kleide. Wenn man das Moliersche
Kostum allgemein beobachtete, so haͤtte ich Nichts dage-
gen, da aber die Damen im neuesten Geschmacke à la
Grecque erscheinen, so ist diese Mischung laͤcherlich und
widerlich.
Didon. Hier erscheint Mamsell George in ihrer
ganzen koͤniglichen Schoͤnheit. Das Tygerfell und der
Koͤcher um Schultern und Nacken, den Bogen in ihrer
Hand, machen sie zur reizendsten Diane, und tausend Ak-
teurs wuͤrden, aller Gefahr trotzend, der Versuchung
nicht wiederstehen, sie im Bade zu belauschen. Aber
ihr Spiel war sehr mittelmaͤßig. Jch kann hier einen
Zug des Publikums nicht mit Stillschweigen uͤbergehen.
Als man einmal ein wenig applaudirte, ließ sich ploͤtz-
lich im Parterre eine Pfeife hoͤren. Das hatte sie
nun wirklich nicht verdient. Das Publikum fuͤhlte auch
lebhaft die Ungerechtigkeit, und da vorher kaum Einige
geklatscht hatten, klatschte jetzt das ganze Haus.
Der Pfeifer ließ sich nicht irre machen; kaum war es
wieder stille geworden, so ertoͤnte sein Jnstrument von
Neuem. Jetzt erhob sich, wie am Drath gezogen, das
ganze Parterre, und schrie mehrere Minuten lang fuͤrch-
terlich: à la porte! (zur Thuͤr hinaus!) Da nun aber
der Pfeifer nicht auszumitteln war, und immer Einer
auf den Andern zeigte, so entschloß sich das Parterre,
von Einem Geiste beseelt, statt der lauten Unzufrieden-
heit mit dem Pfeifer, die laute Zufriedenheit mit der
Ausgepfiffenen kund werden zu lassen; es kehrte sich
abermals, wie an einer Schnur gezogen, nach der Buͤhne,
und schrie unter heftigem Klatschen bravo! bravo! daß
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/127>, abgerufen am 08.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.